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Video stellt Auswirkungen einer Atombombe falsch dar

Jüngere Generationen hatten lange keinen größeren Bezug zu Atomwaffen. Jetzt rückt das Thema durch weltpolitische Krisen wieder in die Köpfe der Menschen – auch wegen Berichten über «taktische Atomwaffen» oder Simulationen eines nuklearen Konflikts. Doch die Diskussionen werden teilweise unsachlich geführt, was vor allem damit zu tun hat, dass viele Menschen nur wenig über Nuklearwaffen wissen.

In den sozialen Medien kursiert ein Video, das die Folgen eines Atomwaffenabwurfs über Berlin zeigen soll. Dabei wird eine Deutschlandkarte eingeblendet, auf der farbige Ringe verschiedene Auswirkungszonen der Explosion darstellen. Die wissenschaftliche Grundlage dieser Darstellung bleibt unklar.

Bewertung

Der Abwurf einer Atombombe über Berlin hätte viele Tote und Verletzte zur Folge. So weitreichend, wie es in dem Video dargestellt wird, sind die Auswirkungen jedoch nicht.

Fakten

Zur Simulation nuklearer Explosionen wird häufig das Online-Tool Nukemap genutzt. Es wurde vom Atomwaffen-Historiker Alex Wellerstein zwischen 2012 und 2020 entwickelt. Nutzerinnen und Nutzer können dort unter anderem Sprengkraft, Detonationshöhe und Zielort auswählen.

Zonen der Zerstörung laut Nukemap

Auch die größte jemals entworfene Atombombe – die sowjetische Zarenbombe mit einer Sprengkraft von 100 Megatonnen – ist auswählbar. Selbst bei einer Explosion dieser Waffe über Berlin wären die im Video dargestellten Effekte laut Nukemap überzogen.

Der Radius der Zone schwerer Explosionsschäden liegt laut Nukemap bei einer Bodendetonation bei etwa 10 Kilometern. Hier wären nahezu alle Gebäude zerstört, die Zahl der Todesopfer läge bei annähernd 100 Prozent. In dem aktuell verbreiteten Video hat der rote Bereich der «Totalzerstörung» hingegen einen Radius von mehr als 100 Kilometern.

Auch die Zone geringer Strahlenbelastung ist stark übertrieben: Der Radius beträgt laut Nukemap knapp 55 Kilometer bei Bodendetonation, bei einer Luftdetonation über 90 Kilometer. Der grüne Ring, der im Video den Bereich mit «leichter Strahlung» kennzeichnen soll, hat hingegen einen Radius von mehr als 400 Kilometern und reicht von Berlin bis an die dänische Grenze.

Radioaktiver Fallout ist abhängig von Wind bei der Detonation

Die Explosion einer Kernwaffe erzeugt eine sofortige Strahlung, aber auch eine Strahlung, die kurz- oder längerfristig freigesetzt wird. Die «kurzfristige» Strahlung wird als radioaktiver Niederschlag oder Fallout bezeichnet, die «längerfristige» Strahlung als globaler oder später Fallout, dieser ist weniger gefährlich als der frühe Fallout. Der radioaktive Niederschlag ist schwierig genau zu modellieren, da er unter anderem von der Höhe der Detonation, der Art des Geländes auf dem die Explosion gezündet wird und – ganz wichtig – den Wetterbedingungen abhängig ist.

Da der Wind in Berlin häufig aus westlichen Richtungen weht, würde der Fallout gen Osten wehen. Vereinfacht kann man sich den Fallout elliptisch vorstellen. Dabei könnte er, je nach Windrichtung, noch in Helsinki, Sankt Petersburg oder Moskau messbar sein. Eine Ausbreitung nach Westen, wie im Video dargestellt, ist unwahrscheinlich.

Bei einer Luftdetonation in großer Höhe (über 5,5 km) wäre laut Nukemap kein signifikanter Fallout mehr messbar.

Grafik erinnert an Titelseite der Greenpeace Studie

Die im Video gezeigte Darstellung erinnert optisch entfernt an die Titelseite eines Greenpeace-Reports. Dieser zeigt allerdings lediglich ein stilisiertes Strahlungssymbol auf einer Deutschlandkarte – die konkreten Auswirkungszonen im Video passen nicht zu den Ergebnissen der Greenpeace-Studie.

Auswirkungen verheerend – aber anders als dargestellt

Auch wenn das Video übertreibt, wären die Folgen einer nuklearen Explosion über Berlin katastrophal. Bei einer Luftdetonation der Zarenbombe schätzt Nukemap etwa 2,75 Millionen Tote und über 1,5 Millionen Verletzte. Eine Bodendetonation könnte laut Simulation über 3,1 Millionen Todesopfer und mehr als 700.000 Verletzte verursachen.

(Stand: 11.4.2025)

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Technologie, Katastrophen

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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