Verschwörungsmythen zum Klima florieren, Lifestyleinfluencer beteiligen sich an der Verbreitung von Falschinformationen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden zum Feindbild in sozialen Medien, sagen Forschende. Gleichzeitig steigt der Druck auf Staats- und Regierungschefs anlässlich der Weltklimakonferenz in Dubai (COP28).
„Falschinformationen über den Klimanotstand verzögern die dringend notwendigen Maßnahmen, um eine lebenswerte Zukunft für den Planeten zu gewährleisten“, so die Vereinten Nationen in einem Positionspapier vom Juni 2023. „Eine kleine, aber lautstarke Minderheit von Leugnerinnen und Leugnern der Klimaforschung lehnt die Konsensposition weiterhin ab und verfügt über eine überragende Präsenz auf einigen digitalen Plattformen.“
Bei der letzten UN-Klimakonferenz riefen Beamten und Aktivisten Delegierte und Internetriesen wie Social-Media-Plattformen dazu auf, eine gemeinsame Definition von Klima-Falschinformation zu entwickeln und daran zu arbeiten, diese zu verhindern.
Während sich Staats- und Regierungschefs auf das Klimatreffen in Dubai vom 30. November bis 12. Dezember 2023 vorbereiten, zeigt AFP Faktencheck drei Trends bei Falschinformationen zum Klima im Jahr 2023 auf.
Verschwörungsmythen haben Hochkonjunktur
Waldbrände und Hitzewellen suchten dieses Jahr die ganze Welt heim und schürten Falschbehauptungen, wonach die Katastrophen von Menschen verursacht worden seien, um eine repressive Klimapolitik zu rechtfertigen.
Unbegründete Verschwörungserzählungen über sogenannte 15-Minuten-Städte – städtebauliche Konzepte zur Verringerung von Emissionen – wurden von Userinnen und Usern fälschlich als Teil eines Plans globaler Eliten bezeichnet, um die Bevölkerung einzusperren.
AFP entlarvte zahlreiche Falschbehauptungen, die die verheerenden Waldbrände zum Thema haben, die diesen August auf der hawaiianischen Insel Maui wüteten. In einem Tiktok-Video wurde zum Beispiel fälschlich behauptet, die Brände seien absichtlich gelegt worden, um Menschen zu 15-Minuten-Städten zu drängen.
Verschwörungserzählungen haben einen „Würgegriff (…) auf alle Gespräche über die öffentliche Politik“ zu den Themen Klima und Reduktion von Emissionen, sagte Jennie King, Leiterin der Abteilung Klimaforschung und -politik des Instituts für strategischen Dialog, einer Denkfabrik mit Sitz in London.
Die internationale Nichtregierungsorganisation Center for Countering Digital Hate (CCDH) hat Tausende von Beiträgen auf X (ehemals Twitter) analysiert. Sie berichtete, dass der Hashtag „ClimateScam“ auf Twitter im Trend lag, nachdem die New Yorker Behörden aufgrund des Rauchs von Waldbränden in Kanada erhöhte Gesundheitswarnstufen ausgerufen hatten.
Gesundheitsinfluencer verbreiten Falschinformationen
Mit schwindender Bedeutung der Coronapandemie und den zahlreichen Verschwörungserzählungen, die diese hervorgebracht hat, posten einige „Wellness“-Influencer und New Age-Spiritualisten nun falsche Behauptungen über den Klimawandel, wie aus einem Bericht der gemeinnützigen Organisation Climate Action Against Disinformation (CAAD) hervorgeht.
Analystinnen und Analysten von CAAD untersuchten Beiträge von Gesundheitsinfluencerinnen und -influencern wie Bodybuilderinnen und Yogalehrern. „Die Argumente sind eng mit der Sorge um die körperliche Unversehrtheit verknüpft, einschließlich der häufigen Anschuldigung, dass Klimapolitik ein Vorwand sei, um Menschen ungesund zu machen“, heißt es.
Darunter ist auch ein Beitrag, der globale Eliten für Insekten verantwortlich macht, deren Biss Menschen angeblich allergisch gegen Fleisch mache. Es wurde unterstellt, dies sei Teil der Bemühungen, Treibhausgasemissionen durch einen geringeren Rindfleischkonsum zu reduzieren. Rinderhaltung verursacht eine große Menge an Methan, das den Planeten erwärmt.
AFP hat auch Falschbehauptungen überprüft, wonach das Weltwirtschaftsforum Menschen dazu bringen wolle, Insekten zu essen, oder Städte im Rahmen ihrer Klimapolitik planten, Fleisch und Milchprodukte zu verbieten.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler online im Visier
Während Regierungen Reformen zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen vorantrieben, gab es 2023 online vielfach Angriffe auf Personen des öffentlichen Lebens im Zusammenhang mit Klimareformen – von Beamtinnen und Beamten über Journalisten bis hin zu Meteorologinnen.
„All jene Personen werden als Zielscheibe für diese Art von Informationskrieg betrachtet“, so King. Das deute darauf hin, dass zunehmend jeder zum Sündenbock gemacht werde, der mit Klimapolitik oder Klimaschutzmaßnahmen in Verbindung gebracht wird.
Während einer Hitzewelle im April 2023 erhielt die spanische Wetterbehörde Aemet nach eigenen Angaben Drohungen von Personen, die der widerlegten Erzählung Glauben schenkten, die Behörden würden Wetterkatastrophen durch „Chemtrails“ aus Flugzeugen herbeiführen.
Forschende dokumentierten unterdessen Fälle, in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Twitter zugunsten alternativer sozialer Netzwerke verließen, da Beleidigungen und Drohungen von Klimawandelleugnern auf der Plattform in die Höhe schnellten, nachdem der Milliardär Elon Musk den Kurzbotschaftendienst im Oktober 2022 übernommen hatte.
Peter Gleick, ein US-amerikanischer Klimaforscher mit über 99.000 Followerinnen und Followern, kündigte am 21. Mai 2023 an, er werde nicht mehr auf der Plattform posten, weil die „Intensität der Beleidigungen durch die Decke gegangen“ sei.
Michael Mann, Klimawissenschaftler an der Universität von Pennsylvania und prominenter Analytiker von Desinformation zum Klima, glaubt, dass der Anstieg von Reformgegnerinnen und -gegnern „organisiert und orchestriert“ sei.
Welle an Postings mit klimaskeptischen Begriffen im Jahr 2022
Bei Weltklimakonferenzen werden Staats- und Regierungschefs, die mit Jets zu den Gesprächen fliegen, in der Regel der Klimaheuchelei bezichtigt.
Max Falkenberg forscht an der City, University of London und beobachtet Desinformation im Internet. Gegenüber AFP sagte er, solche Nachrichten seien „besonders akut, da der Gipfel dieses Jahr in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfindet“.
Eine von Falkenberg und anderen Sozialwissenschaftlern im Januar 2023 durchgeführte Analyse von Beiträgen auf der Plattform ergab, dass sich die Zahl der Tweets oder Retweets mit stark klimaskeptischen Begriffen im Jahr 2022 auf mehr als eine Million fast verdoppelt hat. Seitdem hat Musk den Zugang von Forschenden zu analytischen Daten der Plattform eingeschränkt, was die Messung des Trends erschwert habe, so Falkenberg gegenüber AFP.
Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.