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Musk verbreitet Falschinformationen über Geflüchtete in Schweden

Tech-Milliardär Elon Musk sorgte wiederholt für Aufsehen, weil er sich in die europäische Politik einmischte. Ende Januar 2025 behauptete Musk auf X, dass 79 Prozent der in Schweden lebenden Geflüchteten in ihren Heimatländern Urlaub machen würden. Diese Zahl ist jedoch irreführend: Eine schwedische Studie von 2022 ergab zwar, dass 79 Prozent der befragten Menschen in ihr Heimatland gereist waren. Dabei handelte es sich jedoch zum Großteil um Personen, die bereits seit Jahrzehnten in Schweden leben und in deren Heimatländern sich die Lage in der Zwischenzeit deutlich gebessert hat.

„Schweden: 79% der ‚Flüchtlinge‘, haben Urlaub im Heimatland gemacht, aus dem sie geflohen waren …“, schrieb ein Facebook-Nutzer am 31. Januar 2025. Dazu teilte er den Screenshot einer englischen Artikelüberschrift gleichen Inhalts. Darunter steht: „Terror in Schweden: Auf den Straßen ist Krieg – allein in diesem Monat 30 Bombenangriffe“. Dieser Screenshot kursierte vielfach in verschiedenen sozialen Medien, seit US-Präsidentenberater Elon Musk ebenfalls am 31. Januar 2025 einen Beitrag auf X darüber verfasst hatte. Musks Beitrag wurde 80.000 Mal auf X geteilt.

Auf Deutsch wurde die Behauptung neben Facebook auch auf Instagram, X und Telegram verbreitet. Auf Schwedisch kursierte sie ebenfalls vielfach auf Facebook und X.

Zahlreiche Kommentare zeigen, dass Nutzerinnen und Nutzer diese Überschriften als vermeintliches Argument dafür verstehen, dass kein Schutzbedarf für Geflüchtete bestehe: „Durch den Heimaturlaub haben sie eindeutig dargelegt, dass es keinen Grund gibt, ihnen Asyl zu gewähren“, schrieb etwa ein Telegram-Nutzer.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 13. Februar 2025

Am 25. Januar 2025, wenige Tage bevor Musk den Screenshot geteilt hatte, war der X-Chef per Live-Schaltung bei einer Wahlkampfveranstaltung der rechten Partei Alternative für Deutschland (AfD) aufgetreten. Mehrere Politikerinnen und Politiker, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz, äußerten wiederholt Besorgnis darüber, dass sich der US-Milliardär bei Auftritten wie diesem in die Politik europäischer Länder einmische.

Auch der von Musk verbreitete Screenshot thematisiert mit den Behauptungen über Geflüchtete in Schweden die Migrationspolitik eines europäischen Landes. Die geteilten Behauptungen sind jedoch irreführend.

Screenshot verbindet zwei Überschriften ohne Zusammenhang 

Eine erweiterte Websuche ergab, dass der online kursierende Screenshot aus zwei zusammengeschnittenen Überschriften besteht, die in keinem Zusammenhang zueinander stehen: Die Überschrift über 79 Prozent Geflüchteter in Schweden stammt aus einem Artikel des rechtsgerichteten US-Mediums Breitbart aus dem Jahr 2022. Der Text darunter, der sich auf Bombenanschläge in Schweden bezieht, kommt jedoch von einem Forschungsportal der Universität Lund und stammt vom 29. Januar 2025.

Der Breitbart-Artikel bezieht sich auf eine Studie, die das schwedische Meinungsforschungsinstitut Novus im Jahr 2022 für einen seiner Kunden, das schwedische libertär-konservative Medium Bulletin, durchgeführt hatte. Seitdem wurden die Studienergebnisse wiederholt falsch dargestellt und waren sogar Gegenstand einer schriftlichen Anfrage eines schwedischen Politikers der demokratischen Partei an die schwedische Regierung.

Novus präzisierte die Ergebnisse daraufhin in einer öffentlichen Erklärung im Dezember 2024. Da die Studie wiederholt verfälschend in Medien besprochen wurde, etwa in der schwedischen Boulevardzeitung Expressen, klärte der Novus-Studienleiter Hjalmar Strid im BBC-Statistik-Podcast „More or Less“ im Januar 2025 erneut darüber auf.

Mehrheit der Befragten flüchtete vor Jahrzehnten

Laut Torbjörn Sjöström, CEO des Forschungsunternehmens Novus, ist die online kursierende Zahl von 79 Prozent zwar korrekt, doch die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen wurden, sind irreführend: „Im Prinzip sind die Studienergebnisse richtig“, sagte Sjöström am 6. Februar 2025 gegenüber AFP. Doch die Studie habe sich nicht mit kürzlich nach Schweden geflüchteten Menschen befasst. Die Mehrheit der Befragten sei bereits vor mehreren Jahrzehnten nach Schweden eingereist, viele hätten demnach seit Langem eine schwedische Aufenthaltserlaubnis.

Wie in der von Novus veröffentlichten Erklärung erläutert, wurden in der Studie Personen befragt, die im Ausland geboren wurden. Sie wurden zu politischen Themen und ihren Ansichten über Schweden befragt. Eine weitere Frage lautete, ob sie seit ihrer Einreise nach Schweden ihr Heimatland besucht hatten. Im BBC-Podcast wurde zudem erwähnt, dass rund 1000 Personen befragt wurden. Laut den Studienergebnissen besuchten 86 Prozent aller Befragten ihr Heimatland. Unter denjenigen, die als Geflüchtete nach Schweden eingereist waren, waren es 79 Prozent.

Laut Sjöström ist die falsche Interpretation dieser Zahlen das Problem: Online werde behauptet, dass 79 Prozent der Menschen, die sich aktuell in einem schwedischen Asylverfahren befänden, problemlos in ihre Herkunftsländer reisen würden. Das ist jedoch falsch: „Der Zweck der Studie bestand nicht darin, diejenigen zu untersuchen, die aktuell Asyl suchen und auf eine Entscheidung warten, ob sie in Schweden bleiben dürfen oder nicht.“

Die Befragten wurden zufällig aus im Bevölkerungsregister eingetragenen Personen ausgewählt, erklärte Sjöström am 11. Februar 2025 gegenüber AFP. Schutzsuchende können sich erst dann im Bevölkerungsregister registrieren lassen, wenn ihnen bereits Asyl gewährt wurde und sie eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, wie die schwedische Migrationsbehörde auf ihrer Website erklärt.

Tatsächlich lebte die Mehrheit der Befragten bereits seit Jahrzehnten in Schweden. Die Studienteilnehmenden wurden auch gefragt, wann und aus welchem Grund sie nach Schweden gekommen waren. Laut Sjöström sind die meisten Befragten zwischen 1980 und 1999 eingereist. Hjalmar Strid, der die Umfrage bei Novus leitete, erklärte im BBC-Podcast „More or Less“, dass 183 der rund 1000 Befragten als Geflüchtete identifiziert worden waren. Lediglich vier Prozent von ihnen seien nach 2010 in Schweden eingereist.

Albanische Geflüchtete wärmen sich in einem Zelt nahe des kosovarischen Dorfes Komorane, 26. Oktober 1998 – JOEL ROBINE / AFP

„Dass jemand in das Land zurückkehrt, aus dem er vor 30 bis 40 Jahren geflohen ist, wenn der Konflikt schon lange vorbei ist, ist gar nicht so überraschend“, so Sjöström. In der Studie wurde zwar nicht erfasst, aus welchen Ländern die Befragten gekommen waren. Doch wie Sjöström ausführte, sei die Mehrheit der von 1980 bis 1999 in Schweden eingereisten Geflüchteten aus „dem Balkan und Bosnien und Herzegowina, Jugoslawien und Rumänien“ gekommen.

Auch aus Chile seien in den 1970er-Jahren viele Menschen nach Schweden geflüchtet, sowie aus dem Iran ab der iranischen Revolution im Jahr 1979. Ab den 2010er-Jahren seien vermehrt Menschen aus Somalia in Schweden angekommen, so Sjöström.

Reisen können den Schutzstatus beeinflussen

Für Menschen, die sich in Schweden im Asylverfahren befinden, können Reisen in das Heimatland zudem Auswirkungen auf ihren Status haben. Ein Sprecher der schwedischen Migrationsbehörde erklärte am 7. Februar 2025 gegenüber AFP, dass Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund von Asylgründen einen Schutzstatus erhalten. Dieser weist die betroffene Person entweder als Geflüchtete aus, oder als Person, die subsidiären Schutz erhält.

„Der Schutzstatus einer Person kann entzogen werden, wenn die Person nicht mehr schutzbedürftig ist oder wenn die Person beabsichtigt, den Schutz ihres Heimatlandes in Anspruch zu nehmen oder in Anspruch genommen hat“, sagte der Sprecher. „Ein möglicher Grund für einen solchen Entzug kann sein, dass die Person in ihr Heimatland zurückgereist ist.“ Er wies darauf hin, dass sich diese Regelung beispielsweise auf die Chancen auswirken kann, eine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.

Personen, denen in Schweden der Flüchtlingsstatus anerkannt wird, erhalten eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis. Wenn sie bei Ablauf der Erlaubnis immer noch Schutz benötigen, können sie eine Verlängerung oder eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis beantragen, sofern sie in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen, heißt es auf der Website der schwedischen Migrationsbehörde.

Wenn ein Land grundlegende und dauerhafte politische Veränderungen durchlaufe, sodass Menschen von dort nicht mehr als schutzbedürftig angesehen werden können, verändere sich ihre Schutzstatus, so der Sprecher. Hat eine Person jedoch bereits einen dauerhaften schwedischen Aufenthaltstitel, könne sie diesen auch in solchen Fällen nicht verlieren. „In vielen Fällen sind Menschen, die seit vielen Jahren in Schweden leben, jetzt auch schwedische Staatsbürger“, sagte der Sprecher.

Fazit: Elon Musk und zahlreiche User verbreiteten online einen Screenshot mit irreführenden Zahlen aus einer schwedischen Studie. Wie die Studienautoren und ein Sprecher der schwedischen Migrationsbehörde gegenüber AFP erklärten, lassen sich mit den Studienergebnissen keine Aussagen über das Reiseverhalten von Menschen treffen, die in den letzten Jahren als Geflüchtete nach Schweden kamen.

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Migration, Politik

Autor(en): Gundula HAAGE / Anna HOLLINGSWORTH / AFP Finnland / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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