UV-Strahlung gilt nachweislich als Hauptrisikofaktor für Hautkrebs. In Videos in sozialen Medien behauptet ein User, nicht die Sonneneinstrahlung, sondern Sonnencreme würde Hautkrebs verursachen. Zudem würden Antioxidantien sowie das Einreiben mit bestimmten Ölen besser vor Sonnenbrand schützen. Diese Behauptungen sind falsch. Expertinnen und Experten sowie Studien zufolge tragen Sonnenschutzmittel zusammen mit Schutzkleidung und begrenzter Sonneneinstrahlung dazu bei, die Entstehung von Hautkrebs zu verhindern.
In zwei Videos spricht ein User davon, dass Sonnencreme krebserregend sei und nicht die Sonne dafür sorge, dass Menschen Hautkrebs bekommen würden. Außerdem würden oxidativer Stress, schlechte Ernährung und „giftige Produkte“ Krebs verursachen. Hingegen würden Antioxidantien sowie das Einreiben mit bestimmten Ölen Sonnenbrand vorbeugen.
User verbreiten die Videos auf Facebook, Zehntausende sahen sie auf Telegram (hier und hier archiviert). Auch auf Instagram hat eines der Videos über Tausend Likes. Auf Serbisch kursiert eine ähnliche Behauptung ebenfalls. Die Behauptungen aus den Videos sind allerdings falsch.
In den Beiträgen ist ein Mann zu sehen, der vor der Nutzung von Sonnencreme warnt und erklärt, dass diese krebserregend sei. Die Videos sind auf den User Ciho.m.a zurückzuführen, der auf Telegram und Instagram aktiv ist, wo er unter anderem Nachrichten und Videos zur Selbstheilung mithilfe der Natur, aber auch impfkritische Inhalte postet. Auf seinem Instagram-Profil verlinkt er die Seite „Alpha Akademie“, bei der er Kurse zur Angstreduktion und mehr Selbstbewusstsein gibt.
Sonne ist Hauptrisikofaktor für Hautkrebs
Die Behauptung, dass Sonneneinstrahlung keinen Krebs verursache, ist falsch. Zu lange Zeit in der Sonne – und damit unter UV-Strahlung – zu verbringen, ist ein großer Risikofaktor für Hautkrebs, schreiben die US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) auf ihrer Website. „Die meisten Hautkrebsarten werden durch eine zu starke Exposition gegenüber ultraviolettem (UV) Licht verursacht. UV-Strahlen sind eine unsichtbare Strahlung, die von der Sonne, Solarien und Sonnenlampen ausgeht. UV-Strahlen können Hautzellen schädigen“, heißt es auf der Website der Behörde. Die britische Wohltätigkeitsorganisation Cancer Research schreibt auf ihrer Website zudem: „Wenn man nur einmal alle zwei Jahre einen Sonnenbrand bekommt, kann sich das Risiko für Melanom-Hautkrebs im Vergleich dazu, wenn man nie einen Sonnenbrand bekommen hat, verdreifachen.“
Genetische Faktoren und ultraviolette Strahlung sind die größten Risikofaktoren für das Melanom, den schwersten Hautkrebs (hier archiviert), heißt es auf der Website der Deutschen Krebsgesellschaft. „Als wichtigste Ursache gilt eine starke, wiederkehrende UV-Belastung mit Sonnenbränden, wobei vor allem die Sonnenbestrahlung im Kindes- und Jugendalter eine Rolle spielt.“
Hautkrebs-Inzidenz steigt
Es gibt verschiedene Arten von Hautkrebs. Nicht-Melanom-Hautkrebs, sogenannter weißer Hautkrebs, gilt der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge als besser heilbar als schwarzer Hautkrebs, der gefährlichsten und tödlichsten Form von Hautkrebs. Für beide Krebsarten gilt: Sonneneinstrahlung erhöht das Risiko der Erkrankung.
In Deutschland und weltweit (hier archiviert) steigen die Zahlen der Hautkrebsfälle von Jahr zu Jahr an. So wurden laut Statistischem Bundesamt (hier archiviert) 2020 81 Prozent mehr Menschen in Deutschland mit Hautkrebs stationär im Krankenhaus behandelt als noch im Jahr 2000. Auch die Zahl der Todesfälle stieg an, 2020 starben im Vergleich zum Jahr 2000 53 Prozent mehr Menschen an Hautkrebs (etwa 4000 Todesfälle in 2020, 2000 etwa 2600 Todesfälle). Der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge stiegen die Neuerkrankungen (hier archiviert) an schwarzem Hautkrebs zwischen 1970 und 2015 um ein Fünffaches. „Das Risiko an einem malignen Melanom zu erkranken liegt gegenwärtig bei circa 2 Prozent, das heißt, jeder 50. Mensch in Deutschland erkrankt in seinem Leben an einem schwarzen Hautkrebs. “
Zur Ursache des Anstiegs heißt es auf der Website: „Ein deutlicher Anstieg der Fälle wird seit 2008 beobachtet. Das liegt unter anderem daran, dass in diesem Jahr das Hautkrebsscreening in Deutschland eingeführt wurde.“ Insgesamt sei die Zunahme von Hautkrebserkrankungen „eng mit den heute üblichen längeren Aufenthalten der Menschen in der Sonne verknüpft (zum Beispiel durch Urlaubsreisen in südliche Länder)“.
Laut European Cancer Information System (ECIS) stieg die Hautkrebs-Inzidenz (hier archiviert) zwischen 1993 und 2013 in Deutschland an. Insbesondere erkrankten Personen, die 60 Jahre und älter waren.
Kein Beweis für Krebs durch Sonnencreme
Eines der geteilten Videos ist eine Reaktion auf die Nachricht, dass in den Niederlanden in Desinfektionsspendern, die während der Corona-Pandemie aufgestellt wurden, kostenlose Sonnencreme bereitgestellt werden soll. Daraufhin sind auch in Deutschland Forderungen nach kostenfreien Sonnenschutzmitteln laut geworden, beispielsweise in München. An dieser Stelle zieht der User Chio.m.a eine Parallele zu einem anderen öffentlichem Gesundheitsangebot, den Coronaimpfstoffen. Diese bezeichnet er fälschlich als Gentherapie, wie AFP bereits hier genauer widerlegte. In den Zellen einer geimpften Person ist mRNA nur vorübergehend vorhanden, erklärt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) online.
User Ciho.m.a behauptet außerdem, dass die Zahl der Hautkrebsfälle ansteige, seit es Sonnencreme gebe, und Sonnencreme der Auslöser für Hautkrebs sei. Einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Sonnencreme und einer Krebserkrankung dementierte Carola Berking, Direktorin der Hautklinik am Uniklinikum Erlangen und zweite Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) der Deutschen Krebsgesellschaft, gegenüber AFP am 18. Juli 2023: Nach derzeitiger Studienlage seien „keine Stoffe in Sonnencreme, die direkt krebserregend sind“.
Das schließe auch andere Krebsarten neben Hautkrebs mit ein, so Berking. Tests hätten lediglich ergeben, dass in Abbaustoffen von alter Sonnencreme krebserregende Stoffe enthalten seien, die Hautkrebs oder andere Krebsarten verursachen könnten. Zudem sei die Dosis der krebserregenden Stoffe in den Abbaustoffen unklar, erläuterte Berking.
Auch die Dermatologin Elizabeth Buzney, Assistenzprofessorin für Dermatologie an der Harvard Medical School, erklärte im Juni 2023 in einem Interview mit der Skin Cancer Foundation, dass Sonnenschutzmittel im Allgemeinen sicher seien. „Man kann über die angeblichen Risiken von Sonnenschutzmitteln reden, so viel man will, aber die Wahrheit ist, dass sie uns vor den potenziell tödlichen Risiken der Sonne schützen“, sagte sie in dem Interview.
Die Verwendung von Sonnenschutzmitteln wird auch von der International Agency for Research on Cancer empfohlen, einem Gremium der Weltgesundheitsorganisation, das Studien und Empfehlungen zur Krebsprävention herausgibt. Ähnliche Behauptungen, dass Sonnencreme Hautkrebs verursache, hat AFP bereits auf Niederländisch widerlegt. Darüber hinaus wird die Sicherheit und Wirksamkeit von Sonnenschutzmitteln in der Europäischen Union durch die EU-Kosmetikverordnung geregelt, in den USA durch die U.S. Food and Drug Administration.
Schutzkleidung und keine direkte UV-Strahlung sind ratsamer Sonnenschutz
Jelena Stojkovic-Filipovic, Assistenzprofessorin an der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Universitätsklinikum Serbien, erklärte gegenüber AFP am 17. Juli 2023, dass sich der Sonnenschutz nicht nur auf Sonnenschutzmittel beschränken sollte. „In erster Linie ist es ratsam, sich im Schatten aufzuhalten, wann immer es möglich ist, aber auch Schutzkleidung zu tragen. In diesem Fall könnte man die Anwendung von Sonnenschutzmitteln auf die Hautpartien beschränken, die der Sonne ausgesetzt sind und nicht durch Kleidung geschützt werden können.“
Sie verwies auf eine Studie (hier archiviert), der zufolge eine Kombination aus Lichtschutzkleidung und Sonnenschutzmitteln für nicht bedeckte Körperstellen wahrscheinlich der optimale Weg für Sonnenschutz mit minimalem Risiko sei. Laut der Studie haben einige Untersuchungen gezeigt, dass eines der Probleme bei der Verwendung von Sonnenschutzmitteln darin besteht, dass die Anwender sie nicht konsequent auftragen.
Und obwohl einige Tierversuche mögliche schädliche Auswirkungen der Langzeitanwendung von Sonnenschutzmitteln gezeigt hätten, fehle es noch an validen Untersuchungen am Menschen, so Stojkovic-Filipovic. „Nichtsdestotrotz ist das Vermeiden direkter Sonneneinstrahlung an sonnigen Tagen, insbesondere in der Jahreszeit und an geografischen Orten, an denen die Strahlung am intensivsten ist, sowie das Tragen von Kleidung mit einem Lichtschutzfaktor ein sehr wichtiger Schutz gegen UV-Strahlung“, erklärte sie.
Einige Inhaltsstoffe von Sonnencreme schädigen die Umwelt
Darüber hinaus geben einige Sonnenschutzmittel Anlass zur Sorge, weil sie durch einige chemische Inhaltsstoffe wie Octocrylen die Umwelt schädigen (hier archiviert). Die französische Gesundheitsbehörde (Anses) forderte ein Verbot von Octocrylen in Sonnenschutzmitteln.
Chemische Filter, die in einigen Sonnenschutzmitteln verwendet werden, um UV-Strahlen zu blockieren, schaden laut dem US National Ocean Service den Meeresökosystemen und insbesondere den Korallenriffen.
Außerdem steckt das Farbpigment Titandioxid steckt in manchen Sonnencremes und bis vor kurzem auch in Lebensmitteln. 2022 erließ die EU ein Verbot der Verwendung des Farbstoffes in Lebensmitteln (hier archiviert), da es im Verdacht steht, krebserrgend zu sein. Die Europäische Argentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam im Mai 2021 (hier archiviert) zum Schluss, dass es als Lebensmittelzusatzstoff potenziell krebserregend und damit nicht mehr sicher sei. In der Verwendung von Kosmetika gilt es laut einer Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2020 (hier archiviert) in den zulässigen Konzentrationen zur Anwendung auf Haut als sicher.
Oxidativer Stress führt nicht direkt zu Hautkrebs
Den Videos zufolge führe das Eincremen mit Sonnenschutzmitteln zu oxidativem Stress, der löse Hautkrebs aus: „Wenn wir uns mit Sonnencreme einschmieren, produziert unsere Haut in Verbindung mit der Sonne oxidativen Stress“, sagt Ciho.m.a. Oxidativer Stress (hier archiviert) kann im Körper entstehen, wenn sich beispielsweise durch Schadstoffbelastungen, UV-Strahlung, Ozon und andere Umwelteinflüsse oder auch körpereigene Vorgänge wie Immunabwehr freie Radikale bilden. Ist die Belastung größer als die Schutzreaktion des Körpers, die sogenannte antioxidative Kapazität, entsteht oxidativer Stress. „Der führt zu Hautkrebs“, schlussfolgert der User in seinem Video. In dieser Form sei der Zusammenhang verfälscht dargestellt, erklärte Berking von der Hautklinik des Uniklinikums Erlangen.
Die UV-A-Strahlung der Sonneneinstrahlung könne freie Radikale hervorrufen, die wiederum „an Krankheiten beteiligt sein können“, sagte Berking gegenüber AFP. „Wer sich mit Sonnencreme einschmiert, denkt, er kann länger in der Sonne bleiben, weil er nicht so schnell Sonnenbrand bekommt“, führte sie aus. „Dadurch gelangt mehr UV-A-Strahlung auf die Haut, die die Sonnencreme nicht komplett filtern kann. So kann oxidativer Stress entstehen.“ Somit sei letztlich das individuelle Verhalten ausschlaggebend dafür, ob eine Person trotz der Anwendung von Sonnencreme einem höheren Hautkrebsrisiko ausgesetzt ist.
Antioxidantien in Lebensmitteln vermeiden keinen Sonnenbrand
Anstelle von Sonnencreme, so heißt es in den Videos, solle man sich lieber mit Antioxidantien vor Sonnenbrand schützen und so sein Hautkrebsrisiko minimieren. Antioxidantien sind künstlich hergestellte oder natürliche Substanzen, die einige Arten von Zellschäden verhindern oder verzögern können (hier archiviert), heißt es auf der Seite von Medline Plus, einem Service der National Library of Medicine. Antioxidantien sind in vielen Lebensmitteln, einschließlich Obst und Gemüse, enthalten. Sie sind auch als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.
Auch diese Behauptung aus den Videos bestätigte Berking nicht. Sie wisse von keiner Studie, „die belegt, dass Antioxidantien, die über die Nahrung aufgenommen werden, gegen Sonnenbrand beziehungsweise Hautkrebs helfen“, erklärte sie. Durch die Nahrung aufgenommene Antioxidantien würden nicht in die Haut gelangen. Zwar könne „die regelmäßige Aufnahme bestimmter Gemüse wie Karotten, Süßkartoffeln oder Tomaten Carotinoide durch antioxidative Effekte in der Haut einen gewissen Lichtschutz erzeugen“, erklärte Berking. „Dieser photoprotektive Effekt von Carotinoiden ist aber vergleichsweise gering und es konnte in keiner Studie überzeugend gezeigt werden, dass dies dann auch gegen Hautkrebs schützt.“ Gleichzeitig gebe es auch kein Nahrungsmittel, das nachweislich Hautkrebs verursachen würde.
Schließlich wird in den Videos in den sozialen Medien empfohlen, sich mit Karottensamenöl, Himbeeröl, Sesamöl oder Kokosöl anstelle von Sonnenschutzmitteln einzucremen, um sich vor Sonnenbrand zu schützen. „Die genannten Öle haben keinen UV-Filter“, erklärte Berking. Vielmehr sei das Einreiben mit diesen Ölen kontraproduktiv, wenn jemand schwitze, da sie die Poren verstopften und man noch mehr schwitze.
Fazit: UV-Strahlung und somit Sonneneinstrahlung ist ein Hauptrisikofaktor für Hautkrebs, wie verschiedene wissenschaftliche Quellen bestätigen. Zudem ist Sonnencreme kein Krebserreger. Derzeit sind keine Inhaltsstoffe von Sonnenschutzmitteln bekannt, die beim Auftragen Haut- oder eine andere Art von Krebs verursachen.