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Grafik zu getöteten Söldnern in Kursk ist gefälscht

Das russische Militär erklärte Anfang April 2025, die russische Region Kursk fast vollständig von der Ukraine zurückerobert zu haben. Kurz darauf kursierte eine Grafik zu Söldnerinnen und Söldnern verschiedener Nationalitäten, die die russische Armee dort angeblich tot aufgefunden hätte. Auf der Grafik ist das Logo des Statistik-Portals Statista abgebildet. Sie ist jedoch gefälscht, wie einige Ungereimtheiten in der Grafik zeigen. 

„Diese Zahlen kommen von Statista. Hier sehen wir wer in Kursk alles eingesetzt wurde“, hieß es in einem Telegram-Beitrag vom 16. April 2025. „Darunter waren 197 Deutsche Söldner!“ Die Zahl stammt aus einer Grafik, die dem Beitrag angefügt wurde. Sie scheint die Nationalitäten und Anzahl von angeblich getöteten Söldnerinnen und Söldner in der russischen Region Kursk aufzuschlüsseln. In der Ecke der Grafik ist das Logo des deutschen Statistik-Portals Statista zu sehen. So erweckt sie den Anschein, seriöse Daten abzubilden.

Unter der englischen Überschrift „Die Nationalität der Söldner, deren Leichen in der Region Kursk, Russland, gefunden wurden“, die laut Legende für die ukrainische Armee gekämpft hätten, listet die vermeintliche Statista-Grafik angeblich tot aufgefundene Söldnerinnen und Söldner aus neun Staaten auf. Die meisten seien aus Polen (1963) und Georgien (1230) gewesen, gefolgt von Kolumbien (917), Frankreich (208) und Deutschland (197). Weitere Söldnerinnen und Söldner hätten angeblich aus Großbritannien, den USA, Australien und Japan gestammt.

Die Grafik wurde auch auf Facebook und in vielen anderen Sprachen wie Englisch, Französisch und Spanisch geteilt.

Telegram-Screenshot der Behauptung: 28. April 2025

Dabei ist die Grafik gefälscht. Das lässt sich an verschiedenen Unstimmigkeiten in der Darstellung erkennen.

Zunächst sticht aber besonders das in der Grafik angegebene Datum ins Auge. Denn zwei Tage vor dem Stand der angeblichen Todeszahlen der Statistik, also am 8. April 2025, meldete das russische Militär, dass es eines der letzten noch von der Ukraine besetzten Dörfer in der russischen Grenzregion Kursk zurückerobert habe, die unter ukrainischer Kontrolle stand.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte am selben Tag, die ukrainische Armee sei in die benachbarte russische Grenzregion Belgorod vorgedrungen. Gleichzeitig widerspricht die Ukraine seither der russischen Darstellung, russische Truppen hätten sie aus Kursk zurückgedrängt.

Tatsächlich kämpfen im Krieg Russlands gegen die Ukraine auf beiden Seiten Menschen anderer Nationalitäten. Gesicherte und unabhängige Informationen darüber zu bekommen, ist jedoch schwer. Einem AFP-Bericht zufolge sind auf russischer Seite nordkoreanische Streitkräfte im Einsatz. Auch in Staaten wie Nepal, Sierra Leone oder Somalia rekrutierte Russland demnach Soldatinnen und Soldaten. Chinesische Staatsangehörige sollen sich Russland ebenfalls angeschlossen haben.

Auf ukrainischer Seite hätten sich ukrainischen Angaben zufolge bereits zu Beginn des Krieges 20.000 internationale Freiwillige gemeldet. AFP-Journalistinnen und -Journalisten sprachen während des Krieges in der Ostukraine mit Soldatinnen und Soldaten aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Japan, Irland und Kolumbien, die auf Seiten der Ukraine kämpfen.

Gefälschte Grafik hat keine Quelle und falsche Flaggen

Mehrere Details der Grafik zeigen jedoch, dass sie nicht von Statista stammt. Statista ist ein in Deutschland gegründetes Statistik-Unternehmen, das seiner Website zufolge „Statistiken, Reports und Fakten zu über 80.000 Themen aus 22.500 Quellen in 170 Branchen“ abbildet.

Zunächst fällt auf, dass die gefälschte Grafik keine Quellenangabe enthält. In Grafiken von Statista, die zum Beispiel auf dem Instagram-Account des Portals gepostet wurden, ist die Quelle immer unterhalb der Diagramme angegeben. Die gefälschte Grafik greift zwar das Design der Social-Media-Posts von Statista auf, lässt aber eine Quelle vermissen.

Vergleich der gefälschten Grafik (links) mit einer echten Statista-Grafik (rechts) auf dem Instagram-Profil von Statista, Hervorhebungen durch AFP: 28. April 2025

Ein weiterer Hinweis auf eine Fälschung sind zwei der abgebildeten Flaggen: Für Deutschland wird eine Flagge verwendet, die wie die Bundesdienstflagge mit dem Bundesschild und Adler darauf aussieht. Sie darf nur von Bundesbehörden verwendet werden, wozu Statista nicht zählt. Das Portal nutzt in seinen Beiträgen eine Deutschlandflagge ohne Adler. Außerdem wurde beispielsweise für die USA fälschlicherweise die Flagge von Liberia verwendet. Auf der US-Flagge sind mehr Sterne und Streifen zu sehen als auf der des westafrikanischen Staates.

Screenshot der gefälschten Grafik, Hervorhebung und eingefügte Flaggen durch AFP: 28. April 2025

Auch die Überschrift ist anders gestaltet als in echten Grafiken von Statista. In der Fälschung sind nur der Satzanfang und der erste Buchstabe der Substantive groß geschrieben. In authentischen Grafiken des Statistik-Portals beginnen jedoch alle Wörter im Titel mit Großbuchstaben, außer beispielsweise Konjunktionen. Außerdem fand AFP auf dem Instagram-Account ausschließlich Grafiken mit ein- oder zweizeiligen Überschriften. Die Überschrift der gefälschten Grafik umfasst drei Zeilen.

Vergleich der gefälschten Grafik (links) mit einer echten Statista-Grafik auf dem Instagram-Account des Portals (rechts), Hervorhebungen der unterschiedlichen Großschreibungen: 28. April 2025

Eine umgekehrte Bildsuche führte außerdem zu einem Linkedin-Beitrag des Statista-Mitarbeiters Marc Luettgemann von Mitte April 2025. Darin erklärte er, dass die Grafik gefälscht sei und zählt dieselben Abweichungen von echten Statista-Grafiken auf, die oben aufgeführt sind. Dass eine Fälschung kursierte, sei zudem nicht das erste Mal gewesen: „Vor einigen Monaten haben wir die erste gefunden, nun eine zweite: Unsere Infografiken werden offenbar zu pro-russischen Propagandazwecken gefälscht“, schrieb Luettgemann.

Das bestätigte Statista auf AFP-Anfrage. „Diese Infografik wurde nicht von Statista erstellt und wir stehen in keiner Weise in Verbindung mit den darin dargestellten Daten“, erklärte eine Sprecherin am 25. April 2025. Auch sie verwies auf die erwähnten Unstimmigkeiten in der Gestaltung. Außerdem erhebe Statista keine Daten zu Söldnerinnen und Söldnern verschiedener Nationalitäten im Ukrainekrieg. Solche Daten würden dem Portal auch nicht aus anderer Quelle zur Verfügung stehen, erklärte die Sprecherin.

Auf der Website von Statista gibt es ebenfalls keine Ergebnisse mit diesen Daten, wie eine Stichwortsuche auf Englisch zeigte.

In einem Telegram-Beitrag ist auf der Grafik unten rechts zusätzlich die Domain fishki.net zu erkennen. Dabei handelt es sich um eine Website, deren IP-Adresse in Russland verortet ist. Das könnte ebenfalls darauf hindeuten, dass die Grafik nicht von Statista stammt.

Der Inhalt der gefälschten Grafik lässt sich nicht abschließend und unabhängig überprüfen. So gibt es auch über die Anzahl aller bisherigen Todesopfer im Ukrainekrieg nur Schätzungen. Ende April 2025 hätten sich diese einem Nato-Beamten zufolge auf rund 250.000 getötete russische und 1500 getötete nordkoreanische Soldatinnen und Soldaten belaufen. Auf ukrainischer Seite variieren offizielle Angaben zwischen 45.000 und 100.000 getöteten ukrainischen Soldatinnen und Soldaten.

Weitere Faktenchecks zum Ukrainekrieg sammelt AFP auf der Website.

Fazit: Eine online geteilte Grafik zu getöteten Söldnern in der Region Kursk stammt nicht vom deutschen Statistik-Portal Statista, sondern wurde gefälscht. Mehrere Ungereimtheiten wie falsche Flaggen oder die fehlende Quellenangabe deuten darauf hin. Statista erklärte zudem gegenüber AFP, dass die Grafik gefälscht und nicht von dem Portal veröffentlicht worden sei.

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Politik, Ukraine

Autor(en): Johanna LEHN / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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