Am 11. März 2023 wurde eine Zwölfjährige in Freudenberg in Nordrhein-Westfalen getötet. Zwei nahezu gleichaltrige Mädchen sollen sie mit zahlreichen Messerstichen umgebracht haben. Kurz darauf verbreitete sich online das Video eines Übergriffs auf ein Mädchen, das angeblich zeigen soll, wie das Opfer kurz vor der Tat drangsaliert, geschlagen und bespuckt wurde. Der Clip hat allerdings nichts mit dem Fall aus Freudenberg zu tun. Es entstand im Februar 2023 in Heide in Schleswig-Holstein, wie die zuständige Staatsanwaltschaft bestätigte. Die für Freudenberg zuständige Kreispolizeibehörde warnte auf Twitter vor dem falschen Kontext des Videos.
Hunderte User teilten das angebliche Video des Opfers aus Freudenberg auf Facebook. Weitere Nutzerinnen und Nutzer sahen den Clip auch auf Twitter. Da das Opfer und die mutmaßlichen Täterinnen minderjährig sind, verlinkt AFP in diesem Fall keine Beiträge. AFP wurde von Lesern auf WhatsApp auf das Video mit der Behauptung aufmerksam gemacht. Sollten auch Sie online kursierende Falschmeldungen entdecken, schicken Sie diese gerne an unsere WhatsApp-Tipline.
Die Behauptung: Auf Facebook heißt es, das Video zeige, wie die verstorbene Schülerin aus Freudenberg zwei Tage vor ihrem Tod von Mitschülerinnen gequält wurde. Mehrere Jugendliche schlagen und bespucken in der Aufnahme ein Mädchen. „Bis zu Tode gemobbt und gequält“, schreibt eine Nutzerin dazu. Auf Twitter heißt es zum Clip: „Nix für schwache Nerven #Freudenberg„.
Die Behauptungen um das aktuell online verbreitete Video bringen den Clip in einen falschen Zusammenhang mit einem Mord im nordrhein-westfälischen Freudenberg.
Video stammt aus Heide in Schleswig-Holstein
Eine erste Stichwortsuche nach dem Video führt online direkt zu mehreren Medienberichten (hier, hier), die den Clip in Heide in Schleswig-Holstein verorten.
Die zuständige Staatsanwaltschaft aus Schleswig-Holstein bestätigte den Ursprung des Videos am 22. März 2023 telefonisch gegenüber AFP. Der Clip stamme vom 21. Februar 2023 aus Heide. Die Ermittlungen liefen aktuell noch, so die Staatsanwaltschaft. Das Video habe nichts mit dem Fall aus Freudenberg zu tun.
Eine Sprecherin der zuständigen Polizei Itzehoe äußerte sich am 21. März 2023 in einem Interview mit dem NDR zu dem Video aus Heide. Demnach seien die Tatverdächtigen bekannt und sobald die Vernehmungen abgeschlossen seien, würden sich Staatsanwaltschaft und Gerichte damit befassen. Zudem fügte sie an: „Wenn man sich dieses Video anschaut, dann muss man schon sagen, dass da eine besondere Brutalität und eine besondere Rohheit vorliegt.“
Gegenüber dem ARD-Magazin Brisant erklärte die Polizeisprecherin zudem am 21. März 2023, der Übergriff in Heide habe über einen recht langen Zeitraum angedauert. „Dem Mädchen wurde Kleidung weggenommen, sie musste sich hinknien, ihr wurde Kaugummi ins Haar geschmiert und Cola über den Kopf gegossen.“
Die Polizei Itzehoe bestätigte Datum und Tatort des Falls zudem am 21. März gegenüber AFP. Ein Zeuge alarmierte demnach damals die Polizei, die wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Raubs ermittelt. Bei den Verdächtigen handelt es sich um Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren.
In der Brisant-Ausgabe sind zudem Aufnahmen des Tatorts zu sehen. Diese passen zu den Angaben weiterer Medien zum Aufnahmeort des Videos. In dem Clip ist ein an beiden Seiten begrünter Weg zu sehen. An dessen Ende ist eine von Autos befahrene Brücke zu erkennen. Dies passt zu den Angaben in Medienberichten und Satellitenbildern des Ortes auf Google Maps. Der Weg verläuft westlich entlang der Gleise des Bahnhofs Heide Holst.
Karin Prien (CDU), Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, äußerte sich am 22. März 2023 in einer Mitteilung zu dem Fall aus Heide und bat darum, das Video der Tat nicht weiterzuverbreiten. „Wer das Video teilt, schädigt das Opfer wieder und wieder.“
Weiter erklärte sie: „Schulsozialarbeit, Jugendamt und auch das Kinderschutzzentrum bearbeiten den Fall und kümmern sich sowohl um das Opfer als auch um die Aufarbeitung mit den Täterinnen.“ Bei aller Empörung handele es sich doch um Kinder und Jugendliche, die geschützt werden müssten.
Gerüchte über den Mord in Freudenberg
Die Polizei Siegen-Wittgenstein, die für Freudenberg zuständig ist, warnte bereits am 17. März 2023 online vor Falschmeldungen im Zusammenhang mit dem dortigen Mord: „Staatsanwaltschaft und Polizei bitten daher, sich nicht an etwaigen Spekulationen zu beteiligen und die Diskussionen über die Hintergründe des Vorfalls, auch zum Schutz der Angehörigen, nicht zu befeuern.“ Auf TikTok hatten etwa User die Tatverdächtigen identifiziert, Aufrufe zur Selbstjustiz folgten.
Auf Twitter erklärte die Polizei zudem, das geteilte Video, das angeblich im Zusammenhang mit dem Fall aus Freudenberg online kursiere, stamme tatsächlich aus Schleswig-Holstein. Darin sei nicht das Opfer aus Freudenberg zu sehen. Dazu hieß es: „Bitte teilen Sie keine Falschmeldungen!“
In den sozialen Medien kursiert derzeit ein Video, welches fälschlicherweise in Zusammenhang mit dem Fall #Luise gebracht wird. In dem Video ist NICHT Luise aus #Freudenberg zu sehen. Das Video stammt zweifelsfrei aus #SchleswigHolstein. Bitte teilen Sie keine Falschmeldungen!
— Polizei NRW SI (@polizei_nrw_si)
March 21, 2023
Neben der Bestätigung der Polizei und den unterschiedlichen Orten passt auch das Aussehen des drangsalierten Mädchens im Video nicht zu dem der getöteten Luise. Auch wenn die Mädchen einander ähneln, hat AFP Unterschiede zwischen den beiden Mädchen gefunden.
Fazit: Nein, das Video eines Übergriffs auf ein Mädchen zeigt nicht das verstorbene Mädchen aus Freudenberg. Der Clip stammt aus Heide in Schleswig-Holstein und entstand am 21. Februar 2021, wie die dortige Staatsanwaltschaft und Polizei bestätigten. Auch der Aufnahmeort lässt sich mit Hilfe des Videos und anhand von Medienberichten nachvollziehen. Die Polizei Siegen-Wittgenstein warnte online vor der Verbreitung des Videos und der Verbreitung von Falschmeldungen.