Nein, Windparks verursachen nicht Trockenheit und Dürre

Windparks sorgen für sauberen Strom und sind eine Alternative zu fossilen Energieträgern. Aber nun das: Eine „neue chinesische Studie“ belege, dass Windparks mehr Trockenheit und Dürre verursachten. Diese Behauptung verbreitet sich tausendfach auf Telegram und Twitter. Zudem teilte das Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE) die Studie. Hinter dem seriös anmutenden Namen steckt ein Lobby-Verein, der den menschengemachten Klimawandel leugnet. EIKE nannte wiederum einen Artikel von Sciencefiles als Quelle – ein Medium, das ebenfalls den menschengemachten Klimawandel leugnet – und auch der österreichische Verschwörungssender Auf1, verbreitete die Meldung im Netz. Das Thema kursiert auch in anderen Ländern Europas.

Windparks stehen häufig im Fokus von Desinformation. Oft geht es um ihren vermeintlichen Einfluss auf das Wetter, die Tierwelt oder die Umwelt. Das Narrativ dahinter: Erneuerbare Energien würden der Umwelt schaden, weshalb man an Kernkraft und fossilen Energien festhalten sollte.

Doch die „neue chinesische Studie“ zeigt lediglich, dass die Bodenfeuchtigkeit in bestimmten Windparks in China innerhalb eines Jahres um einen kleinen Prozentsatz abgenommen hat. Fachleute erklärten uns, warum die geringere Feuchtigkeit nicht mit einer Dürre gleichzusetzen ist.

Tweets wie dieser verbreiten sich im Netz, es ist ein Screenshot von Twitter mit der Aufschrift: "Chinesische Studie bestätigt: Winräder verursachen mehr Trockenheit und Dürre!"
Tweets wie dieser verbreiten sich im Netz (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)


Chinesische Studie: Zeitweilig etwa vier Prozent weniger Bodenfeuchtigkeit in Windparks

Die Studie erschien im Januar 2023 in der Fachzeitschrift MethodsX. Darin werden solche Studien veröffentlicht, die Fortschritte hinsichtlich wissenschaftlicher Methoden aus allen Fachbereichen beschreiben. Untersucht wurde, wie sich Windparks in China auf die lokale Bodenfeuchtigkeit auswirken. Die Studienautoren kombinierten dafür Satellitenbilder und Messungen am Boden. Der Untersuchungszeitraum war von März 2018 bis Februar 2019. Die Daten zeigen, dass die Bodenfeuchtigkeit bei den untersuchten Windparks innerhalb eines Jahres um 4,4 Prozent abgenommen hat.

Das bedeute aber nicht, dass der Boden in diesen Windparks zwangsläufig trocken und dürr sei, schreibt Patrick von Jeetze, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Landnutzungsmanagement am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Zwar sei die Verringerung der Bodenfeuchtigkeit um 4,4 Prozent viermal so hoch wie der in Deutschland zu erwartende Wert, doch um zu bewerten, ob das problematisch ist, seien die Standortfaktoren entscheidend. Denn je nach Standort herrschten laut von Jeetze unterschiedliche bodenphysikalische und klimatische Bedingungen, die womöglich eine Trocken- oder Dürreperiode verstärken könnten.

Zudem sei damit zu rechnen, dass sich die Bodenfeuchtigkeit nicht jedes Jahr um etwa vier Prozent verringert, sondern Schwankungen unterliege. „Ökosysteme können in den meisten Fällen mit diesen Schwankungen zurechtkommen“, schreibt von Jeetze.

Von Schwankungen ist auch in der Studie die Rede: „Wir haben festgestellt, dass Windparks die Bodenfeuchtigkeit je nach Jahreszeit und Windrichtung in unterschiedlichem Maße reduzieren.“ Die Ursache für die geringere Bodenfeuchtigkeit wurde zudem nicht untersucht. Ob die Windkraftanlagen für den Rückgang der Bodenfeuchtigkeit verantwortlich sind, steht also gar nicht fest. Einer der Studienautoren, Guoqing Li von der Ludong Universität schreibt: „Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass Windparks lokale Dürren verursachen.“

Windräder beeinflussen das Mikroklima, verursachen aber keine Dürre

Die Studie aus China zeigt, dass Windräder ihre direkte Umgebung, also das Mikroklima, in einem gewissen Maß beeinflussen können. Das zeigten auch andere Studien, wie die wissenschaftlichen Dienste des Bundestages schreiben. Das nutzen Klimaleugner immer wieder als vermeintlichen Beweis dafür, dass Windräder den Klimawandel anheizen. Doch stimmt das?

Nicht nur Windräder beeinflussen das Mikroklima

Es gibt auch andere Faktoren, die das lokale Mikroklima verändern: Hochhaussiedlungen haben einen Einfluss auf die Luftströmungen und -temperaturen. Parkplätze, Autobahnen und andere Flächen sind versiegelt, wodurch kein Wasser verdunstet und im Sommer die Umgebungsluft nicht abkühlen kann.

Fakt ist: Windräder beeinflussen das lokale Mikroklima. Das geschieht so: In der Atmosphäre sind die Luftschichten – vereinfacht formuliert – gestapelt. Kalte Luft sinkt ab, warme Luft steigt auf. Durch die Drehung der Rotorblätter der Windräder werden Luftschichten durchmischt. In einem SWR-Beitrag heißt es dazu: Nachts und morgens, wenn die Sonne nicht scheint, wirbelten Windräder die kalte Luft vom Boden nach oben und die warme zum Boden hin. Die Folge sind tatsächlich wärmere Temperaturen am Boden in unmittelbarer Nähe der Anlagen. Diesen Effekt kann sich die Landwirtschaft zu Nutze machen, um zum Beispiel Weinreben vor Frost zu schützen.

Dabei kann sogar genau der umgekehrte Effekt eintreten, sagt Dr. Martin Dörenkämper vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES). Aus bestimmten Wetterlagen könne auch kalte Luft in Bodennähe gewirbelt werden und damit zu sinkenden Temperaturen führen. Andere Studien an anderen Standorten zeigten sogar, dass der Boden durch die Umverteilung der Luftschichten absolut feuchter wird. 

So oder so seien die Bedingungen in China komplett andere und ließen sich nicht auf Deutschland übertragen, schreibt Dörenkämper in einer E-Mail an uns. In Deutschland ist ein Einfluss von Windparks auf die Bodenfeuchtigkeit trotz bereits großer Windparks in einigen Regionen nicht belegt. Der Einfluss bewegt sich nach Meinung von Experten um etwa ein Prozent: „In den meisten Fällen wird ein Prozent Veränderung in der Bodenfeuchte keine nennenswerten Auswirkungen haben“, schreibt von Jeetze.

Nur weil Windräder das lokale Mikroklima beeinflussen, entsteht also nicht gleich eine Dürre. Unter „Dürre“ sei keine lokale, sondern mindestens eine regionale oder sogar überregionale und langanhaltende Trockenheit zu verstehen, so Dörenkämper. Er schreibt: „Solche Effekte von Windparks sehen wir in keiner Studie.“ Laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages treten Dürren in Deutschland aufgrund von geringem Niederschlag, eingeschränktem Zugang zur Wasserversorgung oder Landnutzungsveränderungen auf.

Für den menschengemachten Klimawandel sind fossile Energien der Treibstoff 

Was das globale Klima betrifft, sagt Dörenkämper: „Windparks können nicht die Atmosphäre erwärmen.“ Es sei immer ein Umverteilungsaspekt. Warme Luft, die in bestimmten Wetterlagen schon da ist, werde nach unten gedrückt. Dadurch steige die Temperatur nicht.

Anders ist das bei der Energiegewinnung aus fossilen Energieträgern: Das dabei ausgestoßene CO2 sorgt für einen Temperaturanstieg. Auch Studienautor Li schreibt, dass die Umweltbeeinflussung durch Windparks „auf lokale Gebiete beschränkt“ sei. Zu diesem Schluss kommt auch eine Studie aus den USA. Darin heißt es: „Beobachtungen zeigen, dass Windkraftanlagen das lokale Klima verändern. Die Klimaauswirkungen von Wind- und Solarenergie sind im Vergleich zu den Auswirkungen der fossilen Brennstoffe gering.“

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Steffen Kutzner

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Wind farms dry surface soil in temporal and spatial variation, MethodsX, 2. Januar 2023: Link (archiviert)
  • Lokale mikroklimatische Effekte durch Windkrafträder, Wissenschaftliche Dienste des deutschen Bundestages, 17. Dezember 2020: Link
  • Climatic Impacts of Wind Power, Lee Miller und David Keith, 19. Dezember 2018: Link
  • Behauptungen zur Windkraft – Mikroklima, Europäische Energiewende Community e. V., 17. November 2020: Link
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Umwelt

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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