Bewertung
Die Aussagen sind aus dem Kontext gerissen: In dem Video ist der Urkundsbeamte des IGH bei der Verlesung der Klageschrift zu sehen. Er zitiert in dem Videoausschnitt Aufforderungen Nicaraguas aus einem Eilantrag an das Gericht, vorläufige Maßnahmen gegenüber Deutschland bis zur Entscheidung in dem Fall anzuordnen. Eine Entscheidung dazu gibt es aber noch nicht.
Fakten
Anfang März hat Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Klage gegen Deutschland eingereicht. Der Staat in Zentralamerika beschuldigt die Bundesrepublik der Beihilfe zum «Völkermord» durch Israel im Gazastreifen. Deutschland hat den Vorwürfen bereits klar widersprochen. Am 8. April und 9. April 2024 fanden nun die öffentlichen Anhörungen statt, bei denen beide Seiten ihre Standpunkte zu der Sache präsentierten.
Nicaragua fordert sofortigen Stopp der deutschen Rüstungslieferungen
Der im Netz geteilte Clip stammt aus der über zwei Stunden langen öffentlichen Anhörung Nicaraguas vom 8. April. Einen Mitschnitt hat der Internationalen Gerichtshof auf seiner Webseite veröffentlicht, ebenso die Nachrichtenagentur auf AP auf Youtube. In dem Clip ist der Urkundsbeamte (Registrar) des IGH, Philippe Gautier, bei der Verlesung der Klageschrift zu sehen.
Wie aus den Mitschnitten hervorgeht, verliest Gautier auf Englisch die Aufforderungen an das Gericht, die Nicaragua im Zusammenhang mit einem Eilantrag auf vorläufige Maßnahmen gestellt hat (im AP-Mitschnitt ab Minute 4:55). Das mittelamerikanische Land fordert demnach den sofortigen Stopp der deutschen Rüstungslieferungen an Israel sowie die Wiederaufnahme der eingefrorenen Beiträge für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA im Gazastreifen. In dem kursierenden Clip wurden die von Gautier verlesenen Forderungen größtenteils korrekt ins Deutsche übersetzt.
Mit der Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung an Israel würde sich Deutschland am israelischen «Genozid» im Gazastreifen beteiligen, argumentiert Nicaragua. Diese Vorwürfe wurden am folgenden Tag von der deutschen Vertreterin Tania von Uslar-Gleichen in der öffentlichen Anhörung Deutschlands als haltlos zurückgewiesen. «Diese Vorwürfe entbehren jeder rechtlichen und tatsächlichen Grundlage», sagte sie.
Kein Urteil gesprochen: Richter nehmen Beratungen auf
Mit der deutschen Verteidigung am 9. April endete die Anhörung vor dem Gerichtshof im Friedenspalast in Den Haag nach zwei Tagen. Wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht, beraten sich die Richter nun. Um ein Urteil oder Auflagen des Gerichts handelt es sich in dem Videoclip also nicht. In Bezug auf die Klage sowie den Eilantrag hat das Gericht bisher noch kein Urteil gesprochen.
Der 1946 gegründete Internationale Gerichtshof ist das höchste Gericht der Vereinten Nationen. Dieses Weltgericht ist nicht zu verwechseln mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), der sich ebenfalls in Den Haag befindet und sich mit individuellen Anklagen befasst. Der UN-Gerichtshof soll hingegen über Konflikte zwischen Staaten entscheiden. Vor dem IGH können jedoch nur Streitigkeiten zwischen UN-Mitgliedstaaten sowie von Ländern, die die Rechtssprechung des Gerichts anerkennen, verhandelt werden. Deutschland und Nicaragua erkennen den IGH an.
(Stand: 17.4.2024)