Bewertung
Das Video ist manipuliert. Über den Ausschnitt aus einer älteren «Real Time»-Ausgabe wurden eine neue Tonspur gelegt und eigene Bildtafeln eingeblendet. Eigentlich spricht Maher im Original über Gewaltausbrüche in Parlamenten.
Fakten
Es scheint eine Sensation zu sein: Kaum haben sich Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und Tausende Anhänger am 25. Februar 2023 in Berlin auf einer Kundgebung unter dem Motto «Aufstand für den Frieden» Gehör verschafft, soll US-Komiker Bill Maher in seiner Sendung den Umgang deutscher Medien mit den Protesten ins Visier genommen haben.
Noch am selben Samstagabend taucht in sozialen Medien ein rund einminütiger Clip auf, in dem Maher darüber herzieht, dass sich in Deutschland mit dem Wort «Friedensschwurbler» vermeintlich eine neue Beleidigung durchsetzt für Menschen, die gegen Krieg demonstrieren. «Was zum Teufel ist los in dem Land, dass Friedensdemonstranten jetzt die Feinde sind?», fragt er angeblich aufgebracht in die Kamera. Doch das alles ist erfunden, gelogen und fabriziert.
Entstehungszeitraum passt nicht
Der in sozialen Medien herumgereichte Maher-Clip ist auf jeden Fall erst nach der Berliner Demonstration an jenem Samstag entstanden. Denn darin wird in einer Einstellung (ab 0:38 Min.) ein Foto der Nachrichtenagentur Reuters eingeblendet, das eindeutig auf der Kundgebung entstand. Die Aufnahme zeigt unter anderem ein Plakat mit dem Verweis auf die beiden Rednerinnen Wagenknecht und Schwarzer: «Sarah + Alice» (Schreibfehler im Original). Auch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat dieses Motiv am 25. Februar vor dem Brandenburger Tor eingefangen.
Mahers Sendung läuft immer an Freitagabenden auf dem US-Bezahlsender HBO. Die erste «Real Time»-Ausgabe nach dem 25. Februar gab es demnach am 3. März – also erst einige Tage, nachdem der vermeintliche Ausschnitt bei Twitter, Facebook und Co. auftauchte.
Ungereimtheiten im Fake-Clip
In dem verbreiteten Video sind Mahers Lippenbewegungen nicht durchgängig synchron mit den angeblich gesprochenen Wörtern. Zudem sind inmitten seiner Sätze plötzlich Bildschnitte zu erkennen (etwa bei 0:12 Min., 0:33 Min., 0:47 Min. und 1:02 Min.), für die es keine nachvollziehbare Erklärung gibt. Das allein schon zeigt: Hier wurde massiv manipuliert.
Ursprünglich in Umlauf gebracht wurde das Video allem Anschein nach von einem Account, der immer wieder Deep-Fake-Videos ins Netz stellt. Eigenen Angaben zufolge soll es sich dabei um Satire handeln. Bei der Weiterverbreitung in diversen sozialen Medien geht der angeblich satirische Hintergrund häufig verloren.
Im Original spricht Maher über etwas ganz anderes
Für das gefakte Video wurde die «Real Time»-Ausgabe vom 17. Februar 2023 genutzt. Der Komiker trug dieselbe Krawatte – wie es in diversen Clips auf dem offiziellen Youtube-Kanal zu sehen ist.
In einem der offiziellen Ausschnitte vom 17. Februar spricht Maher über die zunehmende Gewaltbereitschaft unter Parlamentariern. Unter anderem anhand seiner Mimik und Gestik ist zu erkennen, dass dieser Clip als Vorlage für den nun verbreiteten Fake diente:
- Wie Maher im Fake-Video (ab 0:12 Min.) seine zuvor verschränkten Hände öffnet und die linke Hand auf die Armlehne setzt, entspricht genau einer Szene im Originalclip (ab 2:01 Min.). Nur dass er in diesem Moment nicht etwa – wie mit der Fälschung verbreitet – über den deutschen Journalisten Sascha Lobo spricht, sondern in Wahrheit über das aggressive parlamentarische Verhalten von republikanischen Rechtsaußen-Abgeordneten wie Marjorie Taylor Greene und Lauren Boebert.
- In dem Moment, als Maher erst mit dem linken und kurz darauf mit dem rechten Zeigefinger in die Luft deutet (im Fake-Video ab 0:54 Min.), spricht er nicht etwa wie behauptet über die völlig unbelegte These eines angeblichen US-Angriffs auf die Ostsee-Gas-Pipeline Nordstream 2, sondern in Wirklichkeit (im Ausschnitt ab 3:08 Min.) über eine Studie zu Gewaltausbrüchen in Parlamenten weltweit.
Maher-Video technisch manipuliert
Alle im Fake-Video eingeblendeten Bildtafeln sind nachträglich in den Clip montiert worden. Heutzutage ist es zudem nicht allzu schwierig, Stimmen von Personen zu imitieren. Entsprechende Programme der künstlichen Intelligenz sind frei im Netz verfügbar, um anderen Menschen Worte in den Mund legen zu können, die sie nie gesagt haben. Dazu müssen meist echte Soundschnipsel hochgeladen werden. Der spätere Text kann dann frei gestaltet werden.
(Stand: 6.3.2023)