Nach Drohnenangriff in Sewastopol: Video zeigt Stau auf der Krim-Brücke – doch es stammt von 2022

Am 29. April setzte eine Drohne ein Treibstofflager in Sewastopol in Brand. Sewastopol ist die größte Stadt auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim. Nach diesem Angriff, so wird in Sozialen Netzwerken behauptet oder angedeutet, soll es einen großen Stau auf der Kertsch-Brücke, die die Krim mit Russland verbindet, gegeben haben.

Videos, die das belegen sollen, kursieren seit dem Tag des Drohnenangriffs auf Telegram, Facebook, Twitter und Mastodon. Ein Nutzer schreibt dazu: „Der gestrige Angriff auf das Öldepot im vorübergehend besetzten Sewastopol hat den Russen irgendwie die Laune verdorben“, ein anderer fragt ironisch: „War irgendwas heute, ist irgendwas passiert?“ Auch die ukrainischen Webseiten Korrespondent und Hronikers berichteten über das Video in aktuellem Kontext.

Ob es an diesem Tag wirklich einen großen Stau auf der Krim-Brücke gab, lässt sich nicht sicher sagen. Doch das angeblich aktuelle Video ist älter als behauptet: Es entstand schon im Oktober 2022.

Ein Twitterbeitrag, in dem ein Standbild aus einem Video geteilt wird. Es zeigt mehrere Autos, in der Ecke steht das Datum des 29. April 2023.
Dieses Video zeigt einen Stau auf der Krim-Brücke, allerdings schon im Oktober 2022 (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)


Nachrichtenagentur
AP veröffentlichte schon im Oktober 2022 ein Video des Staus auf der Krim-Brücke

Im Video sieht man mehrere Szenen, etwa von stehenden Autos, Kindern auf der Fahrbahn und einem Fahrer, der durch das Autofenster ein Interview gibt. In einer Ecke der Aufnahme steht „29.04.2023“, in einer anderen auf Russisch: „Verkehr auf der Krim-Brücke“ und in einer dritten: „Krim AP“.

Die Bilder-Rückwärtssuche eines Standbildes aus dem Video führt zu einem Youtube-Video, in dem diese und weitere Aufnahmen zu sehen sind. Doch anders als in den Aufnahmen, die sich in den Sozialen Netzwerken verbreiten, fehlt der Datumstempel in der oberen rechten Ecke. Der ukrainische Sender UATV lud es schon am 9. Oktober 2022 hoch. In der Videobeschreibung steht, auf der Seite von Kertsch – einer Hafenstadt auf der Krim – würden sich kilometerlange Staus in Richtung Krim-Brücke bilden.

Überblickskarte über die Krim.
Die Krim grenzt im Norden an das ukrainische Festland, im Osten an Russland – verbunden durch die Kertsch-Brücke (roter Punkt). Im Süden der Krim liegt Sewastopol, wo ein Treibstofflager von einer Drohne angegriffen wurde. (Quelle: Google Maps; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Faktencheck-Redaktion der AFP fand ein weiteres Video, das die Nachrichtenagentur AP am 14. Oktober 2022 veröffentlichte und in dem die Aufnahmen ebenfalls zu sehen sind. Dazu heißt es in der Beschreibung, es zeige Staus vom 9. Oktober 2022. Am Tag davor habe eine Explosion zum teilweisen Einsturz der Brücke geführt. Der Mann im Video sagt laut AP, die Stimmung sei gedrückt.

Russlands Präsident Putin machte Medienberichten zufolge den ukrainischen Geheimdienst für den Angriff auf die Krim-Brücke verantwortlich. Der Sprengstoff dafür sei in Plastik-Filmrollen versteckt gewesen, hieß es demnach vom russischen Geheimdienst FSB. Die Tagesschau schreibt: „Die ukrainische Seite hat die Zerstörungen an der Brücke zwar gefeiert, offiziell jedoch nicht die Verantwortung für den mutmaßlichen Anschlag übernommen“.

Ob sich der Verkehr am 29. April 2023 auf der Krim-Brücke staute, ist unklar

Das Video ist also älter als behauptet, der Datumstempel wurde nachträglich eingefügt. Ob es am 29. April 2023 tatsächlich einen „Mega-Stau“ auf der Krim-Brücke gab, ist unklar.

Schon einige Tage vor dem Angriff berichteten russischsprachige Medien über kilometerlange Staus auf beiden Seiten der Krim-Brücke, da dort die Urlaubssaison bevorstand. Die russische Nachrichtenagentur TASS schrieb zudem in einer Meldung vom 26. April, dass 80 Kontrollstellen mit Metalldetektoren und Röntgenfernsehanlagen an den Einfahrten zur Krim-Brücke in Betrieb gehen sollten – ein weiterer denkbarer Grund für Staus.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Matthias Bau, Sarah Thust

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Aufnahmen der AP, 14. Oktober 2022: Link
Fact Checker Logo

Ukraine

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

Nach oben scrollen