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Kamala Harris kann legal US-Präsidentin werden

Am 21. Juli 2024 verkündete US-Präsident Joe Biden seinen Rückzug aus dem Wahlkampf 2024 – und seine Unterstützung einer Kandidatur von Kamala Harris. Seitdem zirkulieren online zahlreiche Falschinformationen über die derzeitige US-Vizepräsidentin Harris, darunter die Behauptung, sie erfülle aufgrund ihrer familiären Herkunft nicht die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für das Amt. Das ist jedoch falsch: Ihre Eltern sind zwar aus Jamaika und Indien in die USA eingewandert, doch Harris selbst wurde im US-Bundesstaat Kalifornien geboren. Legal spricht nichts gegen ihre Kandidatur, wie Expertinnen und Experten gegenüber AFP bestätigten.

Kaum hatte Joe Biden am 21. Juli 2024 das Ende seiner Kampagne für eine zweite Amtszeit verkündet und seine Unterstützung für die Kandidatur von Kamala Harris erklärt, verbreiteten sich in sozialen Medien zahlreiche abwertende Falschinformationen über US-Vizepräsidentin. Auf Facebook wird etwa behauptet, Kamala Harris dürfe gar nicht rechtmäßig Präsidentin der Vereinigten Staaten werden, „weil sie und ihre Eltern keine gebürtigen Amerikaner sind“.

„Aus der Geburtsurkunde von Kamala Harris geht hervor, dass zum Zeitpunkt ihrer Geburt keiner ihrer Eltern US-Staatsbürger war“, schrieb ein X-Nutzer und teilte dazu ein Foto von Harris Eltern sowie einer Geburtsurkunde. „Kamala Harris = Anchor Baby. Solche können nicht ins Amt treten“, heißt es in einem Telegram-Post, der zehntausendfach geklickt wurde.

Diese und ähnliche Aussagen verbreiteten sich viral in englischsprachigen Kanälen auf FacebookX, Threads und Tiktok.

Telegram- und Facebook-Screenshots der Behauptung: 23. Juli 2024

Ähnliche Behauptungen über Kamala Harris kursierten bereits im Jahr 2020, als sie von Biden zur Vizepräsidentin ernannt wurde. AFP und andere Faktencheck-Organisationen haben einige dieser Falschinformationen in der Vergangenheit bereits widerlegt.

Keine gesetzlichen Hürden für eine Präsidentschaft von Kamala Harris

Am 20. Januar 2021 wurde Kamala Harris als Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten vereidigt – als erste Frau, als erste schwarze Amerikanerin und als erste Person südasiatischer Abstammung in diesem Amt. Bereits damals zirkulierten falsche Behauptungen, wonach sie aufgrund der Herkunft ihrer Eltern nicht rechtmäßig als Vizepräsidentin ernannt wurde.

Es ist korrekt, dass Kamala Harris Vater, Donald Harris, in Jamaika geboren wurde und ihre Mutter, Shyamala Gopalan, aus Südindien stammt, wie Harris in ihrer Autobiografie „The Truths We Hold: An American Journey“ schrieb. Doch die Herkunft der Eltern ist für die verfassungsrechtliche Qualifikation einer Person für dieses Amt in den USA irrelevant: Laut Artikel 2, Abschnitt 1 der US-amerikanischen Verfassung kommt „keine Person außer einem natürlich geborenen Bürger oder einem Bürger der Vereinigten Staaten“ für das Präsidentenamt in Frage. Die zweite Bedingung ist, dass Bewerberinnen und Bewerber mindestens 35 Jahre alt sein müssen.

Abschnitt 2 des 14. Verfassungszusatzes besagt: „Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert wurden und deren Rechtsprechung unterliegen, sind Bürger der Vereinigten Staaten“. Gemäß dieser Klausel und einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1898 ist jeder, der „auf amerikanischem Boden geboren wurde und der Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten unterliegt, ein natürlicher Bürger, unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Eltern“, heißt es in einem Glossar der Cornell Law School.

David Super, Rechts- und Wirtschaftsprofessor an der Georgetown-Universität, sagte gegenüber AFP, dass niemand, der „verfassungsgemäß gar nicht für das US-amerikanische Präsidentschaftsamt wählbar ist, zur Vizepräsidentin ernannt werden“ könne.

Kamala Harris wurde 1964 in der kalifornischen Stadt Oakland geboren und war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 59 Jahre alt. Sie ist somit eine natürliche Bürgerin der USA, älter als die kritische Altersgrenze von 35 Jahren und wurde im Jahr 2021 bereits verfassungskonform zur Vizepräsidentin ernannt. Somit könnte sie auch ohne gesetzliche Hürden zur ersten Präsidentin der Vereinigten Staaten gewählt werden.

Abwertende Bezeichnung als „Ankerbaby“

In zahlreichen Online-Beiträgen wurde Harris als „anchor baby“ (Ankerbaby) bezeichnet. Dieser rassistisch konnotierte und abwertende Begriff bezieht sich auf Kinder von Eltern ohne US-amerikanische Staatsbürgerschaft, die in den USA geboren werden und darum von Geburt an US-Bürgerinnen oder -Bürger sind. Die Bezeichnung ist mit dem weitverbreiteten Vorurteil verknüpft, dass illegal in die USA eingewanderte Menschen absichtlich auf amerikanischem Boden Kinder bekommen, um sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu sichern und so das Einwanderungssystem zu umgehen.

Laut Sonia Canzater, Professorin am O’Neill Institut für nationales und globales Gesundheitsrecht der Georgetown-Universität, ist die Behauptung, jede amerikanische Person mit Eltern anderer Staatsbürgerschaft sei automatisch ein „anchor baby“, nicht nur rassistisch, sondern auch falsch: Der Staatsbürgerstatus eines Kindes ändere nichts am Einwanderungsstatus illegal in die USA eingewanderter Eltern. Diese sind dennoch von Abschiebungen oder anderen rechtlichen Konsequenzen betroffen.

Kamala Harris Vater, Donald Harris, ist ein emeritierter Professor der Universität Stanford und war in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Er wurde in Jamaika geboren und hat die jamaikanische sowie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

Dieses Foto vom April 1965, das AFP am 16. November 2020 mit freundlicher Genehmigung von Kamala Harris zur Verfügung gestellt wurde, zeigt die einjährige Kamala Harris auf dem Arm ihres Vaters Donald Harris in Berkeley, Kalifornien – Handout / Courtesy of Kamala Harris

Ihre Mutter, Shyamala Gopalan Harris, arbeitete an mehreren US-Universitäten in der Krebsforschung, bis sie im Jahr 2009 selbst an Krebs starb. Kamala Harris teilte mehrfach gemeinsame Fotos auf ihrem offiziellen Facebook-Kanal.

Irreführende Zuschreibungen zu Harris Ethnizität

Bidens Unterstützung einer Präsidentschaftskandidatur von Kamala Harris löste nicht nur Zweifel an ihrer verfassungsrechtlichen Eignung aus. Auch über Harris Ethnizität wurde vielfach in sozialen Medien spekuliert: „Kamala Harris ist nicht schwarz“, schrieb etwa ein Facebook-Nutzer am 23. Juli 2024.  Auf X zirkulierten zahlreiche englischsprachige Behauptungen, sie „gebe nur vor, schwarz zu sein, als Teil der wahnhaften Quoten der Demokraten“, eigentlich sei Harris „indische Amerikanerin“. Ähnliche Behauptungen, Harris würde je nach Kontext ihre ethnische Identität „wechseln“ kursierten bereits seit mehreren Jahren.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 23. Juli 2024

In ihrer 2019 erschienenen Autobiographie „The Truths We Hold“ identifizierte sich Kamala Harris sowohl als schwarz als auch als indische Amerikanerin. Sie beschreibt darin, dass ihre jüngere Schwester Maya und sie selbst „mit einem starken Bewusstsein für die indische Kultur und deren Wertschätzung“ aufgewachsen seien, während es ihrer Mutter immer sehr wichtig gewesen sei, dass sie „zwei schwarze Töchter“ aufzog. „Sie war entschlossen, dafür zu sorgen, dass wir zu selbstbewussten, stolzen, schwarzen Frauen heranwachsen,“ schrieb Harris.

Facebook-Screenshot von Kamala Harris: 23. Juli 2024

Ähnliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Eignung für das Präsidentenamt wurden in der Vergangenheit auch über den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama verbreitet. Jahrelang wurde vom ebenfalls ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump die Falschinformation gestreut, Barack Obama sei nicht in den Vereinigten Staaten geboren und wäre somit illegal in das höchste Amt gewählt werden. AFP hat diese Behauptung bereits widerlegt.

Alle veröffentlichten Faktenchecks zur US-Wahl 2024 sammelt AFP hier.

Fazit: In Aussicht einer wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidatur von Kamala Harris wurde sie zum Ziel zahlreicher abwertender Falschinformationen. Darunter ist die fälschliche Behauptung, Harris dürfe aufgrund ihrer familiären Herkunft gar nicht kandidieren. Doch verfassungsrechtlich steht einer Kandidatur nichts im Weg, wie Expertinnen und Experten gegenüber AFP bestätigten.

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Wahlen, USA, Politik

Autor(en): Gundula HAAGE / Rob Lever / AFP USA / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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