Über die Höhe der Unterstützung für Geflüchtete werden immer wieder hitzige Debatten geführt. Online verbreitet sich dazu die falsche Behauptung, dass ein Mitarbeiter eines Supermarktes in Österreich weniger Geld zur Verfügung habe als ein Asylbewerber. Das ist falsch. Im schlechtesten Fall geht ein Supermarktmitarbeiter mit 1817 Euro brutto nach Hause. Einem Asylwerber in Österreich stehen monatlich 40 Euro zu, wenn er sich in einer organisierten Unterkunft befindet. Kümmert er sich selbst um Unterkunft und Essen sind es 425 Euro.
Auf Facebook haben seit Ende Juli 2023 mehr als 700 Personen die Behauptung geteilt: „Solange Österreicher, die 40 Stunden im Supermarkt arbeiten, weniger Geld zur Verfügung haben als Asylbewerber, dann läuft einiges falsch.“ In den Kommentaren stimmen Nutzerinnen und Nutzer zu, schreiben etwa „Darum Nein zu dieser Migrationspolitik!“
Lohn eines Supermarktangestellten
Die Gehälter der meisten Arbeitnehmenden in Österreich sind durch sogenannte Kollektivverträge festgelegt, die die jeweilige Gewerkschaft mit der Arbeitgeberseite aushandelt. In diesen Vereinbarungen sind nicht nur Löhne festgelegt, sondern auch zahlreiche andere Regeln für eine Branche, wie etwa Urlaubsgeld. Auch für den Handel gibt es solche Kollektivverträge.
Historisch gewachsen gibt es in Österreich eine Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten. Sehr vereinfacht gesagt leisten Arbeitende manuelle Arbeit, Angestellte beschäftigen sich mit kaufmännischen Tätigkeiten. Sowohl Arbeiter als auch Angestellte haben einen eigenen Kollektivvertrag, in dem ihre jeweiligen Arbeitsbedingungen festgelegt sind. Den Kollektivvertrag der Angestellten im Handel verhandelt die Gewerkschaft GPA, den Kollektivvertrag der Arbeitenden die Gewerkschaft Vida.
Die meisten Beschäftigten im Handel seien rund 430.000 Angestellte plus rund 15.000 Lehrlinge, außerdem gebe es rund 130.000 Arbeiterinnen und Arbeiter, erklärte Litsa Kalaitzis vom Österreichischen Gewerkschaftsbund auf AFP-Anfrage am 2. August 2023. Die aktuell geteilte Behauptung bezeichnete sie als „Mythos“.
Beide Gruppen verdienen mehr, als ein Asylwerber in Österreich zur Verfügung hat, wie ein Blick in die Kollektivverträge zeigt.
Der Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetriebe (hier archiviert) gibt ein Gehalt von 1817 Euro für die unterste Gehaltsstufe A an. Martin Panholzer von der GPA ordnete am 3. August 2023 allerdings ein, dass diese Gehaltsstufe für Ferienjobs vergeben werde, der große Teil der Berufseinsteigerinnen würde in der Gehaltsstufe B beginnen. „Also kann man sagen: geringstes mögliches Gehalt für Vollzeit im Supermarkt sind 1874 Euro brutto bei einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden.“ Die Postings sprechen von einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, für die Mehrarbeit müssten Beschäftigte im Supermarkt sogar noch ein wenig mehr bekommen.
Die Lohntafel (hier archiviert) des Kollektivvertrags für Handelsarbeiter geht ebenfalls von einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden in der Woche aus. Das niedrigste Gehalt liegt hier bei 1850 Euro für Beschäftigte, die Hilfstätigkeiten wie Botendienste oder Reinigungsarbeiten ausüben.
So viel erhält ein Asylwerber in Österreich
Asylwerber bekommen hingegen viel weniger. Geflüchtete in Österreich erhalten unterschiedliche Leistungen, je nachdem welchen Status sie haben (hier archiviert). Während sich Menschen in einem laufenden Asylverfahren befinden und noch nicht entschieden ist, ob sie asylberechtigt sind oder nicht, haben sie den Status eines Asylwerbers. Sie können dann zu Asylberechtigten werden, also anerkannten Flüchtlingen, die das Asylverfahren durchlaufen haben und im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention Schutz suchen. Zuletzt gibt es noch subsidiär Schutzberechtigte. Das sind Menschen, deren Asylantrag zwar abgelehnt wurde, die im Herkunftsland aber gefährdet werden und daher Schutz vor Abschiebung benötigen. Das verbreitete Posting spricht von Asylbewerbern, einem in Deutschland verwendeten Begriff für Menschen im Asylverfahren, die in Österreich Asylwerber genannt werden.
Asylwerbende in Österreich erhalten die sogenannte Grundversorgung. AFP hat bei Asylrechtsexperten Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination Österreich nachgefragt. Am 8. August 2023 erklärte er: „Nein, die Behauptung, dass Asylwerberinnen und Asylwerber so viel zur Verfügung haben, ist falsch. Richtig ist, dass diese in organisierter Unterbringung in Vollversorgung nur 40 Euro pro Monat Taschengeld, 150 Euro Bekleidungshilfe pro Jahr und 200 Euro Schulbedarfsunterstützung pro Jahr bekommen. Sie haben Anspruch auf Krankenversicherung und Fahrtkostenersatz zu behördlichen Terminen.“ Die Leistungen der Grundversorgung für Asylwerbende hat die Asylkoordination Österreich online noch genauer aufgeschlüsselt.
Würden Asylwerbende privat untergebracht und sich gänzlich selbst versorgen, was aber „nicht so oft vorkommt“, dann gebe es einen „Anspruch auf 260 Euro Verpflegungsgeld pro Monat und 165 Euro Mietunterstützung pro Monat“, so Gahleitner-Gertz. Insgesamt seien das 425 Euro pro Monat, also weit weniger als man im Supermarkt verdient.
Leistungen für anerkannte Flüchtlinge
Sollten die Nutzerinnen und Nutzer Asylwerbende mit anerkannten Flüchtlingen verwechseln, so ist die Behauptung aber ebenfalls falsch. Auch die Sozialhilfe ist niedriger als der Verdienst im Supermarkt.
Nachdem ihnen der Schutzstatus als Flüchtling zuerkannt wird, haben Asylberechtigte Anspruch auf Sozialhilfe wie auch österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger.
Die genaue Ausgestaltung der Sozialhilfe legen die neun Bundesländer fest. Die Regelungen der Länder Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien lassen sich auf den jeweiligen Websites der Bundesländer nachlesen. Ihnen gemein ist allerdings, dass es einen Maximalbetrag gibt (hier archiviert). Für Alleinlebende beträgt die Sozialhilfe 2023 maximal rund 1054 Euro im Monat, für Paare rund 1475. Für Wohnkosten oder in Härtefällen für manche Sachleistungen dürfen die Bundesländer den Betrag erhöhen.
Asylrechtsexperte Gahleitner-Gertz schrieb, dass es „nicht richtig“ sei, „dass Asylberechtigte durch Sozialhilfe mehr Geld zur Verfügung haben als Supermarkt-Angestellte.“ Auch die österreichische Nachrichtenagentur APA hatte sich bereits in einem Faktencheck mit dieser Behauptung beschäftigt.
Eingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt
Asylwerbende dürfen außerdem nur eingeschränkt arbeiten. Die Arbeiterkammer Oberösterreich schreibt online etwa: „Asylwerber/-innen haben beinahe keine Chance, an ihrer finanziellen Situation etwas zu verändern, da ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt großteils verwehrt ist und Asylverfahren oft Jahre dauern.“ Auch Gahleitner-Gertz schrieb: „Das Grundversorgungssystem ist nicht für Personen konzipiert, die eine Arbeitsaufnahme anstreben.“ Er kritisierte: „Man möchte eine Integration während des Verfahrens verhindern, aber gleichzeitig, dass die Personen ab dem ersten Tag nach Anerkennung voll in den Arbeitsmarkt einsteigen. Das ist in dieser Form nicht realistisch umsetzbar.“
Auch in Deutschland ist es nicht so, dass Asylsuchende mehr als deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger erhalten, hält die UNO-Flüchtlingshilfe online fest. „Asylsuchende erhalten weniger Geld vom Staat als bedürftige Deutsche.“ Asylbewerber erhalten maximal 410 Euro, anerkannte Flüchtlinge haben Anspruch auf dieselben Sozialleistungen wie deutsche Staatsangehörige. Das Bürgergeld liegt bei 502 Euro monatlich.
Fazit: Asylwerbende in Österreich erhalten die Grundversorgung. Diese ist allerdings weitaus geringer als das Gehalt, das man für eine Vollzeitstelle in einem Supermarkt erhält.