Meinungsfreiheit abschaffen? Zitat von Sawsan Chebli zu digitaler Gewalt wird falsch wiedergegeben

Sawsan Chebli fordert: Meinungsfreiheit muss endlich ein Ende haben!“, heißt es Mitte April in Beiträgen auf Facebook, Twitter und Youtube. Teilweise wird in den Beiträgen Cheblis angebliche Aussage ohne direktes Zitat wiedergegeben. Dazu wird ein Auszug aus einer Sendung der ARD-Tagesschau vom 11. April geteilt, in dem die SPD-Politikerin diesen Satz angeblich sagte. Dabei zeigt der Ausschnitt: Die Beiträge sind irreführend – Sawsan Cheblis Aussage wurde verkürzt und aus dem Kontext gerissen. In dem Interview ging es darum, wie hoch die Hürden sind, Beleidigungen und Drohungen strafrechtlich verfolgen zu lassen. Gerichte stuften Beleidigungen immer noch häufig als Meinungen ein.

Auf Twitter verbreitet sich die irreführende Behauptung, Sawsan Chebli habe ein Ende der Meinungsfreiheit gefordert (Quelle: Twitter, Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)


Sawsan Chebli sprach über die Strafverfolgung von Hasskommentaren

Das Logo der Tagesschau und das Datum sind in den Videos, die im Netz kursieren, zu erkennen. Sawsan Chebli sagte folgendes in der Sendung vom 11. April um 20 Uhr: „Über 90 Prozent meiner Anzeigen laufen ins Leere. Ich krieg’ immer von den Gerichten zurück ,der Täter ist nicht ermittelbar‘ oder ,das handelt sich um eine Meinungsfreiheit‘ und vieles mehr. Und das muss endlich ein Ende haben, damit Menschen sich auch im Netz frei bewegen können.“

Chebli sagte also nicht, dass sie die Meinungsfreiheit verbieten wolle oder diese enden müsse, sondern dass Gerichte aus ihrer Sicht Hass und Hetze viel zu oft als freie Meinungsäußerung bewerteten.

Die Politikerin schrieb uns auf Nachfrage in einer E-Mail: „Nirgendwo sage ich, dass das mit der Meinungsfreiheit ein Ende haben muss. Das ist Desinformation.“ Ihre Mailbox sei nach dem Auftritt voll mit Hassnachrichten gewesen – so solle Desinformation Menschen zum Schweigen bringen.

Regierung plant Gesetz gegen digitale Gewalt

Derzeit ist der Umgang mit Hasskriminalität, strafbaren Falschnachrichten und anderen strafbaren Inhalten, durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz geregelt. Dieses verlangt beispielsweise von Plattformbetreibern wie Facebook oder Twitter ein funktionierendes Beschwerdeverfahren – halten sich die Konzerne nicht daran, drohen Bußgelder.

Im April veröffentlichte das Bundesjustizministerium Eckpunkte für ein neues Gesetz gegen digitale Gewalt. Das solle Betroffenen beispielsweise ermöglichen, unter bestimmten Voraussetzungen bei Gericht eine Sperrung eines Accounts zu verlangen – beispielsweise, wenn sich nicht feststellen lässt, wer sich hinter einem Profil verbirgt. Internetkonzerne müssten demnach außerdem Nutzungsdaten, wie zum Beispiel IP-Adressen, herausgeben.

Darum ging es in dem Beitrag, in dem Sawsan Chebli zu Wort kam. Chebli wurde von der Tagesschau zu ihren Erfahrungen mit der Strafverfolgung von Hassnachrichten befragt.

Welche Erfahrungen unser Faktencheck-Team mit Hassrede gemacht hat, haben wir hier in eigener Sache aufgeschrieben.

Redigatur: Sarah Thust, Matthias Bau

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Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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