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Fachleute halten Klimawandel für wahrscheinlichen Faktor bei Überschwemmungen in Mitteleuropa

Als das Sturmtief „Boris“ verheerende Überschwemmungen nach Mittel- und Osteuropa brachte, leugneten Skeptikerinnen und Skeptiker in sozialen Medien die Rolle des Klimawandels bei der Verstärkung der tödlichen Regenfälle. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben jedoch einen Zusammenhang zwischen einer wärmeren Atmosphäre und sintflutartigen Regenfällen festgestellt. Mehrere Fachleute erklärten gegenüber AFP, die Ereignisse seien symptomatisch für die vom Menschen verursachte Erderwärmung.

„Nur weil die Erde 1,3°C wärmer ist als in der Kleinen Eiszeit im Jahr 1850 und die Atmosphäre mehr Wasserdampf enthält, bedeutet das NICHT, dass ein bestimmtes Wetterereignis durch den Klimawandel verursacht wurde“, schrieb Ryan Maue in einem Beitrag vom 18. September 2024 auf X. Der US-amerikanische Meteorologe hat in der Vergangenheit wiederholt Skepsis gegenüber Klimawissenschaften zum Ausdruck gebracht.

X-Screenshot der Behauptung: 20. September 2024

Ähnliche Behauptungen, in denen die Rolle der globalen Erwärmung bei den aktuellen Unwettern in Europa abgelehnt wird, kursierten auch anderswo auf X und Facebook, als das Sturmtief „Boris“ heftige Regenfälle mit sich brachte. Das Sturmtief „Anett“, das international „Boris“ genannt wird, sorgte in Polen, Tschechien, Österreich und Rumänien für außergewöhnlich starke Regenfälle und Überschwemmungen. Mindestens 24 Menschen kamen dabei ums Leben, einige Gebiete sind noch immer von steigendem Wasser bedroht.

Mehrere Nachrichtenorganisationen, darunter AFP, berichteten, die Ereignisse seien ein Beleg dafür, wie extreme Wetterereignisse durch die vom Menschen verursachte Erwärmung verstärkt werden – was wiederum die Kritik von Skeptikerinnen und Skeptikern anheizte.

Aber „das Ereignis passt perfekt in das globale Bild intensiverer Regenfälle in einem sich erwärmenden Klima“, sagte Erich Fischer, Dozent für Umweltsystemwissenschaften an der ETH Zürich. Gegenüber AFP erklärte er am 19. September 2024: „Dies wurde bereits in den 1990er-Jahren in Abhandlungen und Berichten vorhergesagt. Jetzt sehen wir diese Veränderung auch deutlich in den Beobachtungen – einschließlich der Beobachtungen für Österreich, Deutschland und die Schweiz.“

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben festgestellt, dass extreme Niederschläge an den meisten Stationen in Mitteleuropa im letzten Jahrhundert zugenommen haben. Ähnliche Wettersysteme sind zwar nicht neu, aber sie treten jetzt in einer wärmeren Atmosphäre auf, was die Niederschläge intensiver macht, als wenn dasselbe Ereignis in der Vergangenheit stattgefunden hätte.

Karte mit Regenmenge der letzten drei Tage (bis zum 14. September 2024) in Ost- und Mitteleuropa – Lise KIENNEMANN / Valentina BRESCHI / AFP

„Frühe Vorhersagen werden nun durch Beobachtungen und Modelle bestätigt. Es kann also niemand behaupten, dass dies unerwartet kam“, so Fischer abschließend.

Ein Konsortium unabhängiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für den Weltklimarat (IPCC) hat Einschätzungen zur Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen in einem sich verändernden Klima erstellt. Sie enthalten ebenfalls „handfeste Beweise“ für die Zunahme von Ausmaß und Intensität extremer Niederschläge in Europa seit den 1950er-Jahren.

Iris de Vries, ebenfalls von der ETH Zürich, erklärte am 18. September 2024: „Es gibt klare, eindeutige Beweise dafür, dass der Klimawandel das Spektrum möglicher Niederschlagsereignisse verändern wird und bereits verändert hat“, da wärmere Luft mehr Wasser speichere.

„ClimaMeter“ ist eine Initiative zur schnellen Erfassung extremer Wetterereignisse, die vom französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung und dem Institut Pierre Simon Laplace koordiniert wird. In einer ihrer Analysen hieß es: „Wir interpretieren den Sturm Boris als ein außergewöhnliches Ereignis in Bezug auf die Niederschlagsmenge und ein sehr ungewöhnliches Ereignis in Bezug auf das Druckmuster, dessen Merkmale größtenteils auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückgeführt werden können.“ Natürliche Klimaschwankungen spielten bei den jüngsten Überschwemmungen „wahrscheinlich eine bescheidene Rolle“, hieß es darin am 17. September 2024.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass Starkregen in Mittel- und Osteuropa im Zeitraum 2071 bis 2100 im Vergleich zu 1971 bis 2000 um mehr als 35 Prozent zunehmen wird, was zu häufigeren und gefährlicheren Sturzfluten führen wird.

„Die katastrophalen Regenfälle in Mitteleuropa sind genau das, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Zusammenhang mit dem Klimawandel erwarten“, stimmte Joyce Kimutai, Forscherin am Grantham Institute – Climate Change and the Environment am Imperial College London, zu. „Überschwemmungen wie diese können Dutzende von Menschen töten und Schäden in Milliardenhöhe verursachen, und sie werden immer schlimmer werden, bis wir fossile Brennstoffe durch sauberere, erneuerbare Energiequellen ersetzen“, erklärte sie am 19. September 2024.

AFP hat bereits mehrfach Behauptungen über extreme Überschwemmungen und deren Zusammenhang mit dem Klima überprüft. Auf der AFP-Website sind alle Faktenchecks zum Thema Klima gesammelt.

Fazit: Als das Sturmtief „Boris“ verheerende Überschwemmungen über Mittel- und Osteuropa verursachte, wurde online fälschlich die Rolle des Klimawandels bei den intensiven Regenfällen zurückgewiesen. Forschende sehen jedoch einen klaren Zusammenhang zwischen einer wärmeren Atmosphäre und extremen Niederschlägen. Fachleute erklärten, die Ereignisse seien typische Folgen der menschengemachten Erderwärmung.

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Klimawandel, Umwelt

Autor(en): Manon JACOB / Katharina ZWINS / AFP USA

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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