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Diese Serie von Titelblättern des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ ist gefälscht

Die russische Krieg in der Ukraine ist auch von einer Welle an pro-russischen Beiträgen in sozialen Medien begleitet, die die Berichterstattung westlicher Medien über den Konflikt falsch darstellen. Das ist auch im Fall einer Serie an angeblichen Titelbildern des satirischen Wochenmagazins „Charlie Hebdo“ der Fall. Alle verbreiten antiukrainische Botschaften und erscheinen auf den ersten Blick überzeugend. Sie sind allerdings von Ungereimtheiten und Fehler durchsetzt, die sie verraten. Im Archiv des Magazins findet sich keines der angeblichen Titelbilder und die Zeitschrift bezeichnete sie als Fälschungen.

Die Behauptung: AFP hat sieben vermeintlichen Titelbilder gefunden, die in verschiedenen sozialen Netzwerken und in unterschiedlichen Sprachen geteilt wurden. Manchmal wird der ukrainische Präsident als Dieb dargestellt, manchmal als Hund. In einem Fall werden ukrainische Fußballfans als Nazis dargestellt, was ein gängiges Thema der pro-russischen Propaganda gegen die Ukraine ist.

Die Zeichnungen sind in einem spöttischen Stil gehalten, ähnlich wie die echten Titelbilder von „Charlie Hebdo“, das 2015 von islamistischen Terroristen angegriffen wurde. Das Magazin veröffentlicht teils respektlose Karikaturen von Personen des öffentlichen Lebens, die etwa zuletzt im Iran für Empörung sorgten.

Die Zeichnungen, die online als ukrainekritische Ausgaben präsentiert werden, tragen die Unterschriften der Karikaturisten des Magazins. Die vermeintlichen Cover sind aktuell und spiegeln die Nachrichten der jeweiligen Tage wider, die sie zeigen. Aber sie sind Fälschungen.

AFP Faktencheck hat alle sieben Fake-Cover zum Ansehen auf seinem Instagram-Account veröffentlicht:

 

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„Charlie Hebdo“ bezeichnet die Karikaturen als Fälschungen

Die echten Titelblätter einer jeder Ausgabe sammelt „Charlie Hebdo“ in einem Archiv auf seiner Website. Dort ist allerdings keine der geteilten Karikaturen zu finden, genauso wenig wie auf anderen offiziellen Kanälen des Mediums, etwa seinem Twitter– oder Facebookkanal.

Archiv der echten Titelbilder auf der Website von Charlie Hebdo vom 12. Oktober bis 28. Dezember 2022; Screenshot vom 4. Januar 2023

 

AFP hat bei „Charlie Hebdo“ direkt nachgefragt und der Redaktion die in Umlauf befindlichen Cover gezeigt. Ein Sprecher von „Charlie Hebdo“, bezeichnete am 29. Dezember 2022 alle angeblichen Cover als Fälschungen: „Keines dieser Titelbilder wurde von ‚Charlie Hebdo‘ erstellt.“

Er wies auf mehrere Unterschiede zwischen den echten und den gefälschten Covern hin. Andere Unstimmigkeiten fand AFP bei einem genaueren Vergleich, zum Beispiel:

  • „Charlie Hebdo“ erscheint normalerweise am Mittwoch – einige der gefälschten Cover sind jedoch auf andere Wochentage datiert.
  • Bis September 2022 kostete die Zeitschrift drei Euro, danach stieg der Preis auf 3,20 Euro. In drei der sieben von AFP gesichteten Exemplare ist der Preis beispielsweise mit 3,50 Euro angegeben.
  • Über dem Titel des Magazins sind auf den echten Titeln in der Regel drei kurze Vorschauen auf den Inhalt zu sehen, die bei den gefälschten Titeln weggeschnitten zu sein scheinen.
  • Der Sprecher wies zudem auf künstlerische Ungereimtheiten hin. Die Texte und Zitate in den Sprechblasen seien unbedeutend und nicht gut geschrieben, sagte er und kritisierte auch die Qualität der Karikaturen. Die gefälschten Titelseiten seien außerdem überladen mit Farben und einer Fülle von unnötigen Details, was das „genaue Gegenteil der Arbeit von ‚Charlie Hebdo'“ sei.

Bereits am 23. September 2022 hatte sich „Charlie Hebdo“ mit einem Statement zu gefälschten Karikaturen zu Wort gemeldet, die in pro-russischen Telegram-Kanälen kursierten. „Russische Propagandisten erstellen gefälschte Titelbilder von ‚Charlie Hebdo‘, um Leute von der Unterstützung unserer Zeitung für Putin zu überzeugen“, heißt es darin. Die Karikaturisten des Magazins würden allerdings „weiterhin Putins Wahnsinn anprangern“ heißt es im Statement, das die Fakes außerdem als „schlecht gezeichnet“ bezeichnet.

Mehrere internationale Medien hatten zuvor über die Serie an falschen „Charlie Hebdo“-Titelseiten berichtet (hier, hier).

Kein Cover mit Selenskyj als Golddieb

gefälschtes Cover von „Charlie Hebdo“; Screenshot vom 4. Januar 2023

 

Das jüngste der angeblichen Titelbilder von Charlie Hebdo zeigt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim Diebstahl von Goldschätzen von Jesus, Maria und Josef sowie den heiligen drei Königen. Im Weglaufen ruft er „Hör auf zu jammern, wir brauchen es!“ Das Bild ist wie einige andere Fake-Cover als Spezialausgabe beschrieben.

Am 22. Dezember 2022, einem Donnerstag, erschien kein solches Cover, wie auch ein Blick in die Archive des Magazins bestätigt.

Die Karikatur stellt Selenskyj, der jüdisch ist, mit typischen antisemitischen Vorurteilen dar.

Papst-Cover ist gefälscht

gefälschtes Cover von „Charlie Hebdo“; Screenshot vom 4. Januar 2023

 

Ein auf den 30. November 2022 datiertes Fake-Cover zeigt einen Mann, der den Papst darstellen soll, der einem Jungen ans Gesäß fasst und dabei sagt: „Haltet eure Kinder von diesen grausamen und gefährlichen Burjaten fern“. Die Gruppe der Burjaten lebt vor allem in Sibirien.

Die Karikatur scheint eine Anspielung auf ein Interview im katholischen Magazin „America“, in dem sich Papst Franziskus im November 2022 über Tschetschenen und Burjaten geäußert hatten, die in der Ukraine kämpfen. Er hatte die beiden Gruppen darin als besonders grausam bezeichnet. In Russland sorgte die Aussage für Aufruhr.

Während das Christentum und andere Religionen immer wieder von Karikaturisten des Blattes aufs Korn genommen wird, so findet sich das angebliche Papst-Cover weder im öffentlichen Archiv von „Charlie Hebdo“ noch anderen offiziellen Kanälen des Magazins. Das tatsächliche Cover des 30. Novembers 2022 mit der Nummer 1584 – das gefälschte Cover gibt als Seriennummer 1585 an – kritisierte Unstimmigkeiten im französischen Parlament.

Falsches Cover zu Nazis bei Fußball-WM basiert auf erfundenem Vorfall

gefälschtes Cover von „Charlie Hebdo“; Screenshot vom 4. Januar 2023

 

Ein auf den 24. November 2022 datiertes Cover – ebenfalls ein Donnerstag anstatt des üblichen Erscheinungsdatums am Mittwoch – zeigt zwei Kataris, die versuchen, ein nationalsozialistisches Graffiti zu entziffern, das zwei Ukrainer bei der Fußballweltmeisterschaft an die Wand schmieren. „Das ist etwas auf Ukrainisch“, sagt einer der beiden Kataris mit einem Wörterbuch in der Hand.

Die beiden Fußballfans mit blau-gelben Trikots in der Karikatur schreiben gerade „Sieg“ an die Wand, ihre Trikots tragen jeweils die Nummer acht. Der in Deutschland und Österreich verbotene Hitlergruß wurde in der Zeit des Nationalsozialismus von den Worten „Sieg Heil“ oder „Heil Hitler“ begleitet. Die Zahl 88 wird von Neonazis häufig als Code verwendet, um auf die Anfangsbuchstaben des Hitlergrußes anzuspielen. Der Buchstabe H ist der achte im Alphabet. Dem Maskottchen der Fußballweltmeisterschaft ist im geteilten Bild außerdem ein Hitlerbart aufgemalt.

Die Karikatur spielt damit auf einen vermeintlichen Vorfall während der Fußball-WM in Katar Ende 2022 an, bei dem ukrainische Nazis laut eines angeblichen Berichts von Al Jazeera ein solches Graffiti am Austragungsort des Turniers hinterlassen haben sollen. Bereits dieser Vorfall ist allerdings erfunden. Al Jazeera wies den Bericht als klare Fälschung zurück. Hinweise für einen solchen Vorfall konnte AFP nicht finden.

Der russische Präsident Wladimir Putin rechtfertigte die Invasion der Ukraine wiederholt mit dem Vorwand der „Entnazifizierung“ des Landes. Die Erzählung von Ukrainerinnen und Ukrainern als Nazis ist seither wiederholt Thema von AFP-Faktenchecks. AFP überprüfte beispielsweise Behauptungen zu angeblich mit Nazi-Symbolen tätowierte Ukrainern, die in Wahrheit ein belarussischer Gefangener und ein russischer Neonazi waren.

 

Während „Charlie Hebdo“ zwar Cover zur Weltmeisterschaft veröffentlichte, so ist das Titelblatt mit den angeblich nationalsozialistischen Fußballfans keines davon. Echte Cover zur WM kritisierten etwa die Anzahl der verstorbenen Arbeiterinnen und Arbeitern auf WM-Baustellen oder Korruption rund um die Vergabe. Im November widmete „Charlie Hebdo“ der WM außerdem eine Sonderausgabe, die aber ebenfalls völlig anders aussieht als das Fake-Cover.

Cover zu Raketen in Polen stammt nicht von „Charlie Hebdo”

gefälschtes Cover von „Charlie Hebdo“; Screenshot vom 4. Januar 2023

 

Am 15. November 2022 schlug eine Rakete in der südostpolnischen Ortschaft Przewodow in der Nähe der ukrainischen Grenze ein und tötete zwei Menschen. Nach Auffassung der Nato und Polens wurde der Einschlag wahrscheinlich durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht, die zur Abwehr russischer Raketenangriffe abgefeuert wurde.

Ein auf den 16. November 2022 datiertes angebliches Cover greift dieses Ereignis auf. Zwei Männer stehen auf einem Acker, der den Fotos vom Raketeneinschlag ähnelt. Sie schimpfen und vergleichen das Ereignis mit dem Massaker von Wolhynien. Im Jahr 1943 ermordeten ukrainische Nationalisten zehntausende polnische Zivilistinnen und Zivilisten.

AFP hat sich bereits im Dezember mit dem angeblichen Cover beschäftigt. Ein Sprecher des Magazins sagte am 19. Dezember: „Das ist nicht unser echtes Cover.“

Karikaturen mit König Charles, Emmanuel Macron und Boris Johnson sind gefälscht

gefälschte Cover von „Charlie Hebdo“; Screenshot vom 4. Januar 2023

 

Drei weitere Cover sind auf den 19. September (links), den 29. August (Mitte) und den 9. Juli (rechts) datiert, zwei Montage und ein Samstag statt des üblichen Mittwochs. Sie zeigen den britischen König Charles beim Begräbnis seiner Mutter Queen Elizabeth Mitte September 2022, den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei einem Protest sowie das personifizierte Großbritannien, das sich auf den früheren Premierminister Boris Johnson erbricht, der im Juli 2022 gerade seinen Rückzug angekündigt hatte. Auf allen drei Montagen ist auf Seiten der westlichen Führer in Schwierigkeiten auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als Hund abgebildet.

Während es zwar echte Cover beziehungsweise Karikaturen mit König Charles, Macron (hier, hier, hier) und Johnson gibt, sind die drei angeblichen Titelseiten nicht im offiziellen Archiv von „Charlie Hebdo“ zu finden.

Sie weisen außerdem mehrere Fehler auf, auf die andere Faktenchecker wie etwa von France24 bereits hinwiesen. Im mittleren Bild, das Macron mit einem Wasserwerfer zeigt, fehlt im französischen Wort „chaud“ zu Beginn der Buchstabe C. Im rechten Bild mit Johnson heißt es auf Französisch „Die Feier ist vorbei“. Im Wort für Feier passiert dabei ein Grammatikfehler, ein E fehlt am Ende.

Das russischsprachige Medium „Provereno“ hat die drei angeblichen Titelbilder mit Charles, Macron und Johnson Ende Oktober 2022 genauer unter die Lupe genommen. Laut ihrer Analyse stammen die frühesten Veröffentlichungen der drei Fakes aus russischen Telegram-Kanälen (hier, hier, hier).

Beißende Kritik

„Charlie Hebdo“ ist bekannt für seine beißende Kritik religiöser und politischer Figuren. Die Darstellung des Propheten Mohammed wurden von islamistischen Terroristen als Grund für einen Anschlag auf die Redaktion am 7. Januar 2015 angeführt, bei dem 12 Mitarbeitende getötet wurden.

Schon lange vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine kursierten immer wieder gefälschte Karikaturen im Stil von „Charlie Hebdo“. Die „Berliner Zeitung“ veröffentlichte etwa im Januar 2015 nach dem Anschlag auf die Redaktion mehrere Zeichnungen, darunter auch eine antisemitische Karikatur, die nicht von „Charlie Hebdo“ stammte. Die Zeitung bat tags darauf um Entschuldigung für den Fehler.

In einer aktuellen Kontroverse drohte der Iran Frankreich am 4. Januar mit Konsequenzen, nachdem „Charlie Hebdo“ Karikaturen veröffentlicht hatte, die den obersten geistlichen Führer Ayatollah Ali Chamenei zeigten und vom Iran als „beleidigend“ angesehen wurden.

Renommierte Medien werden zum Transport einer Botschaft benutzt 

Patrick Rössler ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt und mit derartigen Fälschungen vertraut. Am 30. Dezember 2022 schrieb er an AFP: „Was ich interessant finde ist, dass diese Fakes nicht einfach als Karikaturen verbreitet werden, sondern zusätzlich als vermeintliche Zeitschriftencover präsentiert werden. Ganz klar soll hier eine bekannte Medienmarke als Nachweis für Authentizität dienen und zu einem Glaubwürdigkeitstransfer beitragen.“

Seiner Einschätzung nach seien dazu Medien wie „Charlie Hebdo“ gut geeignet: „Ausgewählt wurde dabei bewusst ein anerkanntes, kritisches Medium aus dem Westen.“

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine geschah das immer wieder. AFP überprüfte beispielsweise bereits eine Serie von Falschinformationen, die mithilfe imitierter Nachrichtenseiten prorussische Propaganda transportierten. User verbreiteten immer wieder gefälschte Berichte westlicher Medien, etwas ein angebliches „Stern“-Cover, ein gefälschtes„Money“-Cover oder einen manipulierten CNN-Tweet.

Die Fälschungen setzen dabei auf eine Spezialvariante des sogenannten Sleeper-Effekts, erklärte Rössler. Beim Sleeper-Effekt tritt eine Einstellungsänderung durch eine Botschaft nicht sofort mit dem Empfang einer Nachricht ein, sondern erst im Laufe der Zeit. „Das funktioniert aber nur, wenn die Quelle nicht in der Erstwahrnehmung schon zurückgewiesen wird, wie es vermutlich der Fall wäre, wenn die Karikatur ’nur‘ über (für manche unglaubwürdige) Telegram-Kanäle verbreitet würde. Diese Hürde soll der Charlie-Hebdo-Fake zu überwinden helfen“, so Rössler.

Außerdem könne die „vage Hoffnung“ der Fake-Titelseiten sein, dass „im Sinne medialer Koorientierung eventuell diese vermeintlichen Beiträge von anderen Medien zunächst unbesehen zitiert werden und so eine weitere Verbreitung erfahren“, vermutete Rössler.

Verbreiter dieser Version von Desinformation nutzen den guten Ruf glaubwürdiger Medien aus, sagte Lena Frischlich von der Universität Münster am 9. Januar 2023 gegenüber AFP. „Glaubwürdigkeit ist ein wichtiger Faktor bei Überzeugungsprozessen. Wenn ich die Quelle von Anfang an als unzuverlässig abstemple, wird der Inhalt weniger hängenbleiben“, erklärte Frischlich.

Solche Desinformation zielt auch darauf ab, Unsicherheit und Misstrauen gegenüber den Medien zu schüren. „Wenn ich es schaffe, dass dem etablierten Journalismus nicht mehr vertraut wird, weil das ja auch gefälscht sein könnte, dann schaffe ich eine Unsicherheit. Und bei Unsicherheit können weitere Fehlinformationen leichter platziert werden.“ Das könne dazu führen, dass Menschen denken: „Man kann ja niemandem mehr glauben“.

Fazit: Alle sieben angeblichen Titelseiten von „Charlie Hebdo“ sind gefälscht. Die Redaktion bestätigte gegenüber AFP, dass es sich bei den angeblichen Titelbildern um Fälschungen handelt. Einige von ihnen weisen zudem Schreibfehler oder andere Unstimmigkeiten auf.

Personenbeschreibung aktualisiert

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Politik, Gesellschaft

Autor(en): Eva WACKENREUTHER, AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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