Nein, dieses Bild zeigt keinen von Russland eroberten Leopard-Panzer in der Ukraine

Mehrere europäische Länder sagten in den vergangenen Wochen zu, Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Die Bundesregierung kündigte an, Panzer vom Typ Leopard 2A6 zu liefern, Schweden wolle 10 Panzer des Typ A5 beisteuern. Polen gab am 24. Februar bekannt, bereits vier Panzer des Typs A4 geliefert zu haben.

Wir berichteten bereits über mehrere Fotos von Panzern, die mit Bezug auf die angekündigten Lieferungen irreführend verbreitet wurden. Seit Anfang März kursiert ein weiteres Foto. Darin ist ein in einem Gewässer steckengebliebener Panzer mit russischer Fahne zu sehen. Unten rechts im Bild steht „Артeмовск“, der ehemalige russische Name für die ukrainische Stadt Bachmut, und das Datum 1. März 2023. Das Bild zeige den ersten Leopard 2A5-Panzer, der von russischen Truppen erobert worden sei, heißt es in Beiträgen auf Twitter, Telegram und Facebook. Mal ist von einem „deutschen Panzer“ die Rede, mal von einem polnischen.

Der russische Diplomat Dmitry Polyanskiy verbreitete die Behauptung, genauso wie der prorussische Telegram-Kanal von Alina Lipp. Lipp korrigierte sich später, Polyanskiy löschte seinen Tweet.

Unsere Recherche zeigt: Das Foto ist schon viele Jahre alt und wurde manipuliert. Die russische Flagge wurde nachträglich hinzugefügt. Es gibt keine Belege, dass ein Leopard 2A5 bei Bachmut erobert worden sei.

Dieses Bild kursiert auf diversen Kanälen in sozialen Netzwerken. Behauptet wird, es zeige einen Leopard 2A5-Panzer, der nahe Bachmut von russischen Truppen erobert worden sei. Doch das Bild ist manipuliert und die Behauptungen unbelegt. (Quelle: Twitter; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Die russische Flagge auf dem Panzer wurde nachträglich hinzugefügt 

Über eine Bildrückwärtssuche finden wir mehrere Webseiten mit dem Bild. Teilweise sind die Beiträge schon mehr als zehn Jahre alt. Die russische Flagge und der Text fehlen.

In das im Netz verbreiteten Bild (links) wurde eine russische Fahne nachträglich eingefügt. In älteren Versionen des Bildes ist diese nicht zu sehen. (Quelle: Telegram, imgflip.com; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Ein Ergebnis der Rückwärtssuche ist eine Webseite über dänische Militärgeschichte. Dort findet sich eine Reihe von Bildern, die dieselbe Szene zeigen. Der Panzer, die Kanone und die Kleidung der Person sind gleich. Der Titel der Bilderreihe ist „Leopard in Schwierigkeiten“, darunter steht „Die Befreiung des in einem See festsitzenden Leopard-Panzers“ und „Bilder von Claus Ronald Jensen“.

Das Originalbild (links) und das Bild von milhist.dk (rechts) zeigen beide dieselbe Szene. Der Panzer, die Kleidung der Person und die Bäume und das Haus im Hintergrund stimmen überein. (Quelle: imgflip.com, milhist.dk; Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Auf Facebook finden wir ein Profil mit dem Namen Claus Ronald Jensen – und einen Beitrag vom 6. März 2023 in dänischer Sprache mit dem Foto: „Dieses Bild habe ich vor über 20 Jahren aufgenommen. Es wird derzeit zu Propagandazwecken verwendet. Es soll ein Beweis dafür sein, dass ein Leopard 2 (obwohl es eindeutig ein Leopard 1 ist) in der Ukraine von den Russen erbeutet wurde.“

Auf Anfrage schreibt uns Jensen: „Ich habe die Bilder in Slagelse, Dänemark gemacht.“ Die Aufnahmen seien laut der Metadaten am 24. Januar 2002 entstanden. „Ich hatte damals eine kleine Canon Ixus Kamera dabei.“

Jensens Angaben decken sich mit den vorhandenen Informationen: Laut den Metadaten eines der archivierten Bilder wurde dieses im Januar 2002 mit einer Canon Ixus Digitalkamera aufgenommen. Demnach ist das Bild schon mehr als 20 Jahre alt. Auch dass es sich, wie Jensen schreibt, um einen Leopard 1 handelt, ist richtig. Das erkennt man unter anderem an den seitlichen Lüftungsschlitzen hinten, die beim Leopard 2 fehlen.

Laut den Metadaten eines der archivierten Fotos wurde das Bild am 24. Januar 2002 mit einer Canon Digital Ixus Kamera aufgenommen. (Quelle: milhist.dk, archive.org, jimpl.com; Screenshots, Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Keine Belege, dass russische Truppen einen Leopard 2-Panzer gekapert hätten

Auch sonst finden sich keine Belege für die angebliche Eroberung eines Leopards in Bachmut. Dmitry Polyanskiy, der stellvertretende Ständige Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, teilte zunächst einen französischen Tweet mit der Behauptung und dem manipulierten Foto und schrieb dazu „Das ist ein guter Anfang. Weitere werden folgen – bleiben Sie dran!“. Später löschte er den Tweet. Auf Nachfrage erklärte er uns, das Foto habe sich als falsch herausgestellt. Er habe jedoch „keinen Grund zu glauben, dass die Information selbst falsch“ sei, sie sei von Befehlshabern bestätigt worden. Doch auch für die weiteren Details der Behauptung finden sich keine Belege. Polyanskiy hat in der Vergangenheit mehrfach Falschbehauptungen verbreitet.

Mehrere russische Webseiten nennen als Quelle für die Behauptung einen russischen Telegram-Beitrag vom 28. Februar 2023. Selbst Beiträge, die behaupten, der Panzer sei erst am 1. März gekapert worden, zitieren den Telegram-Post vom 28. Februar – drei Tage vor dem vermeintlichen Ereignis, das sie beschreiben.

In dem Beitrag auf Telegram wird behauptet, dass Jan Gagin, ein Berater des pro-russischen Separatistenführers Denis Puschilin, sich zuerst über die angebliche Eroberung geäußert habe. Später habe sie der Donezker Politiker Alexei Muratow bestätigt

Gagin behauptete am 28. Februar in einer Sendung im russischen Staatsfernsehen zwar, dass es „Behauptungen“ gebe, wonach Leopard-Panzer in der Nähe von Bachmut „aufgetaucht“ seien. Er sagte jedoch nicht, dass einer gekapert worden sei. Für die angeblichen Aussagen Muratows finden sich keine anderen Quellen, selbst größere russische Medien haben über die brisante Behauptung nicht berichtet.

Ähnliche Behauptung zu zerstörtem Leopard-Panzer von Ende Februar ebenfalls falsch

Ende Februar gab es bereits eine sehr ähnliche Behauptung, die sich als falsch herausstellte: Soldaten der russischen Wagner-Gruppe hätten den ersten Leopard-Panzer zerstört. Das geteilte Foto stammte wieder aus einem ganz anderen Kontext. Eine Bildrückwärtssuche zeigt: Das Foto wurde bereits im Februar 2018 veröffentlicht, laut damaligen Medienberichten in Syrien.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Sophie Timmermann, Viktor Marinov

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Ukraine

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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