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Vorsicht vor irreführenden Aussagen zu diesem Cochrane-Review zu Masken

Die Effizienz von Gesichtsmasken wird seit Beginn der Corona-Pandemie immer wieder in Frage gestellt. Zuletzt kursierte im Februar 2023 eine Cochrane-Auswertung zu verschiedenen Pandemiemaßnahmen online und in den Medien. Dabei sehen einige in der Analyse den Beweis dafür, dass Masken angeblich nutzlos seien. Das geht allerdings nicht aus der Auswertung hervor, wie auch ein Sprecher von Cochrane Deutschland bestätigte. In der Diskussion um die Analyse meldeten sich diverse Medizinerinnen und Mediziner zu Wort, die ebenfalls bestätigten, dass Masken als umfassende Maßnahme zwar überdacht werden sollten. Einen individuellen Schutz könnten die Mund-Nase-Masken aber trotzdem bieten. 

Die Behauptungen zur Auswertung werden von Usern auf Facebook, Twitter und Telegram verbreitet. Auch die Alternative für Deutschland (AfD) griff die Analyse in mehreren Beiträgen auf (hier, hier, hier).

Die Behauptung: Ein Review der sogenannten Cochrane Library zu Maßnahmen in der Pandemiebekämpfung wird online mit der Behauptung geteilt, diese belege, dass Masken nutzlos seien. In den Beiträgen der AfD heißt es dazu beispielsweise: „Es ist offiziell: Masken bei Covid nutzlos!“ oder „Studie: Masken waren nutzlos“.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 9. Februar 2023

Zur Verwendung von Masken kursieren diverse Falschbehauptungen in sozialen Netzwerken. AFP hat in der Vergangenheit bereits Behauptungen widerlegt, wonach Masken gefährliche Giftstoffe enthielten, das Krebsrisiko erhöhten oder zu Sauerstoffmangel bei Kindern führten. Auch die Behauptung, FFP2-Masken würden keinen Schutz vor Viren bieten, widerlegte AFP bereits mehrfach (hier, hier, hier).

Was steht in der Auswertung?

Bei der aktuell diskutierten Meta-Analyse handelt es sich um ein Review wissenschaftlicher Veröffentlichungen mit dem Titel: „Physikalische Interventionen zur Unterbrechung oder Verringerung der Ausbreitung von Atemwegsviren“. Darin wurden 78 Studien zu verschiedenen Maßnahmen gegen die Übertragung von Atemwegsviren untersucht. Neben Masken wurde in dem Review daher auch die Bedeutung von Handhygiene untersucht.

Die Auswertung wurde am 30. Januar 2023 von der unabhängigen Wissenschaftsorganisation Cochrane veröffentlicht und ist die fünfte Aktualisierung eines zuletzt 2020 überarbeiteten Überblicks. Die Mehrheit der darin enthaltenen Studien stammen allerdings aus der Zeit vor der Corona-Pandemie und betreffen die Übertragung von Influenza- oder anderen Erkältungsviren.

Für die Analyse wählten die Autorinnen und Autoren ausschließlich sogenannte RCT-Studien, also Arbeiten mit einem randomisierten und kontrollierten Design. Dabei werden die Versuchspersonen typischerweise in zwei Gruppen aufgeteilt, in diesem Fall eine Gruppe, die die Maßnahmen umsetzt und eine, die das nicht tut.

Zu den Ergebnissen der Metaanalyse schreibt Cochrane Deutschland online, man habe die Häufigkeit von grippeähnlichen Erkrankungen beziehungsweise entsprechenden laborbestätigten Erkrankungen mit Influenza oder Covid-19 untersucht. Dabei habe die Auswertung „keine eindeutige Verringerung der Virusinfektionen der Atemwege durch die Verwendung von medizinischen/chirurgischen Masken“ ausmachen können. In der Studie selbst heißt es, das Tragen medizinischer Masken mache auf Bevölkerungsebene wahrscheinlich wenig bis keinen Unterschied. Ähnliches zeigte die Analyse für die Verwendung von FFP2-Masken.

Die Autorinnen und Autoren erläutern aber selbst, dass aufgrund von möglicher Verzerrung in den Studien, unterschiedlicher Messmethoden und mangelhafter Umsetzung der Maßnahmen Schlussfolgerungen nur schwer zu ziehen seien:

„Die Anzahl der Menschen, die den Anweisungen zum Tragen von Masken oder zur Handhygiene folgten, war relativ gering. Dies könnte die Ergebnisse der Studien beeinflusst haben.“

Die Ergebnisse der Metaanalyse hätten keine eindeutige Verringerung der Virusinfektionen durch die Verwendung von Masken gezeigt. Die Autorinnen und Autoren fordern in ihrer Schlussfolgerung groß angelegte RCT-Studien, um die Wirksamkeit von Maßnahmen besser beurteilen zu können.

Maske kann individuelles Infektionsrisiko senken

Trotz der Schlussfolgerungen, die die Metaanalyse zu Masken als Maßnahme gegen die Ausbreitung von Virusinfektionen zieht, kann aus der Arbeit nicht geschlossen werden, dass Masken generell nutzlos sind.

Cochrane Deutschland erläutert online, in sozialen Netzwerken würden weitreichende Deutungen zum Review kursieren. Es sei allerdings zu bedenken, dass die meisten der untersuchten Studien „Public-Health-Interventionen“, also Maßnahmen wie Lockdowns oder Händewaschen, untersuchten:

„Sie vergleichen also beispielsweise die Bereitstellung von Masken und Informationsmaterial in der Interventionsgruppe mit keiner solchen Bereitstellung in der Kontrollgruppe. Solche Studiendesigns lassen die Möglichkeit offen, dass nicht alle Teilnehmenden in der Interventionsgruppe die angebotenen Masken auch wirklich tragen (mangelnde Adhärenz). Gleichzeitig kann man aus ethischen Gründen Teilnehmenden der Kontrollgruppe auch die Nutzung von Masken nicht verbieten.“

Auch wenn mit einem solchen Studienaufbau kein Beleg für einen Nutzen der Masken erbracht wurde, „widerlegt dies keineswegs, dass eine konsequent und korrekt getragene Gesichtsmaske im Einzelfall einen bedeutsamen Effekt auf das individuelle Infektionsrisiko haben könnte“, erläutert Cochrane auf der eigenen Website.

Weiter heißt es: „Auch die Frage, ob Masken primär den Träger selbst oder seine Mitmenschen schützen, lässt sich aus der vorliegenden Evidenz kaum beantworten.“

Auf AFP-Anfrage bestätigte dies am 8. Februar 2023 ebenfalls ein Sprecher von Cochrane Deutschland: „Der Review beweist nicht, dass Masken nutzlos sind, sondern dass die im Review ausgewertete Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien keinen beziehungsweise keinen erheblichen Nutzen zeigt. Man muss sich also ansehen, was genau die Studien untersucht haben.“ Es sei aber bereits im Review auf zahlreiche Einschränkungen hingewiesen worden, die zu dem Ergebnis geführt haben könnten.

Bei den Studien im Review handele es sich um „Studien aus dem echten Leben“, die weniger den Nutzen der Masken selbst, sondern den Nutzen einer Intervention für erhöhtes Maskentragen untersuchten. „Ob Masken helfen, wenn man sie korrekt und dauerhaft trägt, war also nicht die Frage der meisten Studien, sondern ob solche Interventionen helfen.“

Medizinerinnen und Mediziner äußerten sich zur Analyse

In der Diskussion um die Cochrane-Auswertung meldeten sich auch diverse Medizinerinnen und Mediziner zu Wort. Jonas Schmidt-Chanasit, Arbeitsgruppenleiter Arbovirologie und Entomologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, schrieb am 31. Januar 2023 auf Twitter zu der Analyse, der Cochrane-Review könne erklären, warum eine Maskenpflicht keine relevanten Effekte in der Allgemeinbevölkerung gezeigt habe.

 

Dies bedeute aber nicht, dass Masken für den Einzelnen in bestimmten Situationen eine sehr gute Wirksamkeit haben können, so Schmidt-Chanasit. Eine ähnliche Position vertrat der Virologe Hendrik Streeck am 2. Februar 2023 in einem Interview mit dem Fernsehsender Welt. Darin erläuterte er, der Cochrane-Review habe gezeigt, dass eine Maske auf individueller Ebene zwar vor einer Infektion schützen könne. Einen Beleg dafür, dass eine Maskenpflicht wie beispielsweise im öffentlichen Verkehr einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen habe, gebe es aber nicht.

Der Review bestätige zudem den Bericht des Sachverständigenrates der deutschen Bundesregierung zu Maßnahmen der Pandemiepolitik, so Streeck. Darin hieß es im Juni 2022, das Tragen von Masken könne ein wirksames Instrument in der Pandemiebekämpfung sein, allerdings nur, wenn diese auch korrekt getragen werden. Eine generelle Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken sei aus den bisherigen Daten nicht ableitbar.

Der Virologe Alexander Kekulé äußerte sich am 2. Februar 2023 auf Twitter kritisch zu der Cochrane-Analyse. Nur zwei der ausgewerteten Studien stammten aus der Pandemiezeit, eine von diesen bestätige sogar die Schutzwirkung von Masken. Studien aus der Zeit vor der Pandemie seien wegen einer niedrigen Häufigkeit von Infektionen und unterschiedlichen Designs ungeeignet.

Tatsächlich kam eine der ausgewerteten Studien aus Bangladesch zu dem Schluss, dass „die Förderung des gemeinschaftlichen Tragens von Atemschutzmasken die öffentliche Gesundheit verbessern kann“. In der zweiten Studie aus Dänemark hieß es, eine Empfehlung, außerhalb des eigenen Hauses Maske zu tragen, habe die Inzidenz von Corona-Infektionen im Vergleich zu keiner Maskenempfehlung nicht statistisch signifikant verringert.

Kekulé äußerte sich zudem am 7. Februar 2023 im Fernsehsender MDR zum Cochrane-Review und betonte, die Auswertung habe nicht gezeigt, dass Masken in der Corona-Pandemie nichts gebracht hätten. Eine Studie wie jene von Cochrane sei ungeeignet, um zu beurteilen, ob Masken in der Bevölkerung funktionieren. Es gebe hunderte Beobachtungsstudien, die zeigten, dass Masken wirken.

Jennifer Nuzzo, Professorin für Epidemiologie an der Brown University School of Public Health im US-Bundesstaat Rhode Island, schrieb ebenfalls am 4. Februar 2023 auf Twitter, die in der Cochrane-Analyse berücksichtigten RCT-Studien stellten nicht die Gesamtheit der Erkenntnisse über Masken dar. Obwohl der Vorteil von RCT-Studien sei, dass diese Verzerrungen minimieren könnten, wurden in diesem Fall lediglich zwei RCT-Studien zu Masken während der Pandemie ausgewertet.

Die ausgewerteten Studien zeigten keine guten Ergebnisse für das Tragen von Masken in der Bevölkerung, so Nuzzo. Die Zahl der Studien aus der Pandemie sei klein. Der Review zeige, dass mehr Daten gesammelt werden müssen. Zudem sei die Wirksamkeit auf Bevölkerungsebene nicht das Gleiche wie die individuelle Wirksamkeit:

„Wenn Sie immer streng eine Gesichtsmaske tragen, wenn Sie sich in der Nähe von anderen Menschen aufhalten, ist die Wirksamkeit dieser Maske für Sie als Einzelperson wahrscheinlich anders als das, was auf Bevölkerungsebene gemessen wird.“

Masken können schützen 

Ein von der Bundesregierung beauftragtes 18-köpfiges Team aus Wissenschaft, Medizin und Jura kommt in einem Evaluationsbericht zu den Maßnahmen vom 30. Juni 2022 zu dem Schluss: „Die grundsätzliche Wirksamkeit von medizinischen Gesichts- und partikelfiltrierenden Halbmasken zur Verhütung und Bekämpfung der Sars-CoV-2- Infektion kann als weitgehend gesichert gelten.“ Wie groß der Effekt allerdings wirklich war, konnten die Sachverständigen nicht feststellen, weil es keine „randomisierten, klinischen Studien zur Wirksamkeit von Masken“ gebe.

Immunologe Carsten Watzl erklärte dieses Problem gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland wie folgt: „Um wissenschaftlich zu belegen, was einzelne Maßnahmen konkret bringen, braucht es eigentlich immer eine Kontrollgruppe.“ Diese Kontrollgruppe unter identischen Bedingungen gab es in der akuten Krise in Deutschland aber nicht.

Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) im September 2020 schrieb, sind viele Studien auch zu Einzelmaßnahmen methodisch beschränkt. Maßnahmen wie die Maskenpflicht werden in der Praxis außerhalb von Laboren allerdings auch meist in Kombination mit anderen Maßnahmen angewandt, die einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben können.

Samir Salameh, Professor für mechanische Verfahrenstechnik und Kreislaufwirtschaft an der Fachhochschule Münster, sagte am 29. Juli 2022 gegenüber AFP: „Masken bieten einen sehr guten Schutz vor Krankheiten, die sich über Tröpfchenübertragungen ausbreiten.“ Seiner Einschätzung gebe es darüber in der Wissenschaft keine Meinungsverschiedenheiten.

„Allerdings bieten Masken keinen 100-prozentigen Schutz, sondern schützen immer nur mit einem bestimmten Wahrscheinlichkeitsgrad. Dieser hängt von der Art der Maske, deren Alter sowie der Art, wie man sie trägt, ab. Wenn die Maske nicht dicht sitzt, bietet sie deutlich weniger Schutz!“

Die Gesellschaft für Aerosolforschung erklärte bereits im Dezember 2020 in einem Positionspapier: „Keine Maßnahme kann für sich alleine funktionieren!“ Das Tragen von Masken sei deswegen als Teil mehrerer Maßnahmen zu verstehen, die das Infektionsrisiko senken können.

Das deutsche Bundesgesundheitsministerium verweist mit Stand vom 2. Februar 2023 auf eine Studie des Max-Planck-Instituts, die belegen soll, dass medizinische Masken das Corona-Infektionsrisiko deutlich senken. Darin hieß es: „Wir stellen fest, dass das Infektionsrisiko sehr gering ist, wenn jeder eine Gesichtsmaske trägt, auch wenn sie nicht perfekt auf dem Gesicht sitzt.“

Eine im November 2021 erschienene Metaanalyse verschiedener Universitäten, die auch Beobachtungsstudien beinhaltet, deutete darauf hin, dass das Anwenden mehrerer persönlicher und sozialer Schutzmaßnahmen, einschließlich Händewaschen, dem Tragen von Masken und körperliche Distanz, mit einem Rückgang der Fallzahlen von Covid-19 verbunden sei.

Fazit: Nein, der Cochrane-Review ist kein Beleg dafür, dass Masken nutzlos wären. Das schreiben sowohl Cochrane selbst als auch diverse andere Medizinerinnen und Mediziner. In der Vergangenheit wurde die individuelle Schutzwirkung von Masken mehrfach bestätigt. Dabei kommt es aber vor allem auf die korrekte Trageweise an. In der Diskussion um die Cochrane-Analyse hinterfragten einige Medizinerinnen und Mediziner aber die Wirksamkeit einer Maskenpflicht in der Bevölkerung.

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Corona, Gesundheit

Autor(en): Saladin SALEM, AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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