Die Menschheit stößt pro Jahr deutlich mehr CO2 aus als alle Vulkane zusammen - Featured image

Die Menschheit stößt pro Jahr deutlich mehr CO2 aus als alle Vulkane zusammen

In klimawandelskeptischen Kreisen werden immer wieder irreführende und falsche Vergleiche der Emissionen von Vulkanen und Menschen aufgestellt. Im August 2024 verbreiteten Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien eine Vulkankarte mit der Behauptung, ein einziger Vulkan stoße in zwei Sekunden so viel Kohlenstoffdioxid aus wie die gesamte Menschheit in einem Jahr. Doch die Zahlen sind falsch, wie Expertinnen und Experten gegenüber AFP bestätigten. Die von Menschen erzeugten Emissionen sind um ein Vielfaches höher als alle von Vulkanen ausgestoßenen Treibhausgase – darüber herrscht wissenschaftlicher Konsens.

Am 19. August 2024 postete eine X-Nutzerin eine über 1600 Mal geteilte Weltkarte mit folgender Aufschrift: „Zur Zeit sind weltweit über 29 Vulkane aktiv. Ein einziger Vulkan stösst in 2 Sekunden soviel CO2 aus, wie die gesamte Menschheit in einem Jahr.“ Als vermeintliche Schlussfolgerung heißt es darunter weiter: „Soviel zum Märchen vom menschgemachten Klimawandel.“

Auch auf Facebook und Instagram wurde die Karte mit identischer Aufschrift weit verbreitet.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 23. August 2024

Ein Screenshot derselben Karte, allerdings ohne Beschriftung, kursierte bereits im Juli 2024 aufEnglisch und Französisch. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Karte mit einem auf falschen Zahlen basierenden Vergleich zwischen den Kohlenstoffdioxid-Emissionen (CO2) von Landwirtschaft und Vulkanen verbreitet, wie AFP nachweisen konnte.

Es ist nicht das erste Mal, dass derartige Behauptungen über vulkanische Aktivität im Umlauf sind. AFP hat in den vergangenen Jahren bereits Falschbehauptungen über Ausbrüche in Tonga, Italien, Indonesien und La Palma überprüft. Irreführende und falsche Vergleiche zwischen den CO2-Emissionen von Menschen und Vulkanen bedienten dabei meist ein klimawandelskeptisches Narrativ, das die menschliche Verantwortung für den Klimawandel in Frage stellte und den Klimawandel als etwas vermeintlich Natürliches darstellen sollte.

Auch die im August 2024 zirkulierenden Behauptungen sind in mehrerer Hinsicht falsch, wie Expertinnen und Experten gegenüber AFP erklärten.

Deutlich mehr „aktive Vulkane“ als behauptet

Die geteilte Karte stammt laut Wasserzeichen von der Website „Volcano Discovery“ vom 6. Juli 2024. Diese Seite wird von dem Vulkanologen Tom Pfeiffer betrieben und berichtet über aktuelle Vulkanausbrüche und Erdbeben berichtet. Auf einer interaktiven Karte unter dem Titel „currently erupting volcanoes“ (auf Deutsch: derzeit ausbrechende Vulkane), veröffentlicht die Website tagesaktuell den Status aller Vulkane weltweit und unterscheidet dabei zwischen den farblich verschieden markierten Kategorien „alle“ (grün), „unruhig“ (gelb), „Warnung / geringfügige Aktivität“ (orange) und „Ausbruch“ (rot). Der kursierende Screenshot zeigt somit die Vulkane, die an diesem Tag ausbrachen, oder bei denen für diesen Tag vor einem Ausbruch gewarnt wurde.

Nach Einschätzung von Sébastien Guillet, Paläo-Klimatologe am Institut für Umweltwissenschaften der Universität Genf, ist die Karte von „Volcano Discovery“ vertrauenswürdig. Am 11. Juli 2024 erklärte er gegenüber AFP, dass zwischen 20 und 30 Vulkanausbrüche weltweit pro Tag derzeit durchaus realistisch seien. Die Daten des „Global Volcanism Program“, einem US-amerikanischen Forschungsprogramm, das von Vulkanforschenden häufig als Referenz verwendet werde, „legen nahe, dass seit Juni 2024 46 Vulkane weltweit ausgebrochen sind“, führte Guillet aus.

Screenshot der Website des „Global Volcanism Program“, aufgenommen am 12. Juli 2024

Doch die in sozialen Medien geteilte Karte gibt keine Auskunft über alle weltweit aktiven Vulkane, wie im Post behauptet. Laut dem Geologischen Dienst der USA (USGS) versteht man unter einem „aktiven Vulkan“ jeden Vulkan, der in den vergangenen 10.000 bis 20.000 Jahren schon einmal ausgebrochen ist oder der demnächst ausbrechen könnte. Einige Vulkane ruhen für mehrere tausend Jahre, bevor es zu einem erneuten Ausbruch kommt, weshalb sich die Wissenschaft auf die Zeitspanne seit Beginn des Holozäns (der gegenwärtigen erdgeschichtlichen Epoche, die vor etwa 11.500 Jahren begonnen hat) geeinigt hat.

Laut dem „Global Volcanism Program“ sind in diesem Zeitraum nachgewiesenermaßen 860 Vulkane weltweit ausgebrochen, von bis zu 1500 wird es vermutet. Somit sind entgegen der online kursierenden Behauptung viel mehr Vulkane als lediglich 29 aktiv.

CO2-Emissionen eines Vulkans

Die geteilte Karte weckt zudem den Anschein, ein Vulkan stoße lediglich während eines Ausbruchs CO2 aus. Das ist jedoch falsch, wie das US-Instituts für Ozean- und Atmosphärenforschung (NOAA) auf seiner Website erklärt: Demnach stoßen aktive Vulkane kontinuierlich CO2 aus, das von unterirdischem Magma generiert wird und durch poröses Gestein, Gesteinsspalten oder heiße Quellen an die Erdoberfläche gelangt.

Bei Ausbrüchen vervielfachen sich die Emissionen kurzzeitig, wie Patrick Allard, Wissenschaftler am französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) am 26. Mai 2023 gegenüber AFP erklärte: „Ein Vulkan wie der Ätna stößt durchschnittlich etwa 5000 Tonnen CO2 pro Tag aus.“ Anlässlich des letzten großen Ätna-Ausbruchs vom 21. Mai 2023 erklärte Allard, dass „ein Ausbruch dieser Art bei einem Vulkan mit besonders CO2-reichem Magma wie dem Ätna etwa 30.000 Tonnen CO2 pro Tag produzieren kann“. Dabei komme es jedoch auf die Dauer des jeweiligen Ausbruchs an.

Wie es zu einem Vulkanausbruch kommt und was dabei passiert – STAFF / AFP

Auch Cathy Clerbaux, Forschungsleiterin am CNRS, erklärte am 11. Juli 2024 gegenüber AFP: „Es gibt etwa 1500 registrierte aktive Vulkane und etwa 50, die jedes Jahr ausbrechen, von denen wiederum etwa 15 dauerhaft aktiv sind.“ Bei starken Vulkanausbrüchen könnten mitunter durchaus punktuelle Höchstwerte wie bei dem Ätna-Ausbruch pro Tag auftreten. Doch diese Werte seien „zeitlich und pro Vulkan sehr variabel“, fasste die Wissenschaftlerin zusammen.

Vulkane tragen somit durchaus zu den weltweiten CO2-Emissionen bei. Laut Zahlen des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC) waren es insgesamt 637 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2021. Doch während die vulkanischen Emissionen über die Jahrtausende einigermaßen gleich blieben – schließlich brechen Vulkane seit Anbeginn der Zeit aus und verursachen mit zwischenzeitlichen Spitzen stetig CO2 – ist es der massive Anstieg der menschenverursachten Treibhausgase in den vergangenen Jahren, der den Klimawandel verursachte.

Vulkanemissionen insgesamt viel geringer als menschlich verursachte Treibhausgase

„Klimaskeptiker stürzen sich auf Vulkane und halten sie für den möglichen größten CO2-Emittenten, aber das ist einfach nicht der Fall“, sagte Marie Edmonds, Forschungsdirektorin am Department of Earth Sciences der US-Universität Cambridge, bereits 2023 gegenüber AFP. Die folgende Grafik des IPCC-Berichts unterstreicht den Unterschied der Auswirkungen von rein natürlichen CO2-Emissionen vulkanischen oder solaren Ursprungs und den menschenverursachten sowie natürlichen Emissionen:

Laut IPCC-„Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger 2021“ (S. 6) haben vulkanische Aktivitäten kaum zum Temperaturanstieg der vergangenen Jahrzehnte beigetragen – im Gegensatz zu menschlichen Faktoren (Screenshot vom 28. August 2024)

„Die jährlichen CO2-Emissionen des Menschen sind 40 bis 100 Mal (je nach Jahr) größer als alle Vulkanemissionen zusammengenommen“, erklärte Cathy Clerbaux vom CNRS. Clerbaux zitierte Zahlen des Deep Carbon Observatory (DCO). Deren Team von rund 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaflern forscht zu globalen CO2-Emissionen und listet detailliert auf, wie Kohlenstoffdioxid in natürlichen sowie menschlichen Prozessen gespeichert, freigesetzt und wieder aufgenommen wird.

In mehreren Studien, die 2019 in der Zeitschrift „Elements“ veröffentlicht wurden, erklärt das DCO, dass der vulkanische Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen im Vergleich zu den menschenverursachten Emissionen verschwindend gering sei: Alle aktiven Vulkane zusammen – also ausbrechende sowie ruhende – erzeugen demnach pro Jahr durchschnittlich 0,28 bis 0,36 Gigatonnen CO2 (eine Gigatonne bedeutet eine Milliarde Tonnen). Niedrigere Schätzungen in einem anderen Forschungsartikel, der 2019 veröffentlicht wurde und sich auf den Zeitraum von 2005 bis 2015 konzentrierte, nennen 0,05 bis 0,36 Gigatonnen CO2 im Durchschnitt pro Jahr.

Menschliche Aktivitäten (etwa Transport, Industrie, Landwirtschaft, Heizung) haben im Jahr 2022 laut dem Global Carbon Project 40,6 Gigatonnen CO2 freigesetzt. Die vulkanischen CO2-Emissionen machen somit „weniger als ein Prozent der CO2-Emissionen aus menschlichen Aktivitäten aus“, betonte der Paläo-Klimatologe Sébastien Guillet gegenüber AFP. „Es ist also nicht korrekt, zu behaupten, dass die CO2-Emissionen aus Vulkanausbrüchen einen größeren Einfluss auf die globale Erwärmung hätten als die vom Menschen verursachten Emissionen“, fasste er zusammen.

Alle Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.

Fazit: Menschliche Aktivitäten verursachen laut Expertinnen und Experten jedes Jahr bis zu 100 Mal mehr CO2 als alle Vulkane der Erde zusammen. Die Behauptung, ein einziger Vulkan stoße in zwei Sekunden mehr CO2 aus als die gesamte Menschheit in einem Jahr, ist somit falsch. Auch die Aussage, lediglich 29 Vulkane weltweit seien derzeit aktiv, ist irreführend. Vulkanforschende gehen von bis zu 1500 aktiven Vulkanen aus.

Fact Checker Logo

Klimawandel, Umwelt

Autor(en): Gundula HAAGE / Claire-Line NASS / AFP Frankreich / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

Nach oben scrollen