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Dieses Video, in dem der chinesische Staatschef angeblich Annalena Baerbock kritisiert, ist falsch übersetzt

In einem Interview im September 2023 hatte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping als Diktator bezeichnet. Aus Verärgerung bestellte die chinesische Regierung die deutsche Botschafterin ein. In sozialen Medien kursiert seitdem ein Video einer Rede, in der sich der chinesische Präsident angeblich direkt an Baerbock wendet und Kritik an ihrem Verhalten übt. Der Clip wurde jedoch falsch untertitelt. Das manipulierte Video stammt von einem Satireaccount.

„Ich kann es einfach nicht ändern: Ich feier den Typen dafür!“, schreibt ein Facebook-User am 29. September 2023 und teilt ein Video. Der rund einminütige Clip zeigt eine Rede des chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Er richtet sich darin scheinbar an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und sagt laut deutschen Untertiteln etwa: „Frau Außenministerin Baerbock, Sie haben einen großen Fehler begangen, für Sie persönlich aber auch für Ihre Nation. Sie sagen, ich sei ein Diktator. Aber wer – frage ich Sie – wer stellt die vielen feinen Dinge her, ohne die Sie im Westen nicht mehr leben können?“ Er bittet Baerbock laut deutschen Untertiteln zudem, „ihre Zunge zu zügeln“ und bezeichnet sie scheinbar als „Wiesel“.

Auf Facebook kursiert der Beitrag seit Mitte September und wurde inzwischen über 1000 Mal geteilt.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 2. Oktober 2023

Die deutsche Außenministerin ist immer wieder Gegenstand von Falschinformationen. AFP hat mehrere gefälschte oder verzerrte Zitate, die Annalena Baerbock zugeschrieben wurden, widerlegt. Es verbreiteten sich etwa die unbegründeten Behauptungen, dass sie angeblich die Abschaffung der Witwenrente gefordert habe und sich für die Legalisierung von Sex mit Kindern eingesetzt haben soll. Auch eine Villa in Kitzbühel wird ohne Beweise mit Annalena Baerbock in Verbindung gebracht.

Diplomatische Spannungen zwischen China und Deutschland

Baerbock hatte während ihres Besuchs in den USA in einem Interview am 14. September 2023 mit dem rechten US-Sender Fox News über den Krieg in der Ukraine gesprochen und gesagt: „Wenn Putin (Russlands Präsident Wladimir, Anm. d. Red.) diesen Krieg gewinnen würde, was wäre das für ein Zeichen für andere Diktatoren auf der Welt, wie Xi, wie den chinesischen Präsidenten? Deshalb muss die Ukraine diesen Krieg gewinnen.“ Auch US-Präsident Joe Biden hatte Xi Jinping in der Vergangenheit bereits als „Diktator“ bezeichnet. Die kommunistische Führung in Peking zeigte sich damals empört und sprach von einer Provokation.

Auch Baerbocks Aussage führte zuletzt zu diplomatischen Spannungen und brachte der Grünen-Politikerin scharfe Kritik aus China ein. Baerbocks Äußerungen seien „extrem absurd und eine schwere Verletzung der politischen Würde Chinas und eine offene politische Provokation“, hieß es etwa aus dem chinesischen Außenamt. Aus Verärgerung darüber bestellte die chinesische Regierung Mitte September 2023 die deutsche Botschafterin ein.

Erst im Juli dieses Jahres hatte die deutsche Bundesregierung erstmals umfassende Leitlinien für ihre Beziehungen zu China eingeführt. Die verabschiedete Strategie zielt darauf ab, einen Weg aufzuzeigen, wie Deutschland seine wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit China weiterentwickeln kann, ohne dabei seine eigenen Werte und Interessen zu gefährden. Annalena Baerbock erklärte damals, dass China für Deutschland sowohl Partner als auch Wettbewerber und systemischer Rivale sei. Die verabschiedete Strategie solle zeigen, „dass wir realistisch sind, aber nicht naiv“.

Video wurde falsch untertitelt

Das aktuell geteilte Video, in dem der chinesische Präsident scheinbar auf Baerbocks Aussage reagiert, ist jedoch manipuliert. Es wurde mit falschen Untertiteln versehen.

Eine Rückwärtssuche nach Ausschnitten aus dem Video führte AFP zum Originalbeitrag. Es handelt sich um eine alte Rede, die Xi Jinping anlässlich der 73. Weltgesundheitsversammlung der Weltgesundheitsorganisation WHO hielt. Die Konferenz fand im Mai und November des Jahres 2020 virtuell statt. Die WHO veröffentlichte die Ansprache des chinesischen Präsidenten vom 18. Mai 2020 (hier archiviert) auf ihrer Website sowie auf ihrem Youtube-Kanal (hier archiviert). Auch auf X hat die WHO den Originalclip geteilt, gleichsam wie die chinesische EU-Mission.

Der Hintergrund, die Krawatte, die Platzierung der Flagge sowie das China-Schild rechts im Bild in diesem Video aus 2020 stimmen mit dem Clip überein, der aktuell in sozialen Medien verbreitet wird und fälschlicherweise einen Zusammenhang zu Baerbock herstellt.

Die chinesische Regierung hat das Transkript der Ansprache des chinesischen Präsidenten bei der Weltgesundheitsversammlung auf Englisch und Chinesisch veröffentlicht. Auch auf der Website der WHO gibt es eine Version des Clips, die auf Englisch synchronisiert wurde. Daraus geht jeweils hervor, dass Xi Jinping über das Coronavirus sprach und etwa ankündigte, dass China über einen Zeitraum von zwei Jahren zwei Milliarden US-Dollar bereitstellen werde, um die Covid-19-Bekämpfung sowie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in betroffenen Ländern, insbesondere in Entwicklungsländern, zu unterstützen. Annalena Baerbock findet in seiner Ansprache keine Erwähnung.

Der chinesische Originalton passt somit nicht zu den deutschen Untertiteln. Diese wurden später eingefügt und sind falsch. Zudem richtet sich Xi Jinping zu Beginn seiner Ansprache direkt an WHO und Weltgesundheitsversammlung. Das Video mit den falschen Untertiteln ist zudem geschnitten, wie auch das Faktencheck-Team der dpa anführte: Teile der Begrüßung zu Beginn der Ansprache werden wiederholt.

Video stammt von Satireaccount

Zuerst geteilt wurde das manipulierte Video am 17. September 2023 auf der Facebookseite „Snickers für Linkshänder„. Im Titelbild trägt der Satireaccount den Schriftzug „Deepfakes für Linksschwurbler“. Das Logo des Accounts ist im Video rechts unten zu sehen. Zu der Seite gehört auch der Account auf X (ehemals Twitter) „Snicklink„, der sich selbst als „Verschwörungs-Komiker“ beschreibt. Der Account postet regelmäßig satirische MemesFotomontagen und manipulierte Videos bekannter Personen. AFP überprüfte in der Vergangenheit bereits solche Videos (etwa hier und hier). Auf X teilte der Account das Video ebenfalls am 17. September 2023. Einen Tag später veröffentlichte der Account auf X ein Meme dazu. Gegenstand davon ist ein vermeintlicher Faktencheck zum Thema. 

Auf Facebook hat der Account das Video eindeutig mit dem Hashtag #Satire gepostet:

Facebook-Screenshot des Postings auf dem Satireaccount: 29. September 2023, Hervorhebungen durch AFP

In den aktuell verbreiteten Clips wurde dieser Hinweis jedoch entfernt, das Video mitunter anders betitelt und zum Teil sogar das Logo des Satireaccounts weggeschnitten. Dass es sich um Satire handeln soll, wird von Nutzerinnen und Nutzern, die diese Beiträge teilen, überwiegend nicht verstanden. „Besser hätte man Baerbock und den Rest der Altparteien und die deutsche Wirtschaft nicht beschreiben können. Traurig aber wahr. Wer grün wählt, wählt den Zerfall von Deutschland“, kommentierte ein User auf Facebook. „Bravo, ich persönlich distanziere mich von der Ampel Partei. Insbesondere von Generation Baerbock und Habeck“, kommentierte eine Userin unter das Video.

Fazit: In einem online verbreiteten Video des chinesischen Präsidenten kritisiert dieser nicht eine Aussage der deutschen Außenministerin. Der Clip wurde mit falschen deutschen Untertiteln versehen. Der Originalbeitrag zeigt eine Rede Xi Jinpings bei einer Versammlung der WHO im Jahr 2020. Das manipulierte Video stammt von einem Satireaccount. 

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Politik

Autor(en): Katharina ZWINS / AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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