Bewertung
Die Tatverdächtigen-Statistik lässt sich nicht mit der deutschen Wohnbevölkerung ins Verhältnis setzen. Das hat unter anderem etwas mit kriminellen Touristen aus dem Ausland zu tun, aber auch mit deutschen Straftätern im Ausland.
Fakten
Um herauszufinden, wo in der viralen Grafik der Fehler liegt, muss man zunächst die Schritte nachvollziehen, die bei dieser «eigenen Berechnung» unternommen wurden.
Wie in der Grafik vorgegangen wurde
Die Macher der Grafik haben fälschlicherweise die Anzahl der Tatverdächtigen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamtes (BKA) ins Verhältnis gesetzt zu den hierzulande gemeldeten Menschen derselben Gruppe, wie sie das Statistische Bundesamt (destatis) veröffentlicht. Also nach dem Muster:
- 2023 gab es der PKS zufolge (Download) über alle Straftaten hinweg 720.666 männliche, ausländische Tatverdächtige.
- Gleichzeitig lebten nach destatis-Angaben in der Bundesrepublik rund 7,3 Millionen nichtdeutsche Männer.
- Schlussfolgerung: Das entspreche nach «eigene[r] Berechnung» einem Anteil von 9.865 Tatverdächtigen pro 100.000 männlichen, ausländischen Einwohnern.
Auf dieselbe Weise berechnen die Macher der Grafik diese sogenannte Tatverdächtigenbelastungszahl für ausländische Frauen. Und genauso setzen sie die deutschen männlichen und weiblichen Tatverdächtigen aus der PKS (Download) ins Verhältnis zur entsprechenden deutschen Bevölkerung.
Tatverdächtige und Wohnbevölkerung nicht vergleichbar
Doch gerade für ausländische Tatverdächtige ist dieser Dreisatz völlig abwegig, wie es selbst in der PKS eindeutig erklärt ist (S. 41): Während in der Kriminalitätsstatistik bestimmte Ausländergruppen wie beispielsweise Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis, Touristen, Durchreisende, Grenzpendler oder stationierte Streitkräfte mitgezählt werden, kommen diese Menschen in der Statistik der Wohnbevölkerung gar nicht vor.
Soll heißen: Von den nichtdeutschen Tatverdächtigen wohnt ein nicht geringer Teil gar nicht in der Bundesrepublik. Doch wie sehen die Zahlen genau aus? Dazu weiter unten gleich mehr.
Doch zunächst kommt noch hinzu, dass andererseits deutsche Kriminelle mit Wohnsitz in der Bundesrepublik wiederum nicht in die deutsche PKS einfließen, wenn sie im Ausland etwa als Urlauber oder Geschäftsreisende Straftaten begehen. Sie fallen quasi einfach unter den Tisch.
Es ist also schlicht nicht möglich, aus der PKS einen angeblich höheren oder tieferen Kriminalitätsanteil pro Bevölkerungsgruppe auszuweisen.
Warum die Grafik aber auch noch falsch liegt
Bei der Zahl der Tatverdächtigen schließt die Grafik ausländerrechtliche Verstöße nicht aus – also etwa Straftaten gegen das Aufenthalts-, das Asyl- und das Freizügigkeitsgesetz in der Europäischen Union, die in der PKS unter Straftatenschlüssel 725000 aufgeführt sind.
Bei diesen Straftaten gibt es der PKS zufolge (S. 30) aber fast nie einen deutschen Tatverdächtigen. Ein Anstieg in dieser Straftatengruppe steht allein im Zusammenhang mit höheren Zuwanderungszahlen.
Zieht man ausländerrechtliche Verstöße (Straftatenschlüssel: 890000) ab, so gab es 2023 nach PKS-Angaben (Download) 546.054 ausländische, männliche Tatverdächtige bei den übrigen Straftaten.
Was hat es mit dem Wohnsitz auf sich?
Von diesen 546.054 ausländischen, männlichen Tatverdächtigen lebten der PKS zufolge (Download) 57.390 gar nicht in Deutschland. Bei weiteren 86.816 gab es keinen festen oder nur einen unbekannten Wohnsitz.
Das heißt: Von den 720.666 tatverdächtigen Ausländern waren in Deutschland nur 401.848 gemeldet. Das sind fast 320.000 weniger, als die Grafik für ihre Berechnungsgrundlage nimmt.
Auch demografische Faktoren bei PKS wichtig
In Deutschland lebende Ausländer sind im Schnitt deutlich jünger als Menschen mit deutschem Pass. Das ist nicht unbedeutend, denn Rentner sind viel weniger kriminell als jüngere Menschen.
Für deutsche Staatsbürger ist das in der Kriminalstatistik für 2023 nachzulesen (Download): Bei Menschen im Alter von 60 Jahren und älter gab es 1.043 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner derselben Altersklasse, während es bei jungen Erwachsenen im Alter von 21 bis 22 Jahren 6.241 Tatverdächtige waren. Bei 16- bis 17-Jährigen lag die Zahl sogar bei 7.125.
Das heißt: Rentner drücken den Anteil der Tatverdächtigen an der Wohnbevölkerung herunter. Und von ihnen gibt es anteilig viel mehr bei den deutschen Staatsbürgern als bei Ausländern: Von den 71,3 Millionen Deutschen, die Ende 2023 in der Bundesrepublik lebten, war dem Statistischen Bundesamt zufolge fast ein Viertel (24,8 Prozent) 65 Jahre und älter. Bei den 13,9 Millionen Ausländern in Deutschland lag der Anteil nur bei 9,0 Prozent.
Grundsätzlich ist zu bedenken, wenn man mit Zahlen aus der PKS hantiert: Die Statistik trifft keinerlei Aussage darüber, ob eine Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde der Auffassung der Polizei etwa in Bezug auf die Tatverdächtigen oder die mutmaßlich begangene Tat folgt. Auch gibt sie keine Auskunft, ob die Tatverdächtigen später von einem Gericht schuldig gesprochen wurden oder nicht.
(Stand: 17.03.2025)