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Nein, mit Radaranlagen und Mobilfunkmasten lässt sich nicht das Wetter beeinflussen

Unsichtbare elektromagnetische Wellen werden permanent von Funkmasten und Radaren ausgesendet und empfangen, um etwa Mobilfunk zu ermöglichen oder Wolken und Flugzeuge am Himmel zu orten. Aktuell wird im Netz behauptet, „phasengesteuerte Antennensysteme“ könnten das Wetter beeinflussen und Kopfschmerzen verursachen. Das ist falsch. AFP hat mit Experten gesprochen, warum solchen Anlagen unmöglich Einfluss auf das Wetter haben und auch keine Kopfschmerzen auslösen können.

In einem Video im Netz werden Aufnahmen von verschiedenen Mobilfunkantennen und Radare gezeigt. Dazu behauptet eine Stimme, spezielle Antennensysteme könnten die Umgebungsluft aufladen und „geschlossene Wolkendecken über ganzen Nationen“ erzeugen sowie Wetterkopfschmerzen verursachen.

Das Video stammt vom Account „Wetteradler“ der es auf Instagram, Youtube und Tiktok veröffentlicht hat. Betreiber Paul Schlie wurde vom österreichischen „Standard“ bereits kritisch beschrieben. Zudem wurde es von anderen Nutzern auf Facebook und X geteilt.

Instagram-Screenshot der Behauptung: 22. Februar 2024

Bei den im Video gezeigten Aufnahmen handelt es sich zumeist um sogenanntes Stock-Videos, also Filmmaterial, das auf kommerziellen Seiten gekauft werden kann. AFP konnte die meisten der gezeigten Antennen und Radare identifizieren. So handelt es sich etwa um Bilder eines Mobilfunkturms in Australien, einen Terminal Doppler Weather Radar (TDWR), der baugleich in den USA zur Wetterüberwachung zum Einsatz kommt. Zudem wird die 3D-Animation einer großen Satellitenschüssel und Drohnenbilder eines militärischen Radars in Montenegro gezeigt.

AFP hat mit Experten gesprochen, um herauszufinden, ob es sich bei den gezeigten Anlagen um „phasengesteuerte Antennen“ handelt und ob diese in der Lage sind, das Wetter zu beeinflussen oder Kopfschmerzen zu verursachen, wie im Video behauptet wird.

Martin Vossiek, Professor für Hochfrequenztechnik an der Universität Erlangen-Nürnberg, ordnete in einem Gespräch mit AFP am 16. Februar 2024 zunächst ein, was im Video zu sehen ist: „Was genau unter den Kuppeln ist, die im Video zu sehen sind, kann man nicht mit Sicherheit sagen, aber wahrscheinlich ein Radar.“ Der gezeigte Mobilfunkmast sei nicht wie behauptet eine „phasengesteuerte Antenne“. Bei den anderen kugelförmigen Radaren wäre das zumindest möglich.

Phasengesteuerte Antennen seien auch grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, so Vossiek: „Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten, wie man ein Funksignal fokussiert. Entweder nimmt man eine sehr große Antenne oder viele Kleine.“ Eine große Antenne könne man sich vorstellen wie eine riesige Taschenlampe, die man Motor drehen und so in eine Richtung ausrichten kann. Die andere Möglichkeit sei, viele kleine Antennen, in einer Gruppe zusammenzuschalten. „Je nachdem, wie die einzelnen Antennen angesteuert werden, überlagern sich die Signale und der Fokus kann unterschiedliche Richtungen geschwenkt werden, ohne die Antennen zu bewegen.“

Solche phasengesteuerten Antennensysteme kommen bei der Flugüberwachung, zur Überwachung von Schifffahrtswegen, beim Militär oder auch bei Wetterradaren zum Einsatz, sagte der Forscher AFP.

Thomas Zwick, Professor für Hochfrequenztechnik und Elektronik am Karlsruher Institut für Technologie, würde die im Video gezeigten Mobilfunkmaste und Antennen ebenso nicht als phasengesteuert bezeichnen, schrieb er in einer E-Mail an AFP am 23. Februar 2024 an AFP. Auch bei den kugelförmigen Radaren handelt es sich, nach seiner Auffassung, nicht um solche Systeme. Phasengesteuerte Antennensysteme seien flach und ermöglichen ein elektronisches Schwenken des ‚Strahls‘. „Unter den kugelförmigen Radomen befinden sich immer große Parabolreflektorantennen, die mit Motoren bewegt werden. Das sind also definitiv keine phasengesteuerten Antennensysteme.“

Im Video ist von einer „computergestützten Verschiebung des Brennpunktes“ der Antennensysteme die Rede. Diese Aussage hält Zwick für irreführend: „Phasengesteuerte Antennensysteme haben gar keinen Brennpunkt. Die abgestrahlte Welle divergiert mit zunehmendem Abstand.“ Die Behauptung, dass mit den Antennen eine „flächige und punktuelle Ionisierung der Umgebung“ möglich wäre, nennt Zwick „absoluten Unsinn“: „Alle Antennensysteme, die gezeigt werden, senden im Bereich von ein einigen hundert Megahertz bis zu einigen Gigahertz. Diese Strahlung kann nicht ionisieren. Damit macht der Rest in dem Video so keinen Sinn.“

Auch Martin Vossiek hält es für unmöglich, dass man Luft mit Funk- oder Radarsystemen ionisieren kann: „Bei den gegebenen Signalen, Frequenzen und Leistungen beziehungsweise mit den sich im Raum ausbreitenden Wellen, wie sie bei Funk- und Radar verwendet werden, ist das physikalisch ausgeschlossen.“

Die Vorstellung, dass man Wolken mit einem Radar ausschneiden und verschieben kann, wie in einigen Bildern im Video angedeutet wird, ist ebenso abwegig, sagt Vossiek. „Mit elektromagnetischen Wellen, kann man Materie erhitzen, aber nicht bewegen.“ Grundsätzlich könne man zwar mit elektromagnetischen Wellen Wasser verdampfen lassen. „Das Prinzip kennt man aus der Mikrowelle“, so der Wissenschaftler. Die Energie nehme aber sehr stark über die Distanz ab: „Daher ist die Leistungsdichte, die man in den Wolken erzeugen kann, sehr klein.“

Christian Waldschmidt, Leiter des Instituts für Mikrowellentechnik an der Universität Ulm, sieht das ähnlich. Er schrieb in einer E-Mail am 16. Februar 2024 an AFP: „Es gibt keine bekannten physikalischen Effekte, die eine Beeinflussung der Wolken oder des Wetters mithilfe von Antennen ermöglichen. Die Leistungsdichten ist viel zu gering sind, um irgendeine Wirkung zu erzielen.“

Instagram-Screenshots der Behauptung: 23. Februar 2023

Im Video werden auch Seiten aus zwei US-Patenten zur Erzeugung von künstlichen Wolken, für einen Spiegel aus Plasma über der Atmosphäre sowie eine Grafik zum Geoengineering gezeigt. Auf diese wird im Video aber nicht weiter eingegangen.

Zuletzt wird im Video behauptet, die Antennen hätten „gesundheitliche Auswirkungen“ und könnten „Wetterkopfschmerzen durch Aufladung der Atmosphäre und Erhöhung der Strahlenbelastung“ verursachen. Laut Thomas Zwick sei das mit Funk- und Radaranlagen sicher nicht machbar. Zwar sei dies mit Mikrowellen theoretisch möglich, aber dazu brauche es sehr viel mehr Leistung. „Es gibt Grenzwerte, die um das Tausendfache unterhalb dessen liegen, was dann tatsächlich etwa Kopfschmerzen erzeugen kann. Zudem sind ausreichende Sicherheitsabstände festgelegt.“

Auch Christian Waldschmidt kennt keine wissenschaftlich belegten Auswirkungen elektromagnetischer Wellen im Frequenzbereich der gezeigten Anlagen. „Mit Ausnahme der thermischen Wirkung. Diese wird zum Beispiel in Küchenmikrowellen genutzt – und nur durch die in sich geschlossene Umgebung werden überhaupt Leistungsdichten erzielt, die das Essen aufwärmen können. Die gezeigten Anlagen können jedoch über Abstände von vielen Metern auch keine thermischen Auswirkungen erzeugen, da wiederum die Leistungsdichten zu gering sind.“

Martin Röösli, Professor in Umwelt-Epidemiologie am Tropeninstituts in Basel, verwies auf Anfragevon AFP am 14. Februar 2024 auf eine Studie (hier archiviert), die er 2024 in der Fachzeitschrift „Environment International“ veröffentlicht hat. Darin wurde festgestellt, dass eine Exposition mit hochfrequente elektromagnetische Felder, wie etwa von denen im Video gezeigten Antennen, „unterhalb der Richtwerte keinen Tinnitus, keine Migräne und keine unspezifischen Symptome verursacht“.

Auf eine schriftliche Anfrage hat der Account Wetteradler bis zur Veröffentlichung dieses Textes nicht geantwortet.

Fazit: Im Netz wird behauptet, mit Mobilfunkantennen und Wetterradaren könne das Wetter beeinflusst und Kopfschmerzen verursacht werden. Das stimmt nicht. Wissenschaftler erklärten gegenüber AFP, dass die Energiemenge, die von solchen Anlagen ausgeht, viel zu gering ist, um etwa Wolken zu erzeugen.

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Wissenschaft, Gesundheit

Autor(en): Till EICHENAUER / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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