Bewertung
Unterschiede im Lohnniveau, des Steuersystems, der Beitragszeit und der Rentenstruktur machen solche Vergleiche schwierig. Eine zulässige Argumentation wäre, dass die Nettoersatzrate – also die Rente im Verhältnis zum vorherigen Nettolohn – in Italien und Spanien deutlich über dem deutschen Wert liegt. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die absolute Rentenhöhe oder die reale Kaufkraft der Renten in diesen Ländern höher ist. Die Behauptung im Video jedenfalls bleibt sehr ungenau. Pauschale Aussagen zur Rentenhöhe in europäischen Ländern sind ohne notwendige Einordnung oftmals irreführend.
Fakten
Staatliche Rentensysteme lassen sich im Allgemeinen schwer miteinander vergleichen, wie etwa beim Bundesarbeitsministerium (BMAS) nachzulesen ist. Mit Blick auf spezielle Angaben lassen sich aber Aussagen treffen. Im Video werden viele pauschale Behauptungen getätigt, etwa von «höheren Renten», ohne klare Orientierung. Eine Quelle wird nicht genannt.
In Deutschland basiert die Altersvorsorge überwiegend auf dem Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung. So sind die Rentenbeiträge vergleichsweise niedrig, ergänzt wird das Modell von optionalen betrieblichen und privaten Säulen. Italien und Spanien setzen hingegen stärker auf beitragsbezogene oder staatlich gestützte Systeme mit Mindestrenten und höheren Beiträgen für Arbeitgeber.
Wie bereits ein früherer Faktencheck der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklärt, ist der Vergleich der sogenannten Nettoersatzrate ein Ansatz, den zum Beispiel die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem Bericht «Pensions at a Glance» anwendet, um die unterschiedlichen Systeme zu untersuchen.
Relative Werte machen Vergleich schwierig
Die Nettoersatrate stellt den Anteil der potenziellen Nettorente im Verhältnis zum letzten Nettoeinkommen dar. Den Zahlen des OECD-Berichts zufolge ersetzen Italien (82,6 Prozent) und Spanien (86,5 Prozent) einen deutlich größeren Anteil als Deutschland (55,3 Prozent) im Verhältnis zum letzten Nettoeinkommen beim Renteneintritt eines männlichen Durchschnittsrenters (Seite 157).
Dabei handelt es sich um eine Modellrechnung für einen fiktiven Durchschnittsverdiener mit einer lückenlosen Erwerbsbiografie bis zum regulären Renteneintrittsalter. Tatsächliche Rentenhöhen können davon deutlich abweichen, etwa bei Gering- oder Spitzenverdienern oder bei Frauen. Außerdem sind das relative Werte, die allein keine Rückschlüsse auf absolute Rentenhöhe oder die Kaufkraft geben.
Dazu kommt der Vergleich des Brutto-Durchschnittlohns – im OECD-Bericht Average Wage (AW) genannt (Tabelle 7.5, Seite 205). Dieser lag in Deutschland 2022 bei 55 041 Euro im Jahr, in Italien waren es 33 855 und in Spanien 28 360 Euro. Multipliziert man diese Löhne mit den jeweiligen Nettoersatraten, zeigt sich, dass die durchschnittlich ausgezahlte Rente in Deutschland tatsächlich ähnlich hoch, beziehungsweise etwas höher ist als in den anderen EU-Staaten. Weitere Faktoren beeinflussen und erschweren einen Vergleich: etwa die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Land.
Unterschiedliche Rahmenbedingungen
In Deutschland liegt der Rentenbeitrag bei 18,6 Prozent, in Italien bei 33 Prozent. Der Anteil des Arbeitnehmers liegt jeweils bei knapp über 9 Prozent, während der Arbeitgeber den Rest trägt. Während die deutsche Rente von Beitragsjahren und Entgeltpunkten bestimmt wird, orientieren sich die Systeme in Südeuropa stärker an pauschalen Berechnungsmodellen oder Mindestsätzen.
Auch die Beitragssätze, Renteneintrittsalter und staatlichen Zuschüsse unterscheiden sich. In manchen Ländern wird die Rente zudem an die Inflation angepasst, in anderen an die Lohnentwicklung. Zusätzlich dazu sind Staaten unterschiedlich stark vom demografischen Wandel betroffen. Eine weitere umfangreiche Analyse zu Rentensystemen bietet der jährlich publizierte Mercer CFA Institute Global Pension Index. Dort wird Deutschland höher eingestuft als Italien und Spanien.
Auf Anfrage der dpa betonte das BMAS, Vergleiche mit anderen Staaten seien «meist problematisch». Generell ist die Berechnung der Bezüge in EU-Staaten sehr komplex und von vielen Faktoren abhängig. Internationale Vergleiche seien oft ungenau und demnach irreführend.
(Stand: 8.10.2025)
