Gewächshäuser in Holland nutzen CO2-Abgase von Industriefirmen

CO2 ist der Haupttreiber des menschengemachten Klimawandels. Ist es da nicht seltsam, dass es in Holland von einer Bohrinsel direkt in die Gewächshäuser des Landes geleitet wird? Das zumindest wird mit einem Sharepic in Sozialen Netzwerken behauptet.

Alleine auf Facebook wurde das Sharepic mehr als 2.700 Mal geteilt. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst verbreitete es auch auf Instagram. Zudem kursiert es auf Tiktok.

Ihren Instagram-Beitrag nehmen Nutzerinnen und Nutzer teilweise zum Anlass, um die vermeintlich positiven Aspekte von CO2 zu benennen. „​​Nur die Grünen wissen nicht, dass man CO2 braucht“, schreibt ein Nutzer und jemand anderes: „CO2 beschleunigt das Wachstum der Pflanzen. Ohne genügend CO2 würde unsere Vegetation eingehen.“ Das erinnert an ein Narrativ der Klima-Desinformation: Bereits im September 2022 prüften wir die Behauptung, die Erde würde durch den CO2-Ausstoß des Menschen insgesamt grüner. Das stellte sich als falsch heraus.

Wir haben uns für diesen Faktencheck angeschaut, was das Sharepic wirklich zeigt und beim deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft angefragt, ob auch hierzulande industrielles CO2 eingesetzt wird, um Pflanzen zu düngen und so deren Wachstum zu beschleunigen.

In Sozialen Netzwerken kursiert dieses Sharepic über CO2-Lieferungen für Gewächshäusern in Holland
In Sozialen Netzwerken kursiert dieses Sharepic über CO2-Lieferungen für Gewächshäusern in Holland (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Sharepic zeigt keine CO2-Pipeline in Holland, sondern Wasserstoffanlage in Deutschland

Eine Bilder-Rückwärtssuche mit dem Sharepic zeigt, dass die darin abgebildete Industrieanlage gar nichts mit einer CO2-Pipeline zur Begasung von Gewächshäusern zu tun hat. Wie das Karlsruher Institut für Technologie auf seiner Webseite schreibt, zeigt das Bild eine Wasserstoff-Produktionsanlage der Linde AG in Leuna, Sachsen-Anhalt.

Auch das Unternehmen selbst schreibt auf seiner Webseite über die Anlage, dass dort aus Erdgas flüssiger Wasserstoff hergestellt werde. Dabei entstehe zwar CO2, dieses werde jedoch nicht freigesetzt, sondern eingelagert. Über eine Pipeline wolle man das CO2 in der Nordsee lagern, heißt es weiter.

Linde-Tochterfirma in CO2-Transport für Gewächshäuser in Holland involviert

Darüber, dass in den Niederlanden CO2 genutzt werde, um das Wachstum von Pflanzen zu beschleunigen, berichtete aber zum Beispiel der Deutschlandfunk bereits 2005: „In den Niederlanden leiten Tausende von Gärtnereien die Kohlendioxid-Abgase aus ihren Heizungen direkt in die Gewächshäuser ein, um damit das Wachstum von Gurken und Tomaten zu beschleunigen.“ Dieses Verfahren wird auch CO2-Düngung genannt.

Laut Medienberichten aus 2006 gründete die niederländische Tochterfirma Hoek Loos von der Linde AG gemeinsam mit einer Baufirma ein Unternehmen namens OCAP, um eine alte Öl-Pipeline wieder in Betrieb zu nehmen, mit der CO2 transportiert werden sollte. So schrieb die ND (ehemals Neues Deutschland), zwei Ingenieure hätten eine alte Öl-Pipeline für den Transport von CO2 in niederländische Gewächshäuser nutzen wollen. Das CO2 sollte dabei aus einer Raffinerie von Shell im Hafengebiet von Rotterdam zum Einsatz kommen.

Das Unternehmen OCAP gibt es weiterhin, ebenso die Pipeline. Auf seiner Webseite bezeichnet sich das Unternehmen als „OCAP betrieben von Linde“. Dort und in einem Artikel der Fachzeitschrift Energy Procedia stellt das Unternehmen auch den Verlauf der Pipeline auf einer Karte dar:

Die Pipeline der Firma OCAP verläuft von Rotterdam bis Amsterdam (grüne Linie) und transportiert CO2 zu verschiedenen Gewächshäusern. Die blau schraffierten Flächen markieren mögliche Speicherorte für CO2 in der Nordsee. Die roten Pfeile zeigen die Orte, an denen CO2 in die Pipeline eingespeist wird.
Die Pipeline der Firma OCAP verläuft von Rotterdam bis Amsterdam (grüne Linie) und transportiert CO2 zu verschiedenen Gewächshäusern. Die blau schraffierten Flächen markieren mögliche Speicherorte für CO2 in der Nordsee. Die roten Pfeile zeigen die Orte, an denen CO2 in die Pipeline eingespeist wird. (Quelle: OCAP / Energy Procedia; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Firma OCAP bezieht CO2 für Gewächshäuser von Industrieunternehmen in Rotterdam, nicht von Bohrinsel

Über die Lieferanten des CO2s heißt es auf der Webseite, die Shell Raffinerie in Rotterdam sei der erste Kooperationspartner gewesen. Im Jahr 2011 sei das Unternehmen Alco hinzugekommen. Davon, dass das CO2 durch eine Bohrinsel bereitgestellt werde, ist weder auf der Karte noch auf der Webseite des Unternehmens etwas zu sehen oder zu lesen.

In einem Erklärfilm des Unternehmens aus dem Jahr 2021 heißt es lediglich, man denke darüber nach, CO2 in ehemaligen Gasfeldern in der Nordsee zu speichern. Ein entsprechendes Projekt im Hafen von Rotterdam befindet sich aktuell noch in der Umsetzung und soll 2026 in Betrieb gehen. Laut der Projekt-Webseite sollen 37 Millionen Tonnen CO2 über 15 Jahre eingespeichert werden.

OCAP-Pressesprecher Robert Jan Pabon bestätigte uns, dass das Projekt weiterhin verfolgt werde. Aktuell liefere OCAP per Pipeline CO2 an circa 600 Gewächshäuser rund 600.000 Tonnen CO2 pro Jahr von industriellen Emissionsquellen im Raum Rotterdam. Dabei werde abgeschiedenes CO2 verwendet, das andernfalls in die Atmosphäre freigesetzt werden würde, so Pabon.

Wie üblich ist die Nutzung von CO2 in deutschen Gewächshäusern?

CO2-Düngung findet auch in Deutschland Anwendung. Auf unsere Presseanfrage teilte eine Sprecherin des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit, sie werde „in Deutschland sowohl in der Fruchtgemüseproduktion (Tomate, Gurke, Paprika, Aubergine) als auch in wenigen Kulturen im Zierpflanzenbau eingesetzt“. So ließe sich die Produktivität der Pflanzen um bis zu 20 Prozent erhöhen.

Wie viel des so genutzten CO2s aus Industrieanlagen anstatt aus der Verbrennung von Erdgas vor Ort stamme, könne man jedoch nicht sagen, schrieb die Sprecherin weiter.

Redigatur: Steffen Kutzner, Kimberly Nicolaus

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Technologie, Umwelt

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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