EU-bezogene Desinformation hat vor der Europawahl weiter zugenommen

Im Mai war der Anteil der von GADMO erfassten Desinformation über die EU noch höher als im April, er stieg von 11 auf 15 Prozent. In diesen Falschinformationen wurde die EU hauptsächlich als korrupt dargestellt oder als ein Bündnis, das sich gegen die nationalen Interessen richtet.

Der Anteil der Desinformation über den Klimawandel betrug dagegen nur noch die Hälfte im Vergleich zum Vormonat. Es kursierten auch weniger Falschinformationen über die Ukraine und den Krieg im Nahen Osten. Zu diesem Ergebnis kommt das monatliche Briefing des EDMO-Netzwerks. Die 34 Organisationen, die dazu beigetragen haben, veröffentlichten im Mai 2024 insgesamt 1.643 Faktenchecks. Von diesen Beiträgen beschäftigten sich 250 (15%) mit der EU, 152 (9%) mit dem Krieg im Nahen Osten, 121 (8%) mit der Ukraine, 104 (6%) mit dem Klimawandel, 104 (6%) mit Covid-19, 97 (6%) mit Migration und 6 (2%) mit LGBTQ+ und Genderfragen.

Desinformation über die EU im Vorfeld der Europawahl

In vielen Falschmeldungen über die EU wurden führende Vertreter der EU angegriffen. So geriet Ursula von der Leyen ins Visier und es wurden ihr Verbindungen zum Nationalsozialismus sowie Interessenskonflikte bei der Bewältigung der Pandemie unterstellt. Auf X wurde ein Foto geteilt, das angeblich zeigte, wie sie im Europäischen Parlament verhaftet wurde. In Frankreich kursierte die Behauptung, von der Leyen sei „von niemandem gewählt“ worden, was Teil eines weit verbreiteten Narrativs ist, das die EU-Institutionen als undemokratisch darstellt.

Im Laufe des Monats tauchten in einigen Ländern auch Falschmeldungen über Manipulation und Betrug im Vorfeld der Europawahl auf. Insbesondere in Deutschland kursierte die Behauptung, dass Stimmzettel mit Löchern oder abgeschnittenen Ecken von vornherein ungültig seien, dass die Stimmabgabe für die AfD strengeren Regeln unterliege oder dass diese Partei von den Europawahlen ausgeschlossen worden sei. Andere falsche Behauptungen schienen darauf abzuzielen, die Bürger zu veranlassen, ihre rechtmäßige Stimmabgabe ungültig zu machen, indem sie Mehrfachabstimmungen oder Unterschriften auf den Stimmzetteln vorschlugen, was letztlich  zu einer Ungültigkeit der Stimme geführt hätte. Solche Falschbehauptungen kursierten auch in Spanien.

Es wurde außerdem europaweit behauptet, dass die Gesetzgebung der Europäischen Union die Mitgliedsstaaten und ihre Bürger gefährde. Viele Falschinformationen bezogen sich auf den kürzlich verabschiedeten Asyl- und Migrationspakt und stellten dessen Konsequenzen übertrieben dar. So wurden beispielsweise falsche Zahlen über die Anzahl der Migranten verbreitet, die von den Mitgliedstaaten aufgenommen werden sowie über die finanziellen Mittel, die dafür aufgebracht werden müssen. Diese Rhetorik wurde auch von Politikern im Wahlkampf verwendet.

Im Einklang mit diesem Narrativ wurden Beiträge verbreitet, die eine EU-Mitgliedschaft als nachteilig darstellten. Es wurde behauptet, dass die EU ihren Mitgliedsländern unfaire wirtschaftliche Bedingungen und eine übermäßige Bürokratie auferlege, dass die Einführung des Euro in Kroatien zu einer Verdoppelung der Preise geführt habe, dass die Einführung der europäischen digitalen Identität kurz bevorstehe und die Bürger vollständig kontrollieren werde und dass die Europäische Zentralbank den digitalen Euro einführe und zu Überwachungszwecken das Bargeld abschaffe.

Andere relevante Desinformationsnarrative

Im Mittelpunkt der Desinformation im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine im Mai stand die angebliche Eskalation des Krieges. In mehreren Falschmeldungen wurde die Anwesenheit von Soldaten aus EU-Mitgliedstaaten, insbesondere aus Frankreich, in der Ukraine erwähnt. Es wurde  behauptet, dass es eine direkte Beteiligung von NATO-Bodentruppen gebe. Diese Falschmeldungen waren in mehreren Ländern weit verbreitet.

In anderen Beiträgen wurde behauptet, dass eine militärische Mobilisierung im Gange sei oder dass der Westen den Krieg begonnen habe, um sich Russlands Bodenschätze anzueignen. Gleichzeitig wurden russische Bedrohungen für die Sicherheit der EU übertrieben dargestellt und es wurde behauptet, dass schwere militärische Aktionen unmittelbar bevorstünden.

Das Attentat auf den slowakischen Premierminister Robert Fico am 15. Mai löste eine Flut von Falschmeldungen aus. Eine der am weitesten verbreiteten Falschmeldungen war, dass die Frau des Attentäters eine geflüchtete Ukrainerin sei. Andere Falschmeldungen brachten den Attentäter mit dem ukrainischen Geheimdienst in Verbindung und versuchten, Kiew für den Anschlag verantwortlich zu machen. Auch Motive im Zusammenhang mit der Pandemievereinbarung der WHO oder mit George Soros wurden hinter den Schüssen vermutet.

In der Slowakei wurde der Anschlag sofort genutzt, um die ohnehin schon stark polarisierte öffentliche Meinung weiter zu verschärfen. So wurden gefälschte Bilder geteilt, auf denen der Attentäter mit Martin Šimečka, Journalist und Vater des Mitbegründers der größten slowakischen Oppositionspartei, zu sehen war. Andere Inhalte brachten den Attentäter mit der LGBTQ+-Gemeinschaft in Verbindung. Darüber hinaus wurde fälschlicherweise behauptet, dass die größte Oppositionspartei die Gewalttat unterstützt habe.

Vor der Europawahl verbreitete sich in vielen EU-Ländern erneut einwanderungsfeindliche Desinformation, die rassistische und fremdenfeindliche Stimmungen anheizte. Migranten wurden wie gewohnt als privilegiert, gewalttätig und zahlenmäßig überlegen gegenüber EU-Bürgern dargestellt.

Obwohl die Zahl der Falschmeldungen zu LGBTQ+-Themen gering war, hatten sie dennoch eine erhebliche Sichtbarkeit und zielten meist darauf ab, die LGBTQ+-Gemeinschaft zu dämonisieren. Beispielsweise wurde behauptet, dass sexuell explizite Bücher an Kinder verteilt würden, um sie zu verderben. Darüber hinaus wurde ihr Einfluss auf die politische Sphäre stark übertrieben dargestellt.

Die am weitesten verbreiteten Falschbehauptungen im Mai

Neben der Falschmeldung, dass die Frau des Attentäters, der den slowakischen Premierminister Fico angegriffen hat, eine geflüchtete Ukrainerin sei, kursierten noch weitere Falschbehauptungen:

  • Bilder, Videos und andere Inhalte, die eine Eskalation des Kriegs in der Ukraine suggerieren und diese mit einer direkten Beteiligung des Westens bzw. der NATO am Konflikt erklären.
  • Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre habe erklärt, warum die USA den Nationalsozialismus in der Ukraine unterstützen.
  • Die UNO habe Angaben zur Zahl der getöteten palästinensischen Kinder und Frauen im Gazastreifen halbiert.
Falschinformationen mit nationalem Schwerpunkt

Spanien: Pro-europäische Demonstranten in Georgien hätten den Hitlergruß gezeigt.

Irland: Die Anzahl der Nicht-EU-Bürger, die sich im vergangenen Jahr illegal in Irland aufhielten, sei die höchste in Europa und betrage das Zehnfache des EU-Durchschnitts.

Slowenien: In Slowenien würden Kinder geschlechtsangleichenden Operationen unterzogen, sobald sie beim Spielen solche Wünsche geäußert hätten.

Frankreich: Die Zahl der Tötungsdelikte in Frankreich habe sich in den letzten 15 Jahren vervierfacht.

Methodik

Die in diesem Briefing enthaltenen Informationen wurden mittels eines Fragebogens erhoben, der an die Mitgliedsorganisationen des EDMO-Faktencheck-Netzwerks geschickt wurde. Bezugszeitraum: 1. bis 31. Mai 2024. Anzahl der Befragten: 34. Hauptherausgeber dieses Dokuments: Tommaso Canetta und Enzo Panizio, Pagella Politica/Facta.

Organisationen, die zu diesem Briefing beigetragen haben: 15min, AFP, APA, BNT Provereno, Correctiv, Delfi, Demagog.cz, Demagog.pl, Demagog.sk, Eesti Päevaleht, EFE Verifica, Ellinika Hoaxes, Fact Check Cyprus, FactReview, Faktabaari, FranceTV, Freedom House Romania, Greece Fact Check, Källkritikbyrån, Knack, InfoVeritas, Les Surligneurs, Logically Facts, Maldita, Medizin transparent, Newtral, Oštro, PagellaPolitica/Facta, Polígrafo, Re:Baltica, The Journal Fact-Check, TjekDet, VerificaRTVE.

Das ausführliche Briefing auf Englisch mit weiteren Informationen zu Falschinformationen in verschiedenen EU-Staaten finden Sie hier.

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