Auf den Weihnachtsmärkten in Berlin kann und wird Weihnachtsmusik gespielt. Dies steht im Gegensatz zu irreführenden Behauptungen, die sich im Netz auf Ungarisch verbreiten und die einige Nutzer fälschlicherweise mit nicht-christlichen Einwanderern in Verbindung bringen. Die Berliner Stadtverwaltung und der Veranstalter von zwei großen Weihnachtsmärkten in der Stadt erklärten gegenüber AFP, dass es weder ein Verbot noch eine Änderung der Regeln für das Abspielen von Weihnachtsliedern im Jahr 2023 gibt. Die irreführenden Behauptungen scheinen auf Berichten zu beruhen, wonach einige Weihnachtsmärkte sich dafür entschieden haben, keine lizenzpflichtigen Weihnachtslieder zu spielen, um hohe Gebühren zu vermeiden. Die für die Erhebung von Musik-Lizenzgebühren zuständige Gema hatte angekündigt, dass sie die bestehenden Regeln zur Berechnung der Gebühren konsequent durchsetzen will.
„Auf dem Berliner Weihnachtsmarkt darf keine Weihnachtsmusik gespielt werden! Das ist unglaublich!“, heißt es in einem ungarischen Facebook-Post mit wütenden Emojis, der seit seiner Veröffentlichung am 3. Dezember 2023 über 160 Mal geteilt wurde. Ähnliche Behauptungen wurden hier und hier gepostet.
In vielen Kommentaren unter dem Beitrag wurde diese Behauptung mit dem Islam und der Einwanderung in Verbindung gebracht und impliziert, dass die Weihnachtsmusik nicht gespielt werden könne, weil deutsche Behörden eine große Zahl nicht-christlicher Einwanderer nicht beleidigen wollten. „Es würde mich nicht überraschen, wenn sie den Frauen muslimische Kleidung vorschreiben würden“, schrieb ein Nutzer. „Sie lieben die Einwanderer so sehr, das ist es, was sie bekommen!“, schrieb ein anderer. Die ungarische Regierung behauptet regelmäßig — etwa hier — dass es „Pläne“ gebe, die europäische Bevölkerung und die „christliche Kultur“ im Rahmen eines „Bevölkerungsaustauschs“ durch Einwanderer vor allem aus islamischen Ländern zu ersetzen.
Einige Nutzer wiesen jedoch richtigerweise darauf hin, dass die Behauptung irreführend sei und dass es kein Verbot gebe, sondern dass sich nur bestimmte Märkte wegen hoher Lizenzgebühren dagegen entschieden hätten, Musik zu spielen. Dies wurde auch in deutschen Medienberichten bestätigt.
Die Stadtverwaltung von Berlin, die Gema und der Veranstalter von zwei großen Berliner Weihnachtsmärkten erklärten jedoch gegenüber AFP, dass sich die Regeln für 2023 nicht ändern. Weihnachtsmusik darf und werde weiterhin auf den örtlichen Weihnachtsmärkten gespielt. Eine in Berlin ansässige AFP-Journalistin hat auch unabhängig überprüft, dass auf einem Markt weihnachtliche Musik gespielt wurde.
Weihnachtsmusik darf gespielt werden
In Berlin gibt es laut der offiziellen Website der deutschen Hauptstadt (hier archiviert) etwa hundert Weihnachtsmärkte.
Eine AFP-Journalistin in Berlin besuchte am 13. Dezember 2023 den Weihnachtszauber auf dem Gendarmenmarkt und stellte dort ebenfalls fest, dass an einigen Ständen auf dem Platz Weihnachtsmusik gespielt wurde.
Auch Hans-Dieter Laubinger, Organisator des Weihnachtsmarktes am Roten Rathaus und des Köpenicker Weihnachtsmarktes in Berlin, bestätigte am 12. Dezember 2023 gegenüber AFP telefonisch, dass die Behauptungen, es werde keine Musik gespielt, falsch seien. Der Weihnachtsmarkt am Roten Rathaus wird auf der Website von Berlin (hier archiviert) unter den zehn beliebtesten Weihnachtsmärkten aufgeführt. „Das ist Unsinn. Niemand hat uns verboten, Weihnachtsmusik zu spielen“, sagte Laubinger am 12. Dezember in einem Telefoninterview mit AFP.“Es ist allein Sache des jeweiligen Veranstalters, Weihnachtslieder zu spielen. Ich wüsste nicht, welche Person oder Institution uns das verbieten würde“, sagte er.
Laubinger sagte, dass er auf seinen Weihnachtsmärkten weiterhin lizenzierte Weihnachtsmusik spiele. Wie einige andere Marktveranstalter hat auch er sich jedoch entschlossen, die Kosten für die Lizenzgebühren zu senken. Er sagte, er habe keine große Bühne mehr wie vor einigen Jahren, sondern spiele nur noch Musik auf der Eislauffläche, die sich auf dem Weihnachtsmarkt befindet.
Wie in vielen anderen Ländern ist auch in Deutschland für die kommerzielle Nutzung von lizenzierter Musik eine Lizenzgebühr zu entrichten (hier archiviert). In Deutschland ist eine staatlich beaufsichtigte Gesellschaft — die sogenannte Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) — für die Verwaltung der Gebühren für verschiedene Nutzungen von lizenzpflichtiger Musik, wie etwa das Abspielen von Musik bei öffentlichen Veranstaltungen, zuständig. (hier archiviert).
Die Gema erklärte gegenüber AFP, dass es kein Verbot von Weihnachtsmusik gibt.“Die Gema kann und will Musik nicht verbieten“, so Ursula Goebel, die Direktorin für Kommunikation der Gema, in einer E-Mail an AFP vom 7. Dezember 2023.“Die Gema hat den Tarif, nach dem die Musik auf Weihnachtsmärkten lizenziert wird, im vergangenen Jahr nicht verändert. Und natürlich wünschen wir uns, dass Musik in diesem Land gespielt wird“, schrieb sie weiter.
AFP wandte sich auch an die Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, die für die örtlichen Weihnachtsmärkte zuständig ist (hier archiviert). Sie bestätigte, dass Musik auf Weihnachtsmärkten ohne Einschränkung gespielt werden kann.
Der Sprecher der Senatsverwaltung, Matthias Kuder, schrieb AFP in einer E-Mail vom 6. Dezember 2023, dass die Behauptungen über ein Verbot von Weihnachtsliedern auf Weihnachtsmärkten „falsch“ seien. „Es stimmt, dass in Deutschland beim Abspielen von Musik bei öffentlichen Veranstaltungen Gema-Regeln beachtet werden müssen und Gebühren anfallen können, aber das ist nichts Neues. Und schon gar nicht ein Verbot“, schrieb er.
Berichte über möglicherweise höhere Lizenzgebühren
Auf der Website der Gema wird erklärt (hier archiviert), dass Musikstücke, deren Urheber vor mehr als 70 Jahren verstorben sind (hier archiviert), wie zum Beispiel „Stille Nacht“ oder „We Wish You A Merry Christmas“, live gespielt werden können, ohne dass dafür Abgaben gezahlt werden müssen, aber verschiedene Wiedergaben dieser Stücke durch einen Künstler können dennoch als lizenzierte Musik gelten können.
Die Organisation erklärt, dass etwa die Werke von Mozart oder Beethoven von Musikern gespielt werden können, ohne dass Gebühren anfallen, dass aber eine bestimmte Aufnahme durch ein Ensemble dennoch Gegenstand von Lizenzgebühren sein kann.
Bei modernen Stücken, die oft mit Weihnachten in Verbindung gebracht werden (wie „Last Christmas“ oder „All I Want For Christmas Is You“), müssen sogar für eine Live-Version Tantiemen gezahlt werden, die anhand verschiedener Kriterien berechnet werden (hier archiviert), zum Beispiel der Art der Veranstaltung, ihrer Dauer und der Höhe des Eintrittspreises.
Ende November 2023 berichteten verschiedene deutsche Medien über Weihnachtsmärkte in Deutschland, die wegen der Lizenzgebühren möglicherweise auf solche Weihnachtsmusik verzichten würden.
„Bald starten in Berlin die Weihnachtsmärkte, und mancherorts wird es keine musikalische Berieselung geben. Grund: Die Veranstalter müssen für Gema-Gebühren deutlich tiefer in die Tasche greifen“, schrieb der Rundfunk Berlin Brandenburg, RBB (hier archiviert). In dem Artikel wird erklärt, dass einige Märkte möglicherweise mit höheren Gebühren rechnen müssen, und zwar nicht, weil sie erhöht wurden, sondern wegen der Art und Weise, wie die Gesamtsumme berechnet wird: Die Gesamtfläche der Märkte sollte berücksichtigt werden, nicht nur die Fläche vor der Bühne, auf der die Musik gespielt wird.
Die Nachrichtenseite der ungarischen Staatsmedien zitierte diese Nachricht ebenfalls mit dem irreführenden Titel: „Ein trauriger Advent in Deutschland: Auf dem Berliner Weihnachtsmarkt darf keine Weihnachtsmusik gespielt werden“. In dem Bericht von hirado.hu ist zu lesen, dass auf dem „Berliner Weihnachtsmarkt“ — als ob es sich um eine einzige Veranstaltung oder einen einzigen Ort handele — „keine Weihnachtsmusik zu hören“ sei, und behauptet fälschlicherweise, dass dies daran liege, dass „die Organisation, die die Musiklizenzen verwaltet, die Lizenzgebühren verzehnfacht hat“.
Manche Märkte entschieden, auf lizenzierte Musik zu verzichten
Ein Artikel von Deutschlandfunk Kultur erklärt (hier archiviert), dass die Regeln zur Berechnung der Gebühren nicht neu sind und ein Bundesgericht bereits 2011 in einer Entscheidung (hier archiviert) klargestellt hat, dass bei Musik, die bei öffentlichen Veranstaltungen gespielt wird, die gesamte Fläche der Veranstaltung in der Berechnung der Gebühr berücksichtigt werden muss.
Auch die Gema veröffentlichte am 30. November 2023 eine Pressemitteilung (hier archiviert) mit dem Titel „Gema stellt klar: Keine Gebührenerhöhung für Weihnachtsmärkte“, in der sie schreibt, dass sich weder die Höhe der Gebühren noch die Art und Weise, wie sie berechnet werden, ändert.
Die Organisation sagte, sie wolle nur die bestehenden Regeln durchsetzen, nachdem die Gema festgestellt habe, „dass einige Märkte ihre Flächen nicht korrekt angemeldet haben“ und fügte hinzu: „Kein Weihnachtsmarkt muss auf Musik verzichten, nur weil diese Musik durch die Gema lizenziert wird“.
Deutschen Medienberichten zufolge haben mehrere Marktveranstalter gegen die Vorschriften protestiert und sie als ungerecht bezeichnet. „Kindermusik hört man nach 20 Metern nicht mehr, und wir sollen Gebühren für 2000 Quadratmeter bezahlen“, sagte etwa Tobias Frietzsche, der Organisator des Weihnachtsmarktes (hier archiviert) auf der Domäne Dahlem in Berlin-Zehlendorf, dem RBB.
Einige haben beschlossen, bei ihren Veranstaltungen entweder keine oder nur lizenzfreie Musik zu spielen.“Wir planen keine zentrale Beschallung, sondern nur Bläser und Musiker, die rein nach Noten spielen, die gemafrei sind“, sagte Sebastian Buchmann, Leiter des Weihnachtsmarktes vor dem Schloss Charlottenburg.
Fazit: Auf Berliner Weihnachtsmärkten darf und wird Weihnachtsmusik gespielt. Die Behauptungen, die in den sozialen Medien auf Ungarisch geteilt wurden und von ungarischen Staatsmedien verstärkt wurden, sind falsch. Der Hintergrund der Debatte um Weihnachtsmusik sind die Lizenzgebühren, welche die Gema von den Betreibern der Märkte einhebt.