Ein online zirkulierendes Video soll angeblich eine Einrichtung der Firma EctoLife zeigen, welche die erste künstliche Gebärmutter der Welt entwickele. Bei dem Clip handelt es sich allerdings nur um eine erfundene Animation. Die Einrichtung existiert in Wahrheit gar nicht und ist auch nicht in Planung. Das bestätigte der Urheber des Videos. Forschende erklärten gegenüber AFP, die im Video gezeigte Animation sei „reine Science-Fiction“.
Dutzende User haben das Video Mitte Dezember 2022 auf Facebook verbreitet. Auf Telegram sahen Tausende entsprechende Beiträge. Dabei wird auch ein Link zur Website des Schweizer Nachrichtenmediums „Blick“ geteilt, das ebenfalls eine Meldung mit der Falschbehauptung zu EctoLife veröffentlichte.
Die Behauptung: „Firma entwickelt die erste künstliche Gebärmutter der Welt“, heißt es auf der „Blick“-Website. Mithilfe von EctoLife ließen sich die Eigenschaften von Designer-Babys vorbestimmen. Ob und wann das Verfahren möglich sei, stehe noch in den Sternen. Laut des Unternehmens sei dies aber gar nicht unwahrscheinlich, schreibt der „Blick“ zum Video. Auf Facebook schreiben User zu dem Video: „Das wird die Zukunft der Menschen“. „Wird mir jetzt zu viel“, schreibt ein Weiterer auf Telegram. In dem dazu geteilten Video wird die Idee hinter EctoLife vorgestellt. Angeblich könne die Einrichtung bis zu 30.000 Babys im Jahr entwickeln.
EctoLife ist ein fiktives Projekt
Eine umgekehrte Bildsuche nach Ausschnitten des Clips führte AFP zu einem am 9. Dezember 2022 veröffentlichten Youtube-Video mit dem Titel „EctoLife: The World’s First Artificial Womb Facility“, zu Deutsch: „EctoLife: Die weltweit erste Einrichtung für künstliche Gebärmütter“. Hochgeladen hat es der in Berlin ansässige Wissenschaftskommunikator und Videoproduzent Hashem Al-Ghaili.
Ab Minute 7:54 erklärt eine Erzählstimme: „Das Konzept der EctoLife-Einrichtung wurde vom Biotechnologen und Wissenschaftskommunikatoren Hashem Al-Ghaili entworfen.“ Bei Minute 8:25 wird ebenfalls eine entsprechende Einblendung gezeigt: „Concept by: Hashem Al-Ghaili“.
Auf AFP-Anfrage erklärte Al-Ghaili am 28. Dezember 2022, das Video sei eine „Animation“, die nur als „Konzept“ gedacht sei. Das Material sei „von den User, die es geteilt haben, aus dem Kontext gerissen“ worden.
„EctoLife ist keine echte Einrichtung und es wird aktuell nicht daran gearbeitet, einen Prototypen zu bauen“, erklärte Al-Ghaili. „Das Video soll zeigen, wie weit die Wissenschaft und reproduktive Technologie gekommen sind und soll eine Debatte darüber anstoßen.“
Auf Al-Ghailis Youtube-Kanal finden sich zudem weitere Videos mit derartigen Animationen, beispielsweise zur Visualisierung eines Science-Fiction Buchs oder einem Hotel im Himmel.
Auf AFP-Anfrage erklärte ein Sprecher der „Blick“-Gruppe am 12. Januar 2023, das Video sei aus dem Angebot der Nachrichtenagentur AP heruntergeladen und genutzt worden, nachdem es zuerst im Dezember 2022 in einem Artikel des britischen Nachrichtemediums „Daily Mail“ erschien. Weiter erläuterte der Sprecher: „Aufgrund ihres Hinweises haben wir uns dazu entschlossen, das entsprechende Video von unserer Homepage zu nehmen.“
Forschung zu künstlichen Gebärmüttern
Forscherinnen und Forscher haben zwar tatsächlich bereits versucht, eine künstliche Gebärmutter zu kreieren, um Frühgeborenen helfen zu können. Die bisherigen Erfolge beschränkten sich allerdings nur auf Tierversuche, zum Beispiel an Lämmern.
Im Oktober 2019 erhielten Forschende im niederländischen Eindhoven einen EU-Zuschuss in Höhe von 2,9 Millionen Euro für die Entwicklung eines Prototypen einer künstlichen Gebärmutter, der Frühgeborenen helfen soll, auch außerhalb der Gebärmutter zu wachsen. Im Oktober 2021 prognostizierten die Forschenden, dass die künstliche Gebärmutter, „Inkubator 2.0“, innerhalb von zehn Jahren Realität werde.
Guid Oei, Leiter des Lehrstuhls für Grundlegende Perinatologie an der Technischen Universität Eindhoven, erklärte auf AFP-Anfrage am 9. Januar 2023: „Es wird aktuell nirgendwo auf der Welt an einer künstlichen Gebärmutter wie in dem animierten Film gearbeitet.“
„In dem Animationsfilm wird gesagt, die Entwicklung des Babys finde komplett außerhalb der Gebärmutter statt. Das ist fern davon, wissenschaftlich möglich zu sein,“ erklärte Oei.
„Woran wir in Eindhoven als Projektleiter eines europäischen Konsortiums arbeiten und woran auch einige Forschungsteams in Amerika und Australien arbeiten, ist die Entwicklung einer verbesserten Version eines Inkubators für extrem frühgeborene Kinder.“ Eine komplette Ektogenese, also die Reifung von Empfängnis bis Geburt außerhalb des menschlichen Körpers, sei nach wie vor „reine Science-Fiction“, so Oei.
Fazit: Bei dem online zirkulierenden Clip handelt es sich um Fiktion. Der Ersteller bestätigte gegenüber AFP, dass es sich bei EctoLife um keine echte Einrichtung handele und aktuell nicht an einer solchen gearbeitet werde. Laut Forschenden der Technischen Universität Eindhoven ist die komplette Entwicklung eines Menschen außerhalb der Gebärmutter nach wie vor „Science Fiction“. Geforscht wird allerdings an verbesserten Brutkästen für extrem frühgeborene Babys.