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Doch, es existiert ein wissenschaftlicher Konsens über den menschengemachten Klimawandel

Die überwiegende Mehrheit der Klimaforschenden ist sich einig: Vom Menschen verursachte Treibhausgasemissionen verursachen einen globalen Temperaturanstieg. Der menschengemachte Klimawandel ist in zahlreichen wissenschaftlichen Studien beschrieben und belegt. Online wird allerdings Kritik an einer häufig genannten Auswertung aus dem Jahr 2013, wonach 97 Prozent der untersuchten Arbeiten zum Klimawandel, den Menschen als dessen Hauptverursacher ausmachten. Dies gehe angeblich nicht aus der Arbeit hervor, die Zahl sei methodisch „aufgeblasen“ worden. Diese Kritik wurde allerdings von mehreren Forschenden im Gespräch mit AFP zurückgewiesen. Der eindeutige Konsens in der Klimaforschung und die Rolle des Menschen für die globale Erwärmung wurde zudem seither in zahlreichen weiteren Studien aufgezeigt. 

Dutzende User teilten Ende November 2022 einen Artikel auf Facebook, der den Konsens in der Klimaforschung in Frage stellt. Der Text kursiert bereits seit 2019 auch auf Twitter und Telegram. Die darin geteilte Kritik wurde mehrfach in ähnlicher Form auf anderen Blogs weiterverbreitet (hier, hier), so auch vom Europäischen Institut für Klima und Energie (Eike), einem Verein, der immer wieder mit Klimawandelleugnung auffällt (hier, hier).

Die Behauptung: In dem kursierenden Text heißt es, die Behauptung, es herrsche ein Konsens von 97 Prozent über den menschengemachten Klimawandel, sei falsch. Der Prozentsatz gehe aus einer 2013 erschienenen Arbeit hervor und sei methodisch aufgeblasen worden. In der Auswertung verschiedener wissenschaftlicher Artikel zum Klimawandel sei zudem lediglich gezeigt worden, dass 97 Prozent der untersuchten Artikel lediglich anerkennen, dass der Mensch zum Klimawandel beiträgt, nicht dass er dessen Hauptverursacher ist. Außerdem seien von den untersuchten Arbeiten nur solche in die Auswertung für den Prozentsatz einbezogen worden, die eine Meinung über die Rolle des Menschen für den Klimawandel formuliert hatten, also nur etwa ein Drittel aller Arbeiten.

Facebook-Screenshot: 28.11.2022

Immer wieder stellen Nutzerinnen und Nutzer in sozialen Netzwerken die Existenz des menschengemachten Klimawandels infrage. AFP prüfte in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang etwa Behauptungen, wonach die Erderwärmung natürlich und nicht ungewöhnlich sei oder dass für die Klimaerwärmung nicht der Mensch, sondern die Sonne oder Veränderungen in der Erdumlaufbahn verantwortlich seien. AFP hat zudem Behauptungen widerlegt, Medien würden mit Hilfe selektiver Temperaturdaten oder manipulierter Wetterkarten die Situation besonders dramatisch darzustellen. Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.

Als Autor des aktuell kursierenden Texts wird der US-Ökonom Robert Murphy genannt. Dieser bezeichnet sich in seinem Beitrag als Co-Autor eines Beitrags des Cato-Instituts, der sich gegen eine CO2-Steuer in den USA ausspricht. Dieser US-Think Tank vertritt auf seiner Website die Position, dass der Klimawandel zwar existiere, es aber ausreichend Zeit bleibe, um diesem mit der Entwicklung neuer Technologien entgegenzuwirken. Der Weltklimarat IPCC, eine Institution der Vereinten Nationen zur Bewertung des voranschreitenden Klimawandels, betont allerdings, dass die kommenden Jahre entscheidend seien, um die Erderwärmung zu begrenzen

Forschende bestätigen Konsens zum Klimawandel

Murphy übt in seiner Arbeit Kritik an der Auslegung einer 2013 erschienenen Meta-Studie unter der Führung von John Cook mit dem Titel „Quantifizierung des Konsenses über die vom Menschen verursachte globale Erwärmung in der wissenschaftlichen Literatur“. Die Studie wertete 11.944 Arbeiten aus, die zwischen 1991 und 2011 erschienen und sich mit den Themen Klimawandel oder globale Erwärmung befassten.

In der Zusammenfassung der Meta-Studie heißt es: „Von den Beiträgen, die eine Position zur anthropogenen globalen Erwärmung zum Ausdruck brachten, unterstützten 97,1 Prozent die Konsensposition, dass der Mensch die globale Erwärmung verursacht.“ Die Studie deute darauf hin, dass nur ein geringer Teil der veröffentlichten Forschung diesen Konsens ablehne, schließt die Studie.

Weiter wird in der Studie erklärt, fast zwei Drittel der ausgewerteten Arbeiten hätten in ihren Zusammenfassungen keine Stellung dazu bezogen, ob der Klimawandel menschengemacht sei oder nicht. Die aus der Meta-Studie errechnete Prozentsatz von 97,1 Prozent zum Konsens über den menschengemachten Klimawandel ergibt sich folglich nur aus den Arbeiten, die explizit Stellung bezogen.

Robert Murphy kritisiert dies in dem aktuell auf Facebook verbreiteten Artikel. Von AFP befragte Klimaforschende können dies allerdings nicht nachvollziehen. Während die Studie sich zwar nur auf den Teil der Forschenden bezieht, die dazu eine Einschätzung abgaben, so ist die Einigkeit zum menschengemachten Klimawandel in der Wissenschaft trotzdem überwältigend.

So erklärte Dirk Notz, Professor für Klimaforschung an der Universität Hamburg und Co-Autor des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats, am 30. November 2022 im Gespräch mit AFP, die online kursierende Kritik sei methodisch nicht haltbar und „irreführend“. Zwar sei Kritik an der Kommunikation der Ergebnisse der 2013 erschienenen Meta-Studie legitim. Das Argument, nur ein Drittel der untersuchten Arbeiten hätten überhaupt Stellung bezogen, funktioniere aber nicht. Hierfür nennt Notz ebenfalls ein Beispiel:

„Wenn man sich Arbeiten zu Schmetterlingslarven in Südafrika anschaut, wird niemand etwas dazu sagen, ob der Mensch Hauptverursacher des Klimawandels ist.“ Das bedeute aber wiederum nicht, dass diese Arbeiten das leugnen.

Weiter betonte Notz: „Nur weil die Aussage nicht aus der Arbeit folgt, ist sie nicht automatisch falsch.“ Zudem habe es auch nach der Meta-Studie von 2013 weitere Arbeiten gegeben, die diese grundsätzliche Frage nach dem Konsens bestätigt hätten. Es sei sicher, dass Menschen zum Klimawandel beitragen und überaus wahrscheinlich, dass sie dessen Hauptverursacher sind. Das hätten auch die Berichte des Weltklimarates gezeigt.

„Die Bewertungen in den IPCC-Berichten, die die gesamte wissenschaftliche Literatur zum Thema eingeordnet haben, kommen zu der Aussage: ‚Es ist eine Tatsache, dass Menschen zum Klimawandel beitragen und sie sind sehr wahrscheinlich der Hauptverursacher.'“  IPCC-Berichte gelten als Zusammenfassung des aktuellen Stands der Wissenschaft zu dem Thema.

Auch Wilfried Endlicher, Professor für Geowissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, erklärte am 29. November 2022 gegenüber AFP, Kritik sei in der Wissenschaft zwar legitim und gehöre zum Grundsatz wissenschaftlicher Arbeit. In diesem Fall sei die Kritik aber „bewusst tendenziös verzerrt“. Forschende, die sich mit der Klimakrise befassen, gingen implizit fast ausschließlich davon aus, dass der Mensch der Hauptverantwortliche des Klimawandels sei, so Endlicher. „Das ist seit den 1980er- beziehungsweise 1990er-Jahren so selbstverständlich, dass man das in Forschungsaufsätzen nicht mehr explizit betont; man käme sich dumm vor.“ Das anzuzweifeln sei hingegen tendenziös, denn den Autoren der Kritik sei dies „selbstverständlich bewusst“.

Weiter erklärte Endlicher, es spiele letztlich keine Rolle, ob das Ergebnis bei 90, 96 oder 97 Prozent liege. Die Arbeit sei dennoch verlässlich. Der Konsens darüber, dass die Klimakrise hauptsächlich bis ausschließlich menschengemacht ist, gebe es schon seit Jahrzehnten. Schon seit „Anfang der 1990er Jahre bestanden praktisch keinerlei Zweifel mehr, weil sich jetzt auch in den weltweiten Klima-Messdaten eine globale Erwärmung manifestierte“.

Kevin McConway, emeritierter Professor für angewandte Statistik an der Open University in Großbritannien. Er betonte am 23. September 2022 gegenüber AFP, dass es seltsam sei die erhobenen 97 Prozent als etablierten Fakt zu behandeln, wenn dieser nur aus einer einzelnen Studie hervorgehe. „Es ist ein wenig unfair, das ganze Problem auf diese Studie zu schieben – es ist die Art und Weise, wie sie weiterverwendet wurde.“ Die Prozentzahl sei über die Wissenschaft hinaus als politisches Instrument weiter genutzt worden.

Es sei schwer zu sagen, ob es statistisch korrekt war, diejenigen auszulassen, die keine Meinung zum Konsens formuliert hatten. „Man kann darüber streiten, ob es überhaupt sinnvoll ist, die Untersuchung auf diese Weise durchzuführen, aber wenn man es tut, ist es meiner Meinung nach fair, die 66 Prozent, die nicht geantwortet haben, zu verwerfen.“

Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, schrieb am 30. November 2022 an AFP, der Kritik fehle jede Grundlage. Zu verlangen, in jeder Arbeit seine Zustimmung darüber auszudrücken, dass der Mensch Hauptverursacher der Erwärmung ist, sei unsinnig. „Jede Arbeit hat ihren eigenen Fokus. Die Kritik ignoriert, bewusst oder aus Ignoranz, die Lebenswirklichkeit der Klimaforschung.“ Auch nach Betrachtung des letzten IPCC-Berichts gebe es „keinerlei ernstzunehmenden Argumente“ dafür, dass die Studie von 2013 falsch lag.

Auch die deutsche Bundesregierung äußerte sich zu der Kritik an der 2013 erschienenen Meta-Studie in einer Antwort auf eine Anfrage der AfD-Fraktion aus dem Jahr 2019. Darin heißt es, die Arbeit aus dem Jahr 2013, aus der die Zahl von 97 Prozent der Wissenschaftler stammt, werde mittlerweile durch aktuellere Studien ergänzt.

Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Menschen nach Bereichen Wetterextremen, Nahrung und Wasser, Krankheiten und Sonstiges.

Konsens über menschengemachten Klimawandel wiederholt bestätigt 

In der Antwort der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 wird erläutert, auch nach 2013 seien weitere Arbeiten erschienen, die die Ergebnisse von Cook stützten. Die  Regierung gehe davon aus, „dass rund 99 Prozent der Wissenschaftler, die Fachaufsätze zum Klimaschutz veröffentlichen, der Überzeugung sind, dass der Klimawandel durch den Menschen verursacht ist.“

Dazu wird auf eine Meta-Studie aus dem Jahr 2016 verwiesen, die zu diesem Ergebnis kam. Für die Auswertung wurden mehr als 50.000 wissenschaftliche Artikel aus den Jahren 1991 bis 2015 untersucht.

Die Bundesregierung beruft sich zudem auf die in den Berichten des Weltklimarates formulierten Erkenntnissen zum menschengemachten Klimawandel. Anfang August 2021 veröffentlichte der Weltklimarat IPCC seinen sechsten Bericht zum Zustand des Klimas auf der Erde. Im Fazit des IPCC-Berichts von 2021 heißt es: „Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt hat.“

Auch die Helmholtz-Klima-Initiative betont online, dass zahlreiche voneinander unabhängige Studien den wissenschaftlichen Konsens zum menschengemachten Klimawandel immer wieder bestätigen. So zählte eine Studie im Jahr 2010, wie viele Klimaforschende Deklarationen für oder gegen die Konsensposition zur menschengemachten Erderwärmung unterzeichneten. So kam die Studie zu dem Schluss, dass 97 bis 98 Prozent der Forschenden den Konsens stützen. Zudem konnte gezeigt werden, dass Personen, die den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel bezweifeln, im Schnitt nur etwa halb so viele wissenschaftliche Veröffentlichungen vorzuweisen hatten, wie jene, die dem Konsens zustimmten.

Eine Aufstellung des „Office of Planning and Research“, einem Forschungsinstitut der kalifornischen Regierung, listet zudem rund 200 Wissenschaftsorganisationen auf der ganzen Welt auf, die ebenfalls die Auffassung teilen, dass der Klimawandel menschengemacht ist.

Zudem veröffentlichten mehr als 40 meteorologische Gesellschaften aus zahlreichen Staaten im Jahr 2021 eine gemeinsame Stellungnahme, in der es hieß: „Die Auswirkungen der vom Menschen verursachten Treibhausgase auf das Klima sind zunehmend und überwältigend deutlich. Die drei wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen (…) traten alle seit dem Pariser Abkommen von 2015 zur Begrenzung des Klimawandels auf.“

Auch zahlreiche von AFP kontaktierte Experten bestätigen das. So erklärte etwa Stefan Brönnimann, Professor für Klimatologie am Geographischen Institut der Universität Bern am 11. August 2021 für einen Faktencheck zum Anteil des Menschen an der aktuellen Erderwärmung: „Der Mensch trägt zum überwiegenden Teil zum aktuell ablaufenden Klimawandel bei.“ Aiko Voigt, Professor am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien, sagte in diesem Zusammenhang am 12. August 2021: „Natürliche Antriebsfaktoren spielen praktisch keine Rolle.“ Matthias Mauder, Professor für Meteorologie an der Technischen Universität Dresden schrieb am 3. Juni 2022 für einen weiteren Faktencheck: „Diese Erwärmung wäre ohne die Verbrennung fossiler Brennstoffe nicht denkbar. Solange die Menschheit weiterhin CO2 durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in die Atmosphäre emittiert, wird diese Erwärmung weitergehen.“

Fazit: Der Konsens zum menschengemachten Klimawandel wird durch Kritik an der 2013 erschienenen Meta-Studie nicht infrage gestellt. Zahlreiche weitere Arbeiten, Forschende und wissenschaftliche Einrichtungen stützen seit Jahren die Vorstellung des Menschen als Treiber des Klimawandels. Laut Expertinnen und Experten ist sehr sicher, dass der Mensch dessen Hauptverursacher ist. In wissenschaftlichen Arbeiten seinen Standpunkt zum Konsens in der Klimaforschung nicht kundzutun, bedeutet nicht, dass Studienautorinnen und -autoren diese Auffassung nicht teilen.

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Wissenschaft, Umwelt

Autor(en): Saladin SALEM, AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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