Im Netz verbreitete sich Mitte Januar 2023 ein manipuliertes Foto von einem angeblichen Wetterbericht des polnischen Senders TVP1. Darauf sind Teile der westlichen Ukraine als polnisches Gebiet markiert. Bei dem Bild handelt es sich um eine Fälschung. Auf dem Foto sind Schreibfehler zu erkennen, das Design des Wetterberichts unterscheidet sich zudem von der tatsächlichen Gestaltung auf TVP1. Das Bild der Moderatorin stammt aus einem bereits 2020 erschienenen Wetterbericht. Der Sender TVP selbst bezeichnete das Foto in einem Statement als Fälschung.
Beiträge mit dem manipulierten Wetterbericht wurden auf Facebook, Telegram und Twitter verbreitet. Die Behauptung kursiert zudem auf Ungarisch, Französisch, Englisch, Slowakisch und Tschechisch.
Die Behauptung: Auf dem online kursierenden Foto ist ein Ausschnitt eines TV-Wetterberichts zu erkennen. Auf der eingeblendeten Karte ist das polnische Staatsgebiet zu sehen, das sich bis in den Westen der Ukraine erstreckt. Darüber steht in Großbuchstaben „Polska“. Innerhalb des Gebiets wird auch die ukrainische Stadt Lwiw angezeigt. Auf Facebook heißt es dazu: „Der polnische Fernsehkanal TVP1 zeigte die Westukraine als polnisches Territorium.“ Am rechten oberen Bildrand ist das Logo des Senders zu sehen.
Im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine werden immer wieder falsche oder manipulierte Bilder und Videos im Netz geteilt. So überprüfte AFP in der Vergangenheit bereits ein manipuliertes Foto, das die ukrainische First Lady Olena Selenska in einem Privatjet zeigen sollte, oder einen gefälschten Beitrag, in dem ukrainischen Fußballfans vorgeworfen wurde, Nazi-Schmierereien verbreitet zu haben. Beide Fälle entpuppten sich als falsch. Faktenchecks zum Krieg in der Ukraine sammelt AFP hier.
Woher stammt das Bild?
Das Bild der Wetterkarte wurde auch vom serbischen Ableger des russischen Staatsmediums RT und auf verschiedenen russischen Websites wie Topwar.ru veröffentlicht, die behaupteten, die vermeintliche Wetterkarte weise auf mögliche Gebietsansprüche Polens hin.
Im serbischen RT-Artikel wird Topwar.ru als Quelle der Aufnahme angegeben. Die Website wiederum verweist auf einen Telegram-Kanal namens „Pool No3“ als Ursprung des Bildes. Dieser veröffentlichte das Bild am 17. Januar 2023 und erklärte, es handele sich um die Einsendung eines ihrer „Mitglieder“, die nicht verifiziert werden könne.
Das Bild findet sich ebenfalls auf einer russischsprachigen Website wieder, die den russischen Journalisten Dmitry Smirnow als Bildquelle nennt. Smirnow selbst betreibt ebenfalls einen Telegram-Kanal mit dem Namen „Pool No3„. Es handelt sich hier allerdings nicht um den gleichen bereits erwähnten Kanal, sondern lediglich um einen mit dem identischen Namen. Ob die beiden Kanäle miteinander in Verbindung stehen, ist unklar. In der Beschreibung des „Pool No3“-Kanals, der das Bild geteilt hat, heißt es, es handele sich um eine „Zusatzseite zur Hauptseite“. Auf Smirnows Social Media-Profilen finden sich keine weiteren Informationen zu dem Bild.
Eine weitere umgekehrte Bildsuche sowie eine Stichwortsuche auf Englisch und Russisch konnten AFP keinen eindeutigen Ursprung des Bildmaterials aufzeigen.
Das Bild wurde bearbeitet
Beim genauen Blick auf das vermeintliche Foto des Wetterberichts finden sich allerdings mehrere Auffälligkeiten, die darauf hindeuten, dass das Bild bearbeitet wurde. So beinhalten die Namen verschiedener Städte und Länder im Bild Schreibfehler, was ungewöhnlich für den Wetterbericht von TVP1 erscheint, dem Hauptsender des polnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Im Polnischen wird eine erweiterte Version des lateinischen Alphabets verwendet, in der auch sogenannte Diakritika verwendet werden, also an Buchstaben angebrachte Zeichen wie Akzente, Kreise oder Punkte. Die auf der geteilten Wetterkarte zu sehenden Namen verwenden teilweise falsche Buchstaben. So wird dort „Lwow“ anstatt „Lwów“ (Lwiw),“Kijow“ anstatt „Kijów“ (Kiew), „Bialorus“ anstatt „Białoruś“ (Belarus) und „Slowacja“ anstatt „Słowacja“ (Slowakei)
Ein Blick auf die echten Wetterberichte von TVP1 zeigt zudem grobe Unterschiede im Design zu dem online kursierenden Bild. TVP1 verwendet in der Regel ein grünes Design und gestaltet nächtliche Berichte in Dunkelblau. Keines dieser Merkmale findet sich in dem manipulierten Bild wieder.
Auch die Lage einiger Städte scheint auf der bearbeiteten Karte falsch angezeigt zu sein. Bei der Projektion einer echten Karte auf das bearbeitete Bild zeigt sich beispielsweise, dass sich die polnische Hauptstadt Warschau in der Manipulation etwa 100 Kilometer nordwestlich ihres tatsächlichen Standorts befindet. Auch die ukrainische Stadt Lwiw befindet sich auf der manipulierten Karte etwa 80 bis 90 Kilometer nordöstlich des eigentlichen Standorts.
TVP bezeichnete Bild als Fälschung
Eine polnischsprachige Stichwortsuche nach Wetterkarten des Senders TVP1 führte AFP bereits zu mehreren polnischen Faktenchecks, die die Karte als gefälscht bezeichnen (hier, hier). Auf der Website des Senders TVP findet sich zudem ein Artikel vom 18. Januar 2023 mit dem Titel „Russische Propaganda teilt erfundene Karte“.
In dem Beitrag wird erläutert, TVP habe den Wetterbericht mit der Karte nie gesendet. Das Logo des Senders sei hinzugefügt worden, die Karte sei gefälscht. Weiter wird erläutert, dass es sich bei der Moderatorin im Bild nicht um eine Mitarbeiterin von TVP handele. Tatsächlich arbeite sie für den Sender Trwam.
Eine Google-Suche nach den Worten „Wetterkarte Trwam“ auf Polnisch führte AFP zu weiteren Faktenchecks des Fotos. Einer der Artikel verweist auf ein im Jahr 2020 entstandenes Video der Moderatorin. Sie stellt sich darin als „Joanna Wysocka“ vor und trägt das gleiche Kleid, den gleichen Nagellack und das gleiche Make-up wie in dem aktuell geteilten Bild. Auch ihre Frisur, die Falten in ihrem Kleid und ihre Pose scheinen identisch. Im Hintergrund ist allerdings der Wetterbericht des Fernsehsenders Trwam und nicht von TVP1 zu sehen.
Es scheint daher wahrscheinlich, dass das Bild der Moderatorin aus dem Video von Trwam ausgeschnitten und in den Wetterbericht von TVP1 kopiert wurde. Auf der Karte von Trwam sind zudem keine Teile der Ukraine als polnisches Gebiet gekennzeichnet.
Eine AFP-Anfrage an Trwam blieb bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks unbeantwortet. Ob die Moderatorin aktuell immer noch für Trwam arbeitet, ist unklar. Zuletzt ist sie in einem Video von März 2022 zu sehen, darin stellt sie sich allerdings mit einem anderen Familiennamen vor.
Falschbehauptungen über Teilung der Ukraine
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 kursieren verschiedene Behauptungen online, wonach Polen angeblich territoriale Ansprüche oder Feindseligkeit gegenüber der Ukraine hege. So wurde beispielsweise im Mai 2022 eine 2014 entstandene Karte des Sprechers der russischen Staatsduma zu einer Teilung der Ukraine online geteilt, die angeblich polnische Pläne einer Annektierung ukrainischer Gebiete offenbaren sollte.
In anderen Falschbehauptungen hieß es, es seien Umfragen im Gange, um Menschen in westlichen Gebieten der Ukraine zu einem möglichen Status als „polnisches Protektorat“ zu befragen. In einer weiteren Falscherzählung eines ungarischen Abgeordneten, der später wegen Spionage verurteilt wurde, wurden Berichte über ein angebliches Referendum zu einer Annexion der ukrainischen Region Transkarpatien durch Ungarn verbreitet. All diese Behauptungen wurden durch AFP widerlegt.
Obwohl es wahr ist, dass sich einige Regionen der heutigen Ukraine in vergangenen Jahrhunderten unter polnischer Kontrolle befanden, zeigt die Haltung des modernen Polens zum Krieg in der Ukraine, dass es derzeit einer der engsten westlichen Verbündeten der Ukraine ist. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verurteilte Polen zu Beginn des Kriegs die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine. Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki fordert unter den westlichen Staats- und Regierungschefs regelmäßig lautstark mehr Unterstützung für die Ukraine.
Fazit: Die angebliche Wetterkarte ist gefälscht. Der Sender TVP1 dementierte, die Karte veröffentlicht zu haben. Zudem sei die Moderatorin im Bild gar nicht bei dem Sender beschäftigt. Aufnahmen des Senders Trwam aus dem Jahr 2020 zeigen die Frau in einem identischen Outfit. Diese wurden wahrscheinlich für die Anfertigung der gefälschten Wetterkarte verwendet. Die Rechtschreibung und Platzierung der Städte auf der Wetterkarte sind zudem fehlerhaft.