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«New Start»-Vertrag sieht Hangars für Bomber vor

In einem spektakulären Angriff hat die Ukraine mehrere russische Militärflugplätze mit strategischen Kampfbombern attackiert, die teilweise Tausende Kilometer von der Grenze entfernt lagen. In Aufnahmen ist zu sehen, dass mehrere angegriffene Bomber im Freien standen und nicht in Hangars oder ähnlichem. Gerüchten in Social Media zufolge soll dieser Vorteil für die Ukraine den Hintergrund gehabt haben, dass sich Russland mit der offenen Stationierung an Regelungen des «New Start»-Vertrages gehalten habe.

«Der 2010 unterzeichnete und bis zum 4. Februar 2026 verlängerte New-START-Vertrag enthält Bestimmungen zur Verifizierung strategischer Angriffswaffen», heißt es in einem Facebookpost. «Der Vertrag schreibt vor, dass diese Bomber an Standorten stationiert sein müssen, die für nationale technische Verifizierungsmittel (NTM) wie Satellitenbilder sichtbar sind.» Auf X drückt es jemand so aus: «Aufgrund internationaler Verträge müssen Langstreckenbomber, die atomar bestückt werden können, im Freien geparkt werden um von gegnerischen Satelliten erfasst werden zu können.» Waren die Flieger also leichtes Ziel, weil Russland Vertragsrecht einhielt?

Bewertung

Der Vertrag schreibt nicht vor, strategische Bomber immer im Freien zu parken. Russland hat den Vertrag zudem seit Frühjahr 2023 einseitig ausgesetzt.

Fakten

Der Abrüstungsvertrag «New Start» ist das einzige noch verbliebene große Abkommen zur Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland. Der Vertrag begrenzt die Atomwaffenarsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1550 einsatzbereite Sprengköpfe. Ziel des Vertrages ist es, in einem transparenten und überprüfbaren Verfahren die Arsenale auf beiden Seiten zu limitieren.

Vertrag sieht Nutzung von Schutzräumen vor

In Artikel 10 des Vertrags heißt es zunächst, die beiden Vertragsparteien dürften keine Maßnahmen ergreifen, wegen denen nicht mehr überprüfbar wäre, ob die Bestimmungen des Vertrages eingehalten werden. Danach steht dort aber: «Die Verpflichtung, keine Verschleierungsmaßnahmen anzuwenden, gilt nicht für die Verwendung von Schutz- oder Verschleierungspraktiken auf Interkontinentalraketenstützpunkten oder für die Nutzung von Schutzräumen für strategische Angriffswaffen.» Der Vertragstext selber verbietet also nicht, die vom Vertrag betroffenen Geräte in einen Raum zu stellen.

«Dies umfasst auch strategische Bomber, die somit in Hangars untergebracht werden dürfen», teilte der Wissenschaftler Frank Kuhn auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur schriftlich mit. Kuhn forscht beim Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt zu Rüstungskontrolle.

Genauso beschreibt es der Forscher Timur Kadyshev, der am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg arbeitet. Der Vertrag schließe «ausdrücklich Schutzräume für strategische Offensivwaffen» von den zunächst genannten Verpflichtungen aus, schrieb Kadyshev der dpa.

Im Protokoll zum Vertrag heißt es, ein Bomber müsse «für nationale technische Verifizierungsmittel» sichtbar sein, und zwar «während des gesamten Eliminierungsprozesses und für einen Zeitraum von 60 Tagen nach der Benachrichtigung über den Abschluss des Eliminierungsprozesses» – also während seiner Zerstörung. Der Vertrag schreibe vor, erklärt Rüstungskontroll-Forscher Kadyshev, «dass ein Bomber während des Eliminierungsprozesses exponiert werden muss, aber nicht, wenn er eingesetzt oder gelagert wird».

Auf einer Webseite kommentiert das US-Verteidigungsministerium in einer Analyse, der Vertrag verbiete nicht die Stationierung in einer Unterkunft, da «derartige Verbote» den normalen Betrieb «stören» würden.

Der Vertrag erlaubt gegenseitige Inspektionen zur Prüfung vor Ort. Dem Anhang zum Vertrag zufolge sollen für die Inspektionen Karten («site diagrams») zur Verfügung gestellt werden. Für Inspektionen bei Luftwaffenstützpunkten sollen dabei ausdrücklich «Abstellflächen, Schutzräume und Hangars für schwere Bomber» eingezeichnet sein, «sowie alle Standorte, an denen schwere Bomber abgestellt oder gewartet werden können» – der Vertragstext selber erwähnt also die Möglichkeit, strategische Waffen in Schutzräumen und Hangars zu parken.

Russland hat den Vertrag ausgesetzt

«New Start» ist die Fortsetzung einer Reihe von Atomwaffen-Abrüstungsverträgen zwischen den USA und Russland seit dem Ende der Sowjetunion. Der letzte Vertrag ist seit 2011 in Kraft, er sollte 2021 auslaufen, doch Russlands Präsident Wladimir Putin und der damalige US-Präsident Joe Biden haben den Vertrag bis 2026 verlängert. Das Abkommen sieht gegenseitige Mitteilungen und wie erwähnt Inspektionen vor, die Russland und USA aber seit der Pandemie ausgesetzt haben.

Im Frühjahr 2023 sagte Putin, sein Land werde «New Start» vorübergehend aussetzen. Er betonte dabei, dass es sich nicht um einen Ausstieg handle. Russland wolle weiter die im Vertrag festgeschriebene Obergrenze für Atomwaffen einhalten. Beide Länder geben sich aber keine Informationen mehr, wie viele Sprengköpfe und Trägersysteme sie haben und die jährlichen Inspektionen sind auch ausgesetzt.

Konfliktforscher Frank Kuhn sagt darum, der Vertrag sei derzeit in der Schwebe: «Die Vertragsstaaten sind nicht ausgetreten, aber es werden auch nicht mehr alle Bestimmungen eingehalten.»

Auch manche US-Bomber stehen in Hangars

Würde der Vertrag tatsächlich vorschreiben, strategische Bomber nur auf offener Fläche zu lassen, dann würde das auch für die USA gelten. Doch Wissenschaftler Kuhn weist darauf hin, dass die USA strategische Langstreckenbomber sehr wohl auch in Hangars parken.

Forscher Kadyshev schreibt, es habe «praktische Gründe», dass die USA Bomber auch im Freien parken, das habe aber «nichts mit vertraglichen Verpflichtungen zu tun. Außerdem können Flugzeuge, die in potenziell gefährdeten Gebieten (wie Südostasien) eingesetzt werden, in schützenden und sogar gehärteten Schutzräumen stationiert werden.»

Ukrainische Drohnenattacke

Bei der ukrainischen Geheimoperation «Spinnennetz» mit Drohnenattacken gegen russische Militärflughäfen weit im Hinterland hat der Geheimdienst SBU mehrere Flugzeuge zerstört. Manche betroffenen Flugzeuge sind fähig, Nuklearwaffen wie konventionelle Marschflugkörper zu tragen.

Dabei sollen auch russische Bomber des Typs Tu-95 zerstört worden sein. In «New Start» wird dieser Typ explizit genannt (in Artikel 3 Paragraph 8 Nr. II ii). Nicht abschließend verifiziert ist, ob wirklich so viele Flugzeuge tatsächlich unwideruflich zerstört worden sind, wie von der Ukraine angegeben.

(Stand: 6.6.25)

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Russland, Ukraine

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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