Es ist ein immer wiederkehrender Verschwörungsmythos, dass Adolf Hitler am Ende des Zweiten Weltkriegs nach Argentinien geflohen sei. Im April 2025 kursierte die Behauptung erneut, zusammen mit einem angeblich kürzlich freigegebenen Dokument der CIA. Das Dokument des US-Geheimdienstes ist allerdings schon seit Jahren bekannt. Historiker bezeichneten die Informationen darin zudem nur als „Hörensagen“.
„Update: Die CIA hat gerade in freigegebenen Argentinien-Akten bestätigt, dass HITLER DEUTSCHLAND VERLASSEN hat und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Argentinien gegangen ist!!“, hieß es beispielsweise in diesem Facebook-Beitrag vom 2. April 2025. In dem Beitrag wird ein Screenshot eines X-Posts des Accounts „US Homeland Security News“ mit dem gleichen Text auf Englisch sowie einem Bild von Adolf Hitler und einem Dokument mit der Überschrift „Secret“ geteilt. Auch wenn die Bezeichnung des Accounts den Anschein macht, ein offizieller Account des US-Ministeriums für Innere Sicherheit zu sein, erscheint der Nutzername „defense_civil25“ wenig seriös. Auf der Website des Ministeriums wird zudem auf einen anderen X-Account verlinkt.
Große Reichweite erhielt die Behauptung auch dadurch, dass die deutsche Tennislegende Boris Becker sie am 2. April 2025 auf X teilte und Medien darüber berichteten. Kurz darauf löschte Becker den Beitrag. Über seinen Anwalt ließ er erklären, er habe sich die Behauptung nicht zu eigen machen wollen. Er habe vielmehr seine Verwunderung zum Ausdruck bringen wollen, „da dann ja alles falsch wäre, was er jemals über den Tod von Adolf Hitler in sämtlichen Filmen gelernt hat“.
Zudem wurde die Behauptung auf Telegram, auf anderen Sprachen wie Spanisch sowie von einem rumänischen Medium verbreitet.

Die Behauptung, das in den Beiträgen geteilte CIA-Dokument sei erst kürzlich freigegeben worden, ist jedoch falsch.
Beiträge mit dem Dokument der Central Intelligence Agency (CIA), dem US-Geheimdienst, begannen Anfang April 2025 auf Deutsch in sozialen Medien zu kursieren. Wenige Tage vorher berichteten unter anderem argentinischen Medien darüber, dass Präsident Javier Milei von den USA gebeten wurde, Akten über Nationalsozialisten freizugeben, die am Ende des Zweiten Weltkriegs oder kurz nach der Niederlage Deutschlands nach Argentinien geflohen waren. Demnach erhoffen sich die USA Erkenntnisse für ihre Untersuchung, inwiefern die Bank Credit Suisse Beihilfe zum Nationalsozialismus leistete.
Manche der Beiträge stammen von Ende März 2025. Kurz zuvor waren auf Anordnung von US-Präsident Donald Trump über 1000 bislang geheim gehaltene Dokumente zur Ermordung des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy veröffentlicht worden. Bereits während seiner ersten Amtszeit hatte Trump im Jahr 2017 einige der Akten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Zahlreiche Nationalsozialisten flohen am Ende des Zweiten Weltkriegs in andere Länder, viele nach Südamerika. Darunter waren beispielsweise Adolf Eichmann, der bei der Wannsee-Konferenz zum Völkermord an den Jüdinnen und Juden Protokoll führte, oder auch Josef Mengele, der als Lagerarzt im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau Experimente an Häftlingen verantwortete.
Dem Mythos zufolge soll auch der nationalsozialistische Reichskanzler Adolf Hitler nach Südamerika geflohen sein. Das online als Beweis geteilte CIA-Dokument handelt von einem Informanten namens Cimelody-3. Er habe berichtet, ein Freund von ihm habe im September 1955 von einem angeblichen SS-Offizier namens Phillip Citroen erfahren, dass Hitler noch lebe. Citroen hätte in regelmäßigen Abständen in Kontakt mit Hitler gestanden. Des Weiteren sei Hitler im Januar 1955 von Kolumbien nach Argentinien übersiedelt. Dem Bericht ist ein sehr grobkörniges Foto angefügt, das angeblich Hitler und Citroen zeigen soll. Laut Bildbeschreibung habe Hitler sich als Adolf Schüttelmayer ausgegeben.
Berichte über CIA-Dokument schon 2017
Aus dem Dokument selbst geht nicht hervor, wann es seinen Geheimhaltungsstatus verloren hat. Allerdings wurde bereits 2017 über das Dokument und seinen Inhalt berichtet, wie eine Stichwortsuche ergab. Auch zwei aktuelle französische Faktenchecks erläutern, dass das CIA-Dokument in jenem Jahr und somit nicht erst 2025 freigegeben wurde. Damals wies US-Präsident Trump die Veröffentlichung von ersten Akten zum Mord an John F. Kennedy an. Ursprünglich wollte er alle Akten veröffentlichen, hielt auf Druck der Geheimdienste jedoch einige weiterhin unter Verschluss.
„Die Beweise, dass Hitler sich am 30. April 1945 im Bunker unter der Neuen Reichskanzlei erschossen hat, sind unumstößlich“, erklärte Richard J. Evans, Geschichtsprofessor an der Cambridge University in England und Autor zahlreicher Bücher über das Dritte Reich, auf AFP-Anfrage am 8. April 2025. Alle Berichte, dass Hitler nach dem 30. April 1945 lebend gesehen worden sei, „sind Hörensagen, das heißt aus zweiter Hand und/oder nicht bestätigt“.
Der US-Geheimdienst sei dazu verpflichtet gewesen, jedem Bericht nachzugehen. Schließlich sei er in jedem der Fälle „ohne Ausnahme zu dem Schluss“ gekommen, „dass diese Behauptungen keine Substanz hatten“. Das bestätigt ein weiteres veröffentlichtes CIA-Dokument vom 4. November 1955. Darin wird der zuständigen CIA-Dienststelle in Bogota nahegelegt, „dass diese Angelegenheit fallen gelassen wird“.
Existenz des Berichts ist kein Beweis
„Nur weil solche Informationen in einem CIA-Bericht erscheinen, bedeutet das nicht, dass die Wahrheit der Sichtung ‚bestätigt‘ oder tatsächlich irgendetwas ‚bewiesen‘ wird“, erklärte auch Steven Woodbridge, Gastdozent an der Kingston University in London und Experte für europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts, gegenüber AFP am 9. April 2025. Auch die Echtheit des Fotos zweifelt er an: „Die betreffende Person oder der Imitator hat einen zu großen Schnurrbart und Gesichtszüge, die nicht zur Form von Hitlers wirklichem Gesicht passen.“
Der Mythos um das CIA-Dokument sei „ein gutes Beispiel für die vielen falschen Gerüchte, Verschwörungserzählungen und betrügerischen Behauptungen, die von Nazi-Sympathisanten in den unmittelbaren Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht wurden“ und die bis heute am Leben gehalten würden.
„Aber es gibt absolut keine Beweise dafür, dass Hitler überlebt hat und ‚entkommen‘ ist, um in Südamerika zu leben“, erklärte Woodbridge. „Alle angesehenen akademischen Historiker und Experten für das Dritte Reich glauben, dass Hitler tatsächlich 1945 in seinem Bunker in Berlin Selbstmord begangen hat, und alle gegenteiligen Behauptungen sind lediglich verschwörerischer Unsinn.“ Die CIA antwortete auf eine Anfrage von AFP nicht.
Hitler wurde Jahre später für tot erklärt
Am 30. April 1945 beging Reichskanzler Hitler gemeinsam mit seiner Frau Eva Braun im Bunker unter der Berliner Reichskanzlei Suizid. Einen Tag zuvor hatten sie geheiratet, wie beispielsweise der MDR die Ereignisse nachzeichnet. Hitlers Kammerdiener Heinz Linge, sein Adjutant Otto Günsche sowie sein Sekretär Martin Bormann sollen Hitler und Braun im Garten der Alten Reichskanzlei verbrannt haben. Wenige Tage später fanden sowjetische Soldaten Überreste der Leichen.
Vor allem von sowjetischer Seite wurden jedoch immer wieder Zweifel an Hitlers Tod gesät, denen westliche Geheimdienste nachgingen. Offiziell für tot erklärt wurde Hitler erst im Jahr 1956 durch das Amtsgericht Berchtesgaden. Das lag unter anderem daran, dass wichtige Zeugen wie sein Diener Linge erst zu diesem Zeitpunkt vernommen werden konnten.
Im Jahr 2018 untersuchten französische Forscher Fragmente des Schädels und des Kiefers von Hitler, die im Garten der Reichskanzlei gefunden worden waren. In ihrer Analyse kamen sie zu dem Ergebnis, dass „hinreichend Beweise für die endgültige Identifizierung der Überreste des ehemaligen Nazi-Führers Adolf Hitler“ vorlägen.
Diesen historischen Hergang sowie Analyseergebnisse zu den Überresten des Kieferknochens beschrieb auch Historiker Evans in seiner Antwort an AFP. „Nur bestätigte Augenzeugenberichte aus erster Hand würden beweisen, dass Hitler in Argentinien gesehen wurde, und es gibt keine“, erklärte Evans. „Behauptungen, dass er überlebt hat, sollten nicht ernst genommen werden.“
Neben dem CIA-Dokument zur angeblichen Sichtung Hitlers in Südamerika gibt es weitere Dokumente, beispielsweise der US-Sicherheitsbehörde FBI, die online mit der Falschbehauptung, sie würden seine Flucht belegen, geteilt wurden. Verschiedene Medienberichte zitieren jedoch Historiker, die diesen Mythen widersprechen.
AFP hat bereits weitere Falschbehauptungen zum Dritten Reich und zum Nationalsozialismus widerlegt.
Fazit: Ein CIA-Dokument über eine Zeugenaussage zu Hitlers angeblicher Flucht nach Argentinien am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde nicht erst 2025, sondern bereits Jahre zuvor der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Historiker erklärten gegenüber AFP zudem, dass die bloße Existenz dieser Hinweise kein Beleg für eine Flucht ist.