Dermatologen betonen, wie wichtig das Einschmieren mit Sonnencreme gegen Sonnenbrand, frühzeitliche Hautalterung und Hautkrebs ist. Im Juni und Juli 2024 wurde in Beiträgen in sozialen Medien hingegen die Falschbehauptung verbreitet, Sonnencreme sei gefährlich. Dazu wurde ein Video geteilt, in dem ein Arzt suggerierte, die Creme sei gesundheitsgefährdend, da sie in den Blutkreislauf eindringe. Expertinnen und Experten erklärten jedoch gegenüber AFP, dass einige Inhaltsstoffe zwar bedenklich seien und näher erforscht werden müssten, Sonnencreme sei jedoch ungefährlich. Fachleute wiesen zudem auf mineralische Sonnencremes hin, die keine schädlichen Chemikalien beinhalten.
„Prof. Dr. Spitz – Finger weg von Sonnenmilch!“, heißt es in Beiträgen von Ende Juni 2024 auf Telegram, X und Facebook. Dazu teilen Nutzerinnen und Nutzer ein etwa einminütiges Video des deutschen Arztes Jörg Spitz, einem selbsternannten Präventionsexperten und Autor von Büchern über Präventiv- und Ernährungsmedizin, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren, der auch intensiv für sein Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln wirbt.
In dem Video sagt Spitz, anstelle auf Sonnencreme zu vertrauen, die in den Blutkreislauf gelangen kann, sollten Menschen sich mit Kleidung gegen die Sonne schützen. Er behauptet, alles, was auf die Haut aufgetragen würde, absorbiere sie auch. Zudem weist er auf Chemikalien in Sonnenschutzmitteln hin, die ein potenzielles Risiko bei hoher Sonneneinstrahlung darstellen würden, da unbekannte Stoffe entstehen würden, „deren Eigenschaften wir nicht kennen“.
Die Behauptung kursiert ebenfalls auf Rumänisch.
Die Behauptung ist jedoch irreführend.
Video stammt von längerem Vortrag
AFP fand heraus, dass das Video ein Ausschnitt einer Präsentation von Spitz über Vitamin D ist, die am 27. Februar 2018 auf Youtube veröffentlicht und von Spitz bei einer Veranstaltung einer Firma für Nahrungsergänzungsmittel mit Sitz in Österreich gehalten wurde. Der Ausschnitt enthält die 20. Folie seiner Präsentation.
Vor dem irreführend verwendeten Ausschnitt spricht Spitz in seinem Vortrag über die Produktion von Vitamin D und empfiehlt Kleidung anstelle von Sonnencreme, wenn sich jemand längere Zeit in der Sonne aufhält.
Die deutsche Website Medwatch.de, die sich auf Nachrichten rund um Gesundheit und Medizin fokussiert, schrieb einen ausgiebigen Artikel über Spitz (hier archiviert). Demnach ist er ein Spezialist für Nuklearmedizin, Autor und selbsternannter Präventionsexperte. Vitamin D ist ein wiederkehrendes Thema seiner Arbeit, zu dem er bereits fünf Bücher verfasst hat. Zudem betreut er ein Netz an Websites, darunter die Akademie für menschliche Medizin (AMM), die Vitamin D und andere Nahrungsergänzungsmittel neben ganzheitlicher Gesundheit bewirbt.
Trotz ihrer informativen Fassade ist die Website AMM auch ein Onlineshop für Vitamin D und weitere, oftmals teure Nahrungsergänzungsmittel. Medwatch.de zufolge wurde der Shop wegen angeblich irreführender gesundheitsbezogener Angaben auf seinen Produkten von Seiten des Verbraucherschutzes kritisiert.
Aus seinem Lebenslauf geht hervor, dass Spitz nach seinem Studium als Chefarzt für Nuklearmedizin am Städtischen Krankenhaus in Wiesbaden und als Professor für Nuklearmedizin an der Universität Mainz tätig gewesen ist.
Spitz hat bereits zuvor ähnliche Ansichten über Sonnencremes geäußert und für „natürliche“ und nicht-chemische Sonnenschutzmittel plädiert.
Sonnencreme ist nicht „gefährlich“
Sonnencreme ist ein Produkt, das die Haut vor schädlicher ultravioletter Strahlung (UV-Strahlung) der Sonne schützen soll. Dabei absorbiert, reflektiert oder streut sie die Strahlen und verhindert so, dass sie in die Haut eindringen. „Die Nebenwirkungen ungeschützter Sonneneinstrahlung sind bekannt: Sonnenbrand, Faltenbildung, Hautkrebsentwicklung“, erklärte Henry Lim, Dermatologe und ehemaliger Präsident der Amerikanischen Akademie für Dermatologie und der Amerikanischen Dermatologenvereinigung, gegenüber AFP am 8. Juli 2024.
Aktivitäten im Freien „sollten mit einem vernünftigen Sonnenschutz verbunden werden“, betonte Lim. Er empfehle, Sonnencreme mit einem Lichtschutzfaktor (SPF) von 30 oder höher auf alle Körperstellen aufzutragen, die der Sonne ausgesetzt sind.
Sonnencreme zu verwenden wird von Dermatologinnen und Dermatologen sowie Behörden und Gesundheitsorganisationen weltweit empfohlen, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention, die U.S. Food and Drug Administration (FDA), das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, der Britische National Health Service, die kanadische Dermatology Association oder auch der australische Cancer Council.
Die Amerikanische Akademie für Dermatologie (AAD) empfiehlt ebenfalls „allen“, ungeachtet des Alters, des Geschlechts oder der Hautfarbe, Sonnencreme mit mindestens SPF 30 zu nutzen, die 97 Prozent der UVB-Strahlen der Sonne abschirmt. Um draußen geschützt zu bleiben, sollte Sonnencreme alle zwei Stunden und direkt nach dem Schwimmen oder Schwitzen neu aufgetragen werden, erklärt die AAD.
Dabei gibt es zwei Arten von Sonnencreme: chemische und mineralische. Chemische Sonnencreme enthält organische Verbindungen, die UV-Strahlung absorbieren, in Hitze umwandeln und von der Haut abgeben.
Mineralische Sonnencremes, auch bekannt als physische Sonnencremes, nutzen natürliche Mineralien wie Zinkoxid oder Titaniumdioxid, die sich auf die Haut legen und wie eine physische Barriere funktionieren, die die UV-Strahlung reflektiert und von der Haut weg streut.
In den vergangenen Jahren wurden mehrere chemische Inhaltsstoffe von Sonnencremes wegen wachsender Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit verstärkt überprüft. Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien sind noch weiter gegangen und haben behauptet, Sonnencreme verursache Krebs oder sei gesundheitsgefährdend, was AFP in der Vergangenheit bereits widerlegt hat.
„Während es einige Bedenken hinsichtlich der Sicherheit bestimmter Inhaltsstoffe von Sonnencreme gibt, überwiegen die Vorteile von Sonnencreme zur Verhinderung von UV-induzierten Hautschäden und Hautkrebs bei weitem die potenziellen Risiken“, erklärten Anne Chapas und Pooja Rambhia, zertifizierte Dermatologinnen und Mitglieder der AAD gegenüber AFP in einer E-Mail vom 10. Juli 2024. Der wissenschaftliche Konsens unterstütze die Verwendung von Sonnencreme als eine effektive Maßnahme, um Hautkrebs vorzubeugen.
Sonnencreme trotz Aufnahme in Blutkreislauf empfohlen
Im Mai 2019 gab die US-Arzneimittelbehörde FDA die Ergebnisse einer vorläufigen Studie bekannt, die darauf hindeuten, dass bestimmte, häufig in Sonnencremes verwendete Chemikalien, in höherem Maße als bisher angenommen in den Blutkreislauf aufgenommen werden könnten. Die FDA stellte zwar klar, dass die Aufnahme allein nicht darauf hindeute, dass diese Inhaltsstoffe unsicher seien, forderte aber weitere Untersuchungen, um mögliche Langzeitfolgen zu bewerten.
Die Dermatologinnen Chapas und Rambhia erklärten, es sei eine kontrollierte Studie gewesen, bei der eine standardisierte Menge Sonnenschutzmittel (2 mg/cm2 auf 75 Prozent der Körperoberfläche) in festgelegten Intervallen aufgetragen und die täglichen Plasmakonzentrationen der Inhaltsstoffe im Blut in Innenräumen gemessen wurden. Sie wiesen darauf hin, dass die Tests der Studie zwar konsistent seien, dabei aber keine realen Außenbedingungen wie Hitze und Feuchtigkeit berücksichtigt wurden. „Es ist wichtig, zu beachten, dass die meisten Menschen keine so großen Mengen Sonnenschutzmittel auf so große Körperoberflächen auftragen“, erklärten sie. „Studien haben gezeigt, dass Menschen in der Regel viel weniger als den internationalen Standard verwenden.“
Früher im selben Jahr schlug die FDA neue Vorschriften vor, um sicherzustellen, dass Sonnenschutzmittel sicher und wirksam sind. Diese beinhalteten, dass die Verwendung von Aminobenzoesäure (PABA) und Trolaminsalicylat untersagt wurde.
„Sie haben sowohl eine systemische Aufnahme dieser Stoffe festgestellt als auch negative Effekte dieser Aufnahme. Daher war ihre Verwendung als potenzielle Inhaltsstoffe nicht gerechtfertigt“, erklärte Anthony Rossi, Dermatologe und Assistenzarzt am Memorial Sloan Kettering Cancer Center und am New York Presbyterian Hospital sowie Assistenzprofessor am Weill Cornell Medical College in New York City gegenüber AFP am 9. Juli 2024.
Im Januar 2020 veröffentlichte die FDA eine Folgestudie, die umfassendere Daten und Einblicke liefern sollte, wie sich diese Chemikalien über die Zeit hinweg im Körper verhalten. Die FDA stellte fest, dass alle sechs untersuchten Inhaltsstoffe bereits nach einmaliger Anwendung in den Blutkreislauf aufgenommen wurden. Einmal aufgenommen, konnten sie laut Studie zudem über einen längeren Zeitraum im Körper verbleiben.
Die US-Behörde stellte jedoch klar, dass die Studienergebnisse nicht bedeuteten, dass einer der getesteten Inhaltsstoffe für die Verwendung von Sonnenschutzmitteln unsicher sei, und dass sie auch keine weiteren Informationen anfordere. Die FDA forderte zusätzliche Sicherheitsdaten zu zwölf Wirkstoffen an, um deren Aufnahme und langfristige Auswirkungen zu verstehen, da die derzeitigen Daten nicht ausgereicht hätten, um sichere Absorptionsniveaus zu bestimmen, hieß es. In der Zwischenzeit riet die Behörde „nachdrücklich“, weiterhin Sonnencreme in Verbindung mit anderen Sonnenschutzmaßnahmen zu nutzen.
„Die Verwendung von Sonnenschutzmitteln sollte gefördert werden, weil wir wissen, dass ungeschützte UV-Belastung Hautkrebs hervorrufen kann, inklsive Melanomen“, erklärte Rossi. „Wer sich Sorgen über endokrine Störungen macht, kann physikalische (mineralische) Sonnenschutzmttel verwenden – Titandioxid und Zinkoxid.“
„Während die aktuellen Daten die systemische Aufnahme von chemischen Sonnenschutzfiltern belegen, gibt es bis heute keine Daten, die die Gefährdung der menschlichen Gesundheit zeigen“, erklärten Chapas und Rambhia und fügten hinzu, dass weitere Sicherheitsdaten nötig seien, um die klinische Bedeutung der Aufnahme zu bestimmen.
Es „sollte beachtet werden, dass Sonnenschutzmittel seit den späten 1970er Jahren genutzt werden“, erklärte Lim. „Es sind keine inneren Nebenwirkungen schlüssig nachgewiesen worden.“
Chapas und Rambhia fügten hinzu: „Auch wenn es Bedenken hinsichtlich der Sicherheit bestimmter Inhaltsstoffe gibt, überwiegen die Vorteile der Verwendung von Sonnenschutzmitteln zur Vorbeugung von UV-bedingten Hautschäden und Hautkrebs diese potenziellen Risiken bei weitem.“ Wer sich für physikalische Sonnenschutzmittel wie Zinkoxid oder Titandioxid entscheide, umgehe die Bedenken hinsichtlich der mangelnden Sicherheitsdaten zu chemischen Sonnencremes und gewährleiste den Schutz der Haut, so die Dermatologinnen. Der oder die Einzelne „sollte weiterhin täglich Sonnenschutzmittel verwenden, um das Risiko von UV-bedingten Malignitäten zu verringern.“
„Es liegen aussagekräftige wissenschaftliche Daten vor, die belegen, dass die regelmäßige Verwendung von Sonnenschutzmitteln das Risiko sowohl von Melanomen als auch von Nicht-Melanomen der Haut verringert“, erklärten sie weiter. Sie stellten abschließend fest, dass es „bis heute keine schlüssigen Beweise dafür gibt, dass chemische Sonnenschutzmittel das Krebsrisiko für den Menschen erhöhen“.
Kleidung ist besser, reicht aber nicht aus
Spitz empfiehlt im online geteilten Videoausschnitt, sich mit Textilien anstelle von Sonnencreme zu schützen.
Nur wenige Studien haben sich mit Sonnenschutzkleidung als UV-Blocker auseinandergesetzt, wie in einem Fachartikel erläutert wird. Auf der Grundlage der verfügbaren Daten ist man sich jedoch im Allgemeinen einig, dass diese Art Kleidung die Menge an UV-Strahlung, die die Haut erreicht, wirksam reduziert. Sie wird anhand von Skalen wie UPF (Ultraviolet Protection Factor) oder GPF (Garment Protection Factor) bewertet. Ein UPF-Wert von 15, 30 oder 50+ bedeutet beispielsweise, dass die Kleidung 93,3 Prozent, 96,7 Prozent oder 98 Prozent der UV-Strahlen abhält.
„UPF-Kleidung schützt konsistent, ohne dass sie neu aufgetragen werden muss, anders als Sonnenschutzmittel, bei dem das alle 90 bis 120 Minuten oder nach dem Schwimmen oder Schwitzen der Fall ist“, erklärten Chapas und Rambhia. „Darüber hinaus umgeht UPF-Kleidung die Bedenken, dass bestimmte chemische Inhaltsstoffe von Sonnenschutzmitteln systemisch aufgenommen werden.“
„Textilien sind hilfreich, wenn sie eine dunklere Farbe und ein dichtes Webmuster haben“, erklärte Rossi. Ein typisches weißes T-Shirt biete jedoch keinen hohen Schutz, weshalb sich niemand ausschließlich darauf verlassen sollte. Sonnenschutzkleidung sei gut für den Schutz der Haut, sagte er, „aber nur dort, wo sie sie tatsächlich bedeckt“.
Chapas und Rambhia stimmten zu, dass Kleidung „nur begrenzt in der Lage ist, jeden Zentimeter freiliegender Haut zu bedecken“, wie zum Beispiel das Gesicht, Ohren, Hände oder Füße, „und nur in den Bereichen wirksam ist, die bedeckt sind“. Deshalb sollten UPF-Textilien „in Verbindung mit Sonnenschutzmitteln für alle exponierten Hautstellen verwendet werden, um den Schutz vor UV-Strahlung zu maximieren.“
Hautkrebs, insbesondere solare Keratosen, „treten am häufigsten an Körperstellen auf, die der Sonne ausgesetzt sind (daher der Name): Gesicht, Kopf, Hals, Ohrläppchen oder Handrücken“, schreibt die serbische Dermatologin Ivana Dunić auf dem Portal „We choose life“, das Krebspatientinnen und -patienten unterstützen soll.
Eine Studie aus dem Jahr 2022, in der verglichen wurde, wie gut vier neue Stoffarten und zwei gängige Sonnenschutzmittel vor UV-Strahlen schützen, unterstrich, dass „Kleidung als Eckpfeiler des UV-Schutzes betrachtet werden sollte“. Sonnenschutzmittel seien jedoch nach wie vor eine wichtige Maßnahme für den UV-Schutz, „insbesondere an Körperstellen wie dem Gesicht und den Händen, wo Kleidung unpraktisch sein kann“. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass in Zukunft „die wirksamsten und am weitesten verbreiteten Strategien wahrscheinlich sowohl Lichtschutzkleidung als auch Sonnencremes umfassen werden“.
2022 wurden weltweit mehr als 1,5 Millionen neue Fälle von Hautkrebs diagnostiziert, mit fast 330.000 Fällen von Melanomen – der gefährlichsten Art von Hautkrebs – und fast 60.000 Todesfällen, erklärt die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) online.
Im Jahr 2020 erkrankten etwa 23.650 Menschen in Deutschland am malignen Melanom, wie das Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert-Koch-Instituts ausweist. 2940 Menschen sind demnach im selben Jahr am malignen Melanom gestorben.
Fazit: Zwar wurde in Studien nachgewiesen, dass einige Inhaltsstoffe von Sonnencremes in den Blutkreislauf aufgenommen werden – das belegt jedoch nicht die Behauptung, dass Sonnenschutzmittel gesundheitsgefährdend seien. Für ein Krebsrisiko von Sonnencremes gibt es bislang keine schlüssigen Beweise. Kleidung ist zudem ein sinnvoller Sonnenschutz, allerdings empfehlen Expertinnen und Experten die Kombination mit Sonnenschutzmitteln.