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Von Hausarzt gekündigter AfD-Politiker war nicht in Notlage

Der Konflikt zwischen einem AfD-Lokalpolitiker und seinem Hausarzt im Schwarzwald hat für ein überregionales Medienecho gesorgt. Heiko Nüßner aus dem baden-württembergischen Lahr beschwerte sich, dass sich sein Hausarzt Anfang März 2024 aufgrund seiner Parteizugehörigkeit zur AfD von ihm getrennt habe. Auf Facebook macht seitdem eine viel geteilte Grafik die Runde, nach der Nüßner ein Unfallopfer sei. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Sichert wirft die Frage auf, ob es «bald zu Todesopfern kommen» solle. Hat der Mediziner die Gesundheit seines ehemaligen Patienten gefährdet?

Bewertung

Irreführend. Zwar stimmt es, dass der Hausarzt dem AfD-Politiker etwa wegen dessen Parteizugehörigkeit gekündigt hat. Doch der Unfall, seit dem Nüßner im Rollstuhl sitzt, liegt bereits Jahre zurück. Zum Zeitpunkt der Trennung vom Arzt befand sich der Patient in keiner Notlage.

Fakten

In seinem Facebook-Post verweist Sichert auf einen Artikel der «Bild»-Zeitung. Darin wird Nüßner allerdings nicht als Unfallopfer bezeichnet.

Der Politiker wurde im Januar in den Vorstand des AfD-Stadtverbands in Lahr gewählt. Im März kontaktierte er seinen Hausarzt per E-Mail zur Ausstellung eines Rezepts, wie «Bild» und die «Lahrer Zeitung» übereinstimmend berichten. In seiner Antwort hat demnach der Arzt ihn darum gebeten, sich «aufgrund deutlich politisch unterschiedlicher Ansichten» einen anderen Arzt zu suchen.

Der Hausarzt, der namentlich nicht genannt werden möchte, bestätigte beiden Zeitungen, sich von Nüßner aufgrund dessen Parteizugehörigkeit getrennt zu haben, führte aber auch weitere Gründe auf. Der «Bild» sagte er, dass er Nüßner «schon zuvor mit seiner fordernden und drängenden Art als sehr unangenehm» empfunden habe.

Keine Hinweise auf Notlage oder Lebensgefahr

Die Facebook-Posts bezeichnen Nüßner als «Unfallopfer». Die von Sichert geteilte Grafik stellt den Vorwurf in den Raum, dass es womöglich bald zu Todesopfern kommen könnte. Nüßner selbst jedoch führte seinen Unfall, der den Medienberichten zufolge bereits drei Jahre zurückliegt, nicht als Beschwerde gegen die Kündigung an.

Eine Notlage habe nicht vorgelegen, da die Medikamente «nicht lebenswichtig» gewesen seien, sagte der Hausarzt der «Bild». Wer akute Hilfe benötige, dem würde er «unabhängig seiner Weltanschauung» helfen.

Behandlungspflicht für Politiker ist unklar

Ob sich ein Mediziner aufgrund der politischen Einstellung von Patienten trennen darf, hängt vom Einzelfall ab. Die Berufsordnung der Bundesärztekammer stellt es Ärzten «von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen» frei, Behandlungen abzulehnen.

Einem «Ärzteblatt»-Artikel zufolge gibt es eine Behandlungspflicht lediglich für gesetzlich versicherte Patienten, denen nur im Fall eines fehlenden Vertrauensverhältnisses gekündigt werden darf. Privat abrechnenden Ärzten stehe es zwar frei, eine Behandlung abzulehnen. Von diskriminierenden Handlungen nach Artikel 3 des Grundgesetzes, wonach niemand wegen seiner «politischen Anschauungen benachteiligt» werden dürfe, werde auch bei Privatpatienten jedoch abgeraten.

(Stand: 2.4.2024)

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Politik, Gesundheit

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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