Im Dezember hat sich der Anteil an Desinformationen zum Klimawandel, die in EU-Sprachen verbreitet und von den EDMO-Faktenchecker:innen überprüft wurden, mehr als halbiert: Er sank von 13 Prozent, die hauptsächlich auf Falschinformationen über die Flutkatastrophe in Spanien zurückzuführen waren, auf 6 Prozent. Dies geht aus dem Dezember-Briefing des EDMO-Netzwerks hervor, an dem 31 Factchecking-Organisationen aus Europa mitgewirkt haben.
Von den 1.481 im Dezember veröffentlichten Faktenchecks befassten sich 130 (9%) mit dem Krieg in der Ukraine, 87 (6%) mit dem Klimawandel, 83 (5%) mit der EU, 75 (6%) mit COVID-19-bezogenen Falschinformationen, 52 (3%) mit Immigration und 35 (2%) mit LGBTQ+- und Genderthemen sowie 22 (1%) mit dem Krieg im Nahen Osten.
Falschinformationen über den Sturz des Assad-Regimes in Syrien
Im Dezember kursierten mehrere Falschinformationen über Syrien, wo oppositionelle Kräfte das Regime von Präsident Baschar al-Assad stürzten, Damaskus eroberten und Assad zur Flucht nach Russland zwangen, womit die über 50-jährige Herrschaft der Assad-Familie beendet wurde. Der Anstieg dieser Falschmeldungen fiel mit einer verstärkten Medienberichterstattung über Syrien in europäischen Medien zusammen – dass Desinformation oft auf große Medienaufmerksamkeit folgt, ist ein bekanntes Muster.
Der Großteil der irreführenden Inhalte, die in sozialen Medien in EU-Sprachen verbreitet wurden, diente als Clickbait und zeigte angebliche Fotos und Videos von Assad, befreiten Gefangenen, Geheimgefängnissen, Folterstätten und brutalen Hinrichtungen. Oft wurden Bilder oder Videos aus dem Kontext gerissen, in einigen Fällen kamen auch KI-generierte Inhalte zum Einsatz.
Einige Falschbehauptungen zielten darauf ab, angeblich negative Folgen des Machtwechsels darzustellen. So wurden Ängste und Islamophobie geschürt, indem behauptet wurde, dass Massen an syrischen Geflüchteten in die EU kommen würden, um ihre Kultur aufzuzwingen, oder dass der politische Wandel zu schlechteren Bedingungen für Frauen im Land führen würde. Es gibt jedoch derzeit keine konkreten Beweise dafür, dass Russland, ein wichtiger Verbündeter Assads, eine hybride Kriegsführung oder eine Desinformationskampagne gegen die neuen syrischen Behörden gestartet hat. Dieser Umstand könnte mit laufenden Verhandlungen über russische Militärbasen in Syrien und allgemein über die Zukunft der Beziehungen zwischen Damaskus und Moskau zusammenhängen.
Weihnachtsmärkte und Islamophobie, Schusswaffenangriff und Transphobie
Nach dem Angriff auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg am 20. Dezember, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen, verbreiteten sich Desinformationen, die das Ereignis nutzten, um islamfeindliche und migrationskritische Narrative zu verbreiten. In sozialen Netzwerken wurde fälschlicherweise behauptet, dass der Angriff vom IS organisiert worden sei und dass der Täter während der Festnahme „Allahu Akbar“ gerufen habe. Ein weit verbreitetes Video, das dies angeblich belegen sollte, wurde jedoch als Fälschung entlarvt. Die Behörden gehen davon aus, dass der Täter durch rechtsextreme Propaganda radikalisiert wurde.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich auf einem Weihnachtsmarkt im französischen Bordeaux, auf dem vor der Eröffnung ein Brand ausbrach. Dieser wurde online instrumentalisiert, um zu behaupten, er sei von „islamischen Extremisten“ gelegt worden – in Wahrheit handelte es sich um einen Unfall, das Feuer wurde durch eine Fritteuse ausgelöst. Weitere Falschmeldungen versuchten, die Ereignisse in Deutschland mit angeblich sicheren Weihnachtsmärkten in Ungarn zu vergleichen, um ein negatives Bild der deutschen Märkte zu zeichnen.
Über diese Einzelvorfälle hinaus verstärkten Falschmeldungen allgemein migrationskritische Stimmungen und langjährige falsche Narrative, die Migranten als Gegner westlicher Traditionen (wie Weihnachten) und demokratischer Werte darstellten. In Deutschland, Frankreich, Spanien, Litauen, Griechenland und anderen EU-Ländern wurden Bilder aus dem Zusammenhang gerissen, um angeblich massive regierungsfeindliche Proteste in Polen zu zeigen, die angeblich sehr gut besuchte Kundgebungen gegen Migration und zur Verteidigung des Christentums beinhalteten.
Nach dem Schusswaffenangriff an einer Schule in Wisconsin, USA, am 16. Dezember zielten Falschinformationen auf die LGBTQ+-Community ab. Es wurde behauptet, die mutmaßliche Schützin sei trans gewesen. Dies folgt einem inzwischen bekannten Muster der Desinformation: Nach solchen Angriffen werden oft falsche Narrative verbreitet, die eine sekundäre Zielgruppe beschuldigen. So wurden beispielsweise in den USA nach dem Anschlag mit einem Pick-up-Truck in New Orleans am 1. Januar 2025 Migranten als Sündenböcke herangezogen.
Andere relevante Narrative
Am 6. Dezember annullierte der rumänische Oberste Gerichtshof die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien, da laut rumänischen Geheimdiensten der kaum bekannte prorussische Kandidat Călin Georgescu, der bereits häufiger Verschwörungstheorien verbreitet hat, gegen rumänische Wahlgesetze verstoßen und dank russischer Einflussnahme unerwartet viele Stimmen erhalten hatte. Die Operation umfasste Cyberangriffe auf die elektronische Wahlinfrastruktur und Desinformationskampagnen auf verschiedenen Plattformen, insbesondere TikTok. In anderen Ländern wurde die Situation genutzt, um zu behaupten, die Annullierung sei Teil eines Staatsstreichs, während Georgescu-Anhänger angeblich massenhaft verhaftet wurden. In Rumänien verbreitet sich politische Desinformation rasant; darin wird behauptet, dass das Land in den Ukraine-Krieg eintreten werde oder die Bürger durch die NATO gefährdet seien.
Die im November kursierenden Falschnachrichten über eine angebliche bevorstehende Eskalation des Krieges in der Ukraine verbreiteten sich auch im Dezember in Europa und behaupteten, dass ein Dritter Weltkrieg bevorstehe . Es wurde zudem behauptet, dass Europa ein Interesse daran habe, den Konflikt auszuweiten. Dies wird von zahlreichen bekannten russischen Propagandameldungen begleitet, wie der Behauptung, Ukrainer bereicherten sich an der Situation. Ferner wurde angedeutet dass die Medienberichterstattung aufgezwungen und voreingenommen und dass die Ukraine ein autoritärer Staat sei.
Die Veröffentlichung eines Berichts des US-Parlaments zur Pandemie und die Ernennung eines bekannten Impfgegners zum Gesundheitsminister durch den gewählten US-Präsidenten Trump wurden genutzt, um fälschlicherweise zu behaupten, die USA hätten schlüssige Beweise für die künstliche Herkunft des Coronavirus zugegeben und dass die Impfstoffe ungetestet und tödlich gewesen seien.
Die am weitesten verbreiteten Falschbehauptungen im Oktober
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll angeblich das Hotel Palace des Neiges im französischen Skigebiet Courchevel für 88 Millionen Euro gekauft haben.
- Hollywood-Stars wie Mel Gibson, Denzel Washington und Robert Downey Jr. sollen eine „Anti-Woke-Filmgesellschaft“ gegründet haben.
- Ein hochansteckendes unbekanntes Virus soll 79 Menschen im Kongo getötet haben, nachdem ein Impfstoff der Bill Gates Foundation verteilt wurde.
- Donald Trump soll geplant haben, alle Organisationen von George Soros aus der amerikanischen Politik zu verbannen.
Falschinformationen mit nationalem Schwerpunkt
Spanien: Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), habe über die „Abschaffung von Bargeld“, um den „Klimawandel zu stoppen“, gesprochen.
Deutschland: Dänemark habe ein Verbot von Regenbogenflaggen verhängt.
Griechenland: Portugal habe eine Gedenkmünze im Wert von 7 Euro herausgegeben, um Cristiano Ronaldo zu ehren.
Methodik
Die in diesem Briefing enthaltenen Informationen wurden mittels eines Fragebogens erhoben, der an die Mitgliedsorganisationen des EDMO-Faktencheck-Netzwerks geschickt wurde. Bezugszeitraum: 1. bis 31. Dezember 2024. Anzahl der Befragten: 31. Hauptherausgeber dieses Dokuments: Enzo Panizio and Tommaso Canetta, Pagella Politica/Facta.
Organisationen, die zu diesem Briefing beigetragen haben: 15min, AFP, APA, Correctiv, Delf, Demagog.cz, Demagog.pl, Demagog.sk, DPA, DW, Eesti Päevaleht, EFE Verifca, Ellinika Hoaxes, Factcheck Vlaanderen, Factico, FactReview, Faktisk, Funky, InfoVeritas, Lakmusz, Maldita, Newtral, Oštro, PagellaPolitica/Facta, Polígrafo, Pravda, Re:Baltica, The Journal Fact-Check, TjekDet, VerifcaRTVE, Verifca.
Das ausführliche Briefing auf Englisch mit weiteren Informationen zu Falschinformationen in verschiedenen EU-Staaten finden Sie hier.