Bewertung
Den Begriff «Enteignung» in diesem Kontext zu benutzen, ist falsch – er meint etwas anderes. Auch soll Sparern nichts weggenommen werden, da die geplante Initiative nach aktuellem Stand Investitionen auf freiwilliger Basis fördern soll.
Fakten
Die Behauptung folgt auf einen X-Beitrag, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 10. März 2025 postete. Darin hieß es umter anderem (übersetzt): «Europa hat alles, was es braucht, um im Rennen um die Wettbewerbsfähigkeit die Führung zu übernehmen. Diesen Monat wird die @EU_Commission die (Europäische) Spar- und Investitionsunion vorstellen. Wir werden private Ersparnisse in dringend benötigte Investitionen umwandeln».
Auf der Webseite der EU-Kommission wurden dafür Informationen zur Leitlinie der sogenannten Europäischen Spar- und Investitionsunion (SIU) veröffentlicht. Demnach soll Geld beschafft werden, «insbesondere indem Kleinanleger mit einfachen und kostengünstigen Spar- und Anlageprodukten und durch geeignete steuerliche oder sonstige Anreize dazu angeregt werden, sich am Kapitalmarkt zu beteiligen».
Darüber, ob die EU-Kommission etwa Privatvermögen gegen den Willen der Eigentümer nutzen oder verwenden will, ist nichts in dem Dokument zu lesen. «Ich möchte, dass die europäischen Sparer eine faire Rendite auf ihre Ersparnisse erhalten. Und ich möchte, dass europäische Unternehmen und Innovatoren Zugang zu den Finanzmitteln haben, die sie brauchen, um unsere Wirtschaft voranzubringen», fasste Maria Luís Albuquerque, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, das Konzept zusammen.
Anreiz statt Zwang
Im Zuge dessen wurden Interessenvertreter um Feedback gebeten; über ein Portal konnten sich Experten, Unternehmen, Organisationen oder etwa Banken zu dem Vorhaben äußern und Anmerkungen machen. Bis zum Einsendeschluss wurden dort 241 Kommentare eingereicht. Sie sind öffentlich einsehbar, ebenso wie das Vorhaben und die Bitte zur Stellungnahme.
Die Pläne zur SIU wurden bereits im Juli 2024 in von der Leyens «Politischen Leitlinien» vor ihrer Wiederwahl zur EU-Kommisionspräsidentin benannt. Die Konsultationsphase endete am 3. März. Nun muss der Vorschlag von der Kommission genehmigt werden. Dies ist für das zweite Quartal 2025 vorgesehen. Danach wird das Konzept an das Europäische Parlament und den Europäischen Rat weitergeleitet.
«Enteignung» nur gegen Entschädigung
Der Begriff Enteignung wird herkömmlich als «Entzug des Eigentums durch den Staat» definiert, wie es etwa auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) beschrieben ist. Demnach kann der Staat – mit rechtlichen Hürden – in Sonderfällen Privateigentum entziehen, wenn es dem «Wohl der Allgemeinheit» dient. Etwa wenn eine Autobahn neu gebaut wird und die geplante Strecke über Privatgrundstücke verläuft.
Eine Enteignung folgt in der Regel auf Absprachen, beziehungsweise nach Verhandlungen zwischen Privatperson und Staat: Kommt es zu keiner zufriedenstellenden Einigung, kann der Staat zum Beispiel Grundstücke oder Immobilien enteignen – und den Besitzer dafür entschädigen. Die Beteiligten können die Höhe solcher Entschädigungen juristisch aushandeln.
Eine «Enteignung privater Sparguthaben» ist also nicht möglich, denn der Enteignung folgt eine finanzielle Entschädigung. Ende 2024 hatte bereits eine Aussage von Friedrich Merz mit einer ähnlichen Behauptung kursiert – die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hatte auch dazu im vorangegangenen November einen Faktencheck veröffentlicht.
(Stand: 18.3.2025)