Diese Militärfahrzeuge waren nicht für die Ukraine bestimmt – sie werden in die USA zurückverlegt

Eine Drohne filmt einen Hafen aus der Luft – im Hintergrund läuft dramatische Musik. Etwa 40 Sekunden lang sind dort aufgereihte Panzer und Militärfahrzeuge zu sehen. „Bachmut, das ist nur der Anfang!“, heißt es zu diesem Video auf Telegram, Twitter und Facebook. Die Nato ziehe Ausrüstung in Polen zusammen, um sie „den Banderas“ zu bringen, gemeint ist damit die Ukraine. Der deutsche Telegram-Beitrag hat knapp 30.000 Aufrufe, er verweist als Quelle auf einen russischsprachigen Telegram-Kanal, der die ukrainische Flagge im Namen trägt.

Das Video zeigt tatsächlich Militärausrüstung in einem polnischen Hafen, aber sie wurde nicht in die Ukraine geliefert. Die Fahrzeuge sind Teil einer Mission des US-Militärs und werden laut Schiffsdaten seit dem 5. März zurück in die USA verschifft (Stand 30. März).

Telegram-Beitrag mit der falschen Behauptung, das Video zeige wie die Nato Ausrüstung in Polen zusammenziehe, um sie in die Ukraine zu bringen
Knapp 30.000 Aufrufe verzeichnet dieser Telegram-Beitrag mit dem Video, das angeblich Nato-Ausrüstung für die Ukraine zeigen soll (Quelle: Telegram; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)


Video zeigt militärische Ausrüstung im Hafen Gdynia in Polen

Ein Hinweis auf den Aufnahmeort findet sich gegen Ende des Videos. Ab Sekunde 39 sind im Hintergrund unscharf zwei Namen an einer Lagerhalle zu erkennen: „Terramar“ und „Port Gdynia“. Eine Google-Suche mit diesen Namen führt zu der Speditionsfirma Terramar und ihrem Logistikzentrum am polnischen Hafen Gdynia. Fotos des Zentrums bei Google decken sich mit der Lagerhalle im Video: Sowohl das Gebäude als auch die zwei Namen sind dieselben. Der Aufnahmeort ist also tatsächlich ein Hafen in Polen.

Collage zeigt die Logos auf Bildern auf Google vom Hafen in Polen
Gegen Ende des Videos sind im Hintergrund die Namen „Terramar“ und „Port Gdynia“ an einer Lagerhalle zu erkennen – mit einer Google-Suche fanden wir dasselbe Gebäude im polnischen Hafen Gdynia (Quelle: Telegram; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Mit einem Screenshot aus dem Telegram-Video finden wir über eine Bilderrückwärtssuche einen Tweet vom Vortag, der die ursprüngliche Quelle für die Aufnahme sein könnte. Dort ist die Szene in besserer Qualität zu sehen, die vom 22. Februar 2023 stammen soll. Es heißt, das Video zeige militärische Ausrüstung im polnischen Hafen von Gdynia.

Allerdings behauptet dieser Beitrag nicht, dass die Ausrüstung für die Ukraine bestimmt sei:  Die Fahrzeuge gehörten zur US-amerikanischen Armee, konkret zur dritten gepanzerten Kampfbrigade der ersten Kavalleriedivision. Sie seien Teil der Operation „Atlantic Resolve“ und würden für die Rückverlegung in die USA vorbereitet.

Tweet schreibt, das seien US-Army-Fahrzeuge am Hafen, die in die USA zurückgeschickt werden
Das Video stamme vom 22. Februar und die Fahrzeuge würden für die Rückverlegung in die USA vorbereitet, hieß es in diesem älteren Tweet (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)


Militärische Ausrüstung im polnischen Hafen gehört nicht zur Nato, sondern dem US-Militär

CORRECTIV.Faktencheck fragte am 20. März bei der Nato und der US-Armee nach, wem die Ausrüstung gehört und wohin sie vom Hafen in Gdynia transportiert werden sollte. Die Pressestelle der Nato teilte uns mit, dass die Nato als Organisation keine Waffenhilfe für die Ukraine bereitstelle. „Wir unterstützen einzelne Nato-Mitglieder bei der Bereitstellung von humanitärer und nicht-tödlicher Hilfe“, hieß es in der E-Mail. Die im Video gezeigten Panzer seien Teil der militärischen US-Mission „Atlantic Resolve“, die Nato-Verbündete unterstütze.

Im Rahmen der Mission „Atlantic Resolve“ führt die US Army Europe and Africa laut Webseite seit 2014 Rotationseinsätze kampftauglicher Streitkräfte in Europa durch. Die USA gründeten die Mission nach der damaligen russischen Intervention in der Ukraine, heißt es in einem Medienbriefing des Europäischen Kommandos der USA (PDF, Seite 1).

Die Ausrüstung geht nicht in die Ukraine, sondern zurück in die USA

Unsere Anfrage an die US-Armee, warum die Militärfahrzeuge am Hafen von Gdynia standen, blieb bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unbeantwortet. Ein Sprecher von US Army Europe and Africa bestätigte jedoch laut einem Faktencheck der US-amerikanischen Presseagentur Associated Press vom 7. März, dass Soldaten der Mission neun Monate auf einem Trainingsgelände in Polen gewesen waren und bereits im Februar 2023 in die USA zurückkehrten. Das Video zeige deren militärische Ausrüstung, die im März zurück in die USA verschifft werde.

Gegenüber der Deutsche Presse-Agentur bestätigte das US-Militär diese Angaben ebenfalls. Die DPA zeichnete zudem anhand von Berichten und mithilfe von Schiffsdatenbanken den Weg der Ausrüstung nach: Demnach sei ein Teil davon bereits Ende Februar verladen worden.

Aufzeichnungen in der Schiffsdatenbank Vessel Finder zeigen: Das Schiff verließ den polnischen Hafen am 5. März und erreichte laut den Daten am 25. März die USA. Ein zweites Schiff verließ Gdynia am 9. März mit einem weiteren Teil der Ausrüstung in Richtung USA. Derzeit befindet es sich laut der Schiffsdatenbank im Golf von Mexiko.

Fazit: Das Video zeigt Militärfahrzeuge der US-Armee. Die Geräte waren im Rahmen der Mission „Atlantic Resolve“ bei einem Training in Polen im Einsatz und sind seit Anfang März zurück auf dem Weg in die USA.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Viktor Marinov, Sarah Thust

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Ukraine

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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