Falschinformationen zum Israel-Hamas-Konflikt dominieren Faktenchecks im Oktober

Kein anderes Thema beschäftigte die Faktencheck-Teams im EU-weiten EDMO-Netzwerk seit Mai 2022 so intensiv wie die Lage im Nahen Osten im Oktober 2023.

Zu diesem Ergebnis kommt das monatliche Briefing des EDMO-Netzwerks, zu dem 35 Faktencheck-Organisationen beigetragen haben, die im Oktober insgesamt 1.576 Faktenchecks veröffentlicht haben. Mehr als ein Drittel (36%) der Beiträge beschäftigte sich mit dem Israel-Hamas-Konflikt. Zum Vergleich: Im April 2022 hatte der Anteil der Faktenchecks zum Krieg in der Ukraine 43 Prozent betragen, nach knapp 6o Prozent im März – der mit Abstand höchste Wert seit Beginn der Erhebungen im Juni 2021.

Hinweis: Die in den folgenden Absätzen verlinkten Beispiele zeigen teils drastische Bilder.

Eines der Hauptnarrative der Falschinformationen über den Israel-Hamas-Konflikt ist die Rechtfertigung der Aktionen der Hamas, indem Israel Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, wie z.B. die angebliche Bombardierung einer Kirche in Gaza oder den Einsatz von Phosphor-Bomben. Andere Narrative konzentrierten sich auf die Entmenschlichung von Terroristen (mithilfe von Falschmeldungen, die die ohnehin schon schrecklichen Aktionen der Hamas-Milizen übertrieben darstellten) und auf eine überzogene Darstellung der Unterstützung für die Hamas und ihrer militärischen Erfolge.

In vielen Falschmeldungen wurden diejenigen, die Israel zur Achtung der Menschenrechte aufriefen, des Antisemitismus beschuldigt, oder denjenigen, die Solidarität mit palästinensischen Zivilisten zeigten, unterstellt, die Hamas zu unterstützen. Später im Oktober verbreiteten sich in ganz Europa weitere Desinformationsnarrative, in denen behauptet wurde, dass der Konflikt und seine Grausamkeiten inszeniert seien (z. B. Einsatz von Krisenschauspielern/Pallywood-Verschwörungstheorien) – oder das Gegenteil, nämlich dass der Krieg eskaliere. Es kursierten Falschinformationen zu angeblichen Kriegserklärungen von Nachbarländern, erfundenen Statements und Aktionen von politischen Akteuren und angeblichen riesigen – und manchmal gewalttätigen – pro-palästinensischen Demonstrationen.

Verbreiter von Falschinformationen nutzten die Situation im Nahen Osten auch aus, um die Angst vor Terroranschlägen oder Hass gegen Migrant:innen zu schüren. Die wichtigste Desinformationstechnik war dabei die Verwendung alter Bilder und Videos, die mit irreführenden Untertiteln versehen waren, um den Eindruck zu erwecken, sie stünden im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen. Gelegentlich wurden auch KI-generierte Bilder aufgespürt, die jedoch – bis jetzt – nicht sonderlich relevant sind.

Die am weitesten verbreiteten Narrative im Oktober

In den am weitesten verbreiteten Falschmeldungen in der EU ging es dann auch ausschließlich um den Israel-Hamas-Konflikt:

  • Alte Bilder und Videos, die mit neuen Untertiteln versehen wurden, um die aktuelle israelische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung in Gaza darzustellen (z.B. syrische Opfer, die als Palästinenser ausgegeben wurden)
  • Krisenschauspieler, die palästinensische Opfer der israelischen Gewalt in Gaza darstellen („Pallywood“)
  • Ein Video von Kindern in einem Käfig, die angeblich von der Hamas während des Angriffs am 7. Oktober entführt wurden
  • Manipulierte oder falsch beschriftete Bilder, um die Unterstützung für Palästina aus der ganzen Welt übertrieben darzustellen (z. B. Flagge auf Denkmälern / Flagge im Stadion / riesige Demonstrationen)
  • Die Falschinformation, die BBC habe berichtet, dass die Ukraine Waffen an die Hamas schickte

Entwicklung der Arbeit zu Ukraine-Krieg, Klimawandel, EU und Migrant:innen

Der Anteil an Faktenchecks im EDMO-Netzwerk über den Krieg in der Ukraine ging im Vergleich zum Vormonat leicht zurück (von 10% auf 8%), der Anteil an Beiträgen zu Covid-19 stieg leicht (von 5% auf 6%), ebenso wie der Anteil an Faktenchecks zu Behauptungen mit EU-Bezug (von 3% auf 4%). Der Anteil an Beiträgen über den Klimawandel sank um vier Prozentpunkte auf 5%. Neben den üblichen Verschwörungstheorien und der Leugnung des Klimawandels konzentrierte sich die Desinformation in diesem Bereich auf die Diskreditierung erneuerbarer Energiequellen. Vor allem in den skandinavischen Ländern wurde behauptet, dass Windparks Plastik freisetzen oder Nutztiere vergiften.

Im Oktober hat das EDMO-Faktencheck-Netzwerk zudem damit begonnen, den Anteil von Falschinformationen zu zwei weiteren Themen zu monitoren, und zwar zu LGBTQ+ (1%) und Migrant:innen (4%).  Auch wenn der relative Prozentsatz der insgesamt aufgedeckten Falschbehauptungen über Migrant:innen relativ gering ist, waren diese in einigen Ländern wie Deutschland und Spanien besonders weit verbreitet. Es wurde behauptet, auch von Politiker:innen, dass Migrant:innen versuchten, die bestehende Ordnung zu stürzen und Polizisten anzugreifen – oder dass sie anderen ihre Religion oder Lebensweise aufzwingen möchten. Migrant:innen werden des Weiteren als hoher Kostenfaktor für die jeweiligen Aufnahmeländer beschrieben – zu diesem Ergebnis kommt auch eine kürzlich durchgeführte EDMO-Analyse zum Thema Desinformation über Migrant:innnen.

Falschinformationen mit nationalem Schwerpunkt

In der Slowakei kursierte die Falschmeldung, dass die EU Sanktionen gegen Mitgliedstaaten verhänge, die keine Migrant:innen aufnehmen.

In Lettland machte die Falschinformation die Runde, französische Medien hätten berichtet, dass ukrainische Geflüchtete für die Bettwanzenepidemie in Frankreich verantwortlich seien.

In Deutschland wurde die Falschmeldung verbreitet, dass mehrere Menschen ins Krankenhaus eingeliefert worden seien, nachdem sie eine CD mit Liedern aus dem Koran berührt hatten, die angeblich mit einer gefährlichen chemischen Substanz versehen worden und in Briefkästen gesteckt worden war.

Methodik

Die in diesem Briefing enthaltenen Informationen wurden mittels eines Fragebogens erhoben, der an die Mitgliedsorganisationen des EDMO-Faktencheck-Netzwerks geschickt wurde. Bezugszeitraum: 1. bis 31. Oktober 2023. Anzahl der Befragten: 35. Hauptherausgeber dieses Dokuments: Tommaso Canetta und Enzo Panizio, Pagella Politica/Facta.

Organisationen, die zu diesem Briefing beigetragen haben: 5min, AFP, Correctiv, Delfi, Demagog.cz, Demagog.pl, Demagog.sk, DPA, DW, Eesti Päevaleht, EFE Verifica, Ellinika Hoaxes, Eurocomunicare, Factcheck Vlaanderen, FactReview, Faktabaari, Faktisk, Funky, Greece Fact Checking, Källkritikbyrin, Knack, Lakmusz, Maldita, Newtral, Nieuwscheckers, PagellaPolitica/Facta, Polígrafo, Pravda, Publico, Re:Baltica, The Journal Fact-Check, Times of Malta, TjekDet, VerificaRTVE, Verificat.

 

Das ausführliche Briefing in Englisch mit weiteren Informationen zu Falschinformationen in verschiedenen EU-Staaten finden Sie hier.

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