Das Weltwirtschaftsforum (WEF) ist immer wieder Mittelpunkt verschiedener Verschwörungstheorien, die die Organisation als Sprachrohr einer globalen Elite verstehen, die die Welt zu kontrollieren versucht. Im Januar 2024 tauchte in Beiträgen auf Facebook und auf X ein Video auf, in dem der Chef des chinesischen E-Commerce-Giganten Alibaba zu sehen war. In den Beiträgen dazu wurde fälschlicherweise behauptet, dass er das WEF vertrete und die Einführung einer globalen digitalen Währung ankündige, um Konsumentinnen und Konsumenten zu „verfolgen“. Tatsächlich zeigt der Clip den Alibaba-Präsidenten Michael Evans, der 2022 über eine Technologie sprach, mit deren Hilfe man CO2-Emissionen überwachen kann. Ein Sprecher des WEF erklärte, dass die Organisation keine globale digitale Währung entwickelt habe.
„Das WEF hat gerade eine globale CBDC bestätigt“, heißt es in einem englischsprachigen Facebook-Post vom 17. Januar 2024. Digitales Zentralbankgeld („Central Bank Digital Currency“, CBDC) ist die digitale Form der offiziellen Währung eines Landes.
„Sie geben zu, dass sie verfolgen werden, was du isst, deine Reisen, mit wem du sprichst und alles andere, was du im Leben tust. Aber natürlich tun sie das, um uns vor dem ‚Klimanotstand‘ zu retten“, so der Beitrag auf Facebook. Einige Nutzerinnen und Nutzer der Social-Media-Plattform schienen zu glauben, das Video zeige tatsächlich das WEF, das die Einführung einer globalen digitalen Währung bestätigt. „Niemand hat dafür gestimmt!“, lautete ein Kommentar. „Dem wird sich niemand anschließen. Sie werden es erzwingen müssen und das wird nicht ohne Gewalt gehen“, schrieb ein anderer Nutzer.
Die falsche Behauptung stammte offenbar aus einem Beitrag auf X der US-amerikanischen Bloggerin Layah Heilpern, die auf dieser Plattform mehr als 600.000 Followerinnen und Follower hat. Die meisten Kryptowährungen sind dezentralisiert und bieten Anonymität bei Transaktionen, während digitales Zentralbankgeld zentral organisiert und reguliert ist und die Parteien der Transaktionen bekannt sind.
Nach Angaben des US-amerikanischen Think-Tanks Atlantic Council haben bereits elf Länder digitales Zentralbankgeld eingeführt. China erprobt derzeit seine eigene digitale Währung in einem Pilotprogramm und die Europäische Zentralbank bereitet einen potenziellen digitalen Euro vor.
Die Einführung von digitalem Zentralbankgeld hat zu viel Desinformation geführt – wie etwa der Behauptung, dass der Plan dahinter wäre, Konsumentinnen und Konsumenten den Zugang zu Bargeld zu verwehren.
In dem Video ist jedoch der Präsident des chinesischen E-Commerce-Unternehmens Alibaba zu sehen – also kein Vertreter des WEF. Dieser kündigt die Entwicklung einer Technologie zum Tracken des CO2-Fußabdrucks an – und nichts, was etwas mit digitalem Zentralbankgeld zu tun hätte.
Tracker für CO2-Emissionen
Eine Suche nach Schlüsselwörtern aus der Rede führte zu verschiedenen Berichten vom Mai 2022 über die Rede von Michael Evans, Präsident der Alibaba Group, auf dem Jahrestreffen des WEF in Davos in der Schweiz.Evans ist im offiziellen Programm tatsächlich als Redner über verantwortungsvollen Konsum am 24. Mai 2022 aufgeführt.Ein Video auf dem YouTube-Kanal des WEF zeigt Evans bei der Veranstaltung – der in den sozialen Medien geteilte Ausschnitt ist ab Minute 29:39 zu sehen.
Die Moderatorin des Podiums, Jane Nelson, Direktorin der „Corporate Responsibility Initiative“ an der Harvard Kennedy School, fragte Evans nach Strategien zur Kontrolle von CO2-Emissionen.“Wir entwickeln mit Hilfe einer Technologie eine Möglichkeit für Verbraucherinnen und Verbraucher, ihren eigenen CO2-Fußabdruck zu messen. Was bedeutet das? Wohin sie reisen, wie sie reisen, was sie essen, was sie auf der Plattform konsumieren… Also, ein individueller Tracker für CO2-Emissionen“, so Evans.“Bleiben Sie dran, es ist derzeit noch nicht einsatzbereit, aber wir arbeiten daran.“
Im August 2022 führte Alibaba schließlich seinen CO2-Fußabdruck-Tracker ein. Laut der Website des Unternehmens können Konsumentinnen und Konsumenten auf den E-Commerce-Plattformen von Alibaba Rabattpunkte sammeln, wenn sie „kohlenstoffarme Entscheidungen“ treffen – wie beispielsweise energieeffiziente Geräte zu kaufen.
Außerdem entkräftete ein Vertreter des Weltwirtschaftsforums die Behauptung, es würde digitales Zentralbankgeld einführen. „Diese Behauptung ist frei erfunden, um absolut unbegründete Verschwörungstheorien zu schüren und die wichtige Arbeit des Weltwirtschaftsforums zu ernsten globalen Herausforderungen zu diskreditieren“, sagte der Sprecher am 19. Februar 2024 gegenüber AFP.
Das WEF ist regelmäßig Zielscheibe abstruser Desinformation, darunter die Falschbehauptungen, es fördere Pädophilie, fordere die Tötung von Katzen und Hunden und sage, dass bis 2030 alle Babys „im Labor gezüchtet“ werden sollten.
Fazit: Weder das Weltwirtschaftsforum noch der Präsident der Alibaba Group haben eine globale digitale Währung eingeführt.