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Kein „Dosenverbot“: Chemikalie Bisphenol A soll aus Supermärkten verschwinden

EU-Vorgaben sorgen in sozialen Medien immer wieder für Aufregung. Im September 2024 kursierte online die Behauptung, ab 2025 müssten alle Dosen aus dem Sortiment deutscher Supermärkte verschwinden. Das ist jedoch irreführend: Ein EU-Vorschlag, der der Falschbehauptung zugrunde liegt, schränkt lediglich bestimmte Verpackungen ein, die die Chemikalie Bisphenol A enthalten. Von einem allgemeinen „Dosenverbot“ ist jedoch nicht die Rede.

„BOOOOM!! Dosenverbot in Deutschland ab 2025“, schrieb ein Facebook-Nutzer am 21. September 2024. „Die EU behauptet, es wäre zu unserem ‚Schutz'“, heißt es in dem Beitrag weiter. Dazu teilte er einen Screenshot der Überschrift „Ära endet: Dosenverbot in Deutschland kommt für alle Supermärkte“.

Auch auf Threads, X und Telegram wurde die Behauptung vielfach verbreitet.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 18. Oktober 2024

Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer teilten ähnliche Behauptungen mit demselben Screenshot. Die Beiträge erzeugen den Eindruck, dass ab 2025 keinerlei Dosen mehr in deutschen Supermärkten verkauft werden dürften. Ein Facebook-Nutzer schrieb etwa am 27. September 2024: „Sollen wir keine Vorräte haben, wenn die Landwirtschaft platt ist? Die Aufbewahrung in Dosen macht Nahrungsmittel besonders lang haltbar.“

Doch die Behauptung ist irreführend und verkürzt: Tatsächlich wird es auch im Jahr 2025 noch Dosen in deutschen Supermärkten zu kaufen geben, lediglich Verpackungsmaterialen mit der gesundheitsgefährdenden Chemikalie Bisphenol A (BPA)sollen schrittweise aus dem Sortiment verschwinden.

Irreführende Überschrift eines differenzierteren Artikels

Eine umgekehrte Bildsuche des Screenshots ergab, dass er die Überschrift eines Artikels des Online-Mediums „Karlsruhe-Insider“ vom 8. September 2024 zeigt. Die Webseite führt meistens keine Autorinnen und Autoren für ihre Artikel auf. Laut Eigenbeschreibung handelt es sich dabei um ein News-Magazin für Karlsruhe und Baden-Württemberg, „sowie den wichtigsten Nachrichten aus Deutschland“. In der Vergangenheit ist „Karlsruhe-Insider“ bereits durch die Verbreitung von Falschinformationen aufgefallen, wie das Faktencheck-Team von Correctiv berichtete.

Die Überschrift des Originalartikels lautet tatsächlich „Ära endet: Dosenverbot in Deutschland kommt für alle Supermärkte“. Doch während diese Überschrift ebenfalls den Eindruck erzeugt, alle Dosen würden aus deutschen Supermärkten verschwinden, so ist der Artikeltext deutlich differenzierter.

Im dritten Absatz wird aufgeklärt, dass das „Dosenverbot“ nicht für alle Dosen gleichermaßen gelten soll: „Bestimmte Plastikverpackungen, Trinkflaschen und auch Konservendosen dürfen ab 2024 nicht mehr verkauft werden. […] Denn in vielen Verpackungen befindet sich der Stoff Bisphenol A (kurz: BPA). Seit Jahren warnen Experten vor dieser Chemikalie“, die für die Beschichtung von Dosen, Plastikflaschen und anderer Verpackungsmaterialien benutzt werde, heißt es dort. Und weiter: „Für die Hersteller bedeutet dies, dass sie zum Beispiel die Beschichtung anders herstellen und auf eine Alternative setzen müssen.“

Verbot für gesundheitsschädliche Chemikalie

Der Artikel bezieht sich korrekterweise auf einen Entscheidung der EU-Mitgliedsstaaten vom 12. Juni 2024, wonach die Chemikalie BPA in Lebensmittelverpackungen verboten werden soll. Basis ist eine wissenschaftliche Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa).

Yan Covolan, Kommunikationsbeauftragter der Efsa, erklärte auf AFP-Nachfrage am 10. Oktober 2024: „BPA wird zur Herstellung von Epoxidharzen verwendet, die in Beschichtungen für Lebensmittel- und Getränkedosen sowie Fässern zu  finden sind.“ Laut Covolan können geringe Mengen der Chemikalie aus der Innenbeschichtung in die Lebensmittel und Getränke übergehen und so mit der Nahrung aufgenommen werden. Dies stelle ein Gesundheitsrisiko für Verbraucherinnen und Verbraucher aller Altersgruppen dar.

„Wir haben potenziell schädliche Auswirkungen auf das Immunsystem festgestellt. Es besteht ein Gesundheitsrisiko im Zusammenhang mit der möglichen Entwicklung von allergischen Lungenentzündungen und Autoimmunerkrankungen“, führte Covolan aus.

 

In den Beschichtungen zahlreicher Dosen und Plastikflaschen findet sich die umstrittene Chemikalie BPA – PETRAS MALUKAS / AFP

Alle weiteren Informationen zu den wissenschaftlichen Untersuchungen von BPA sind auf der Efsa-Website abrufbar. Als Risikobewertungsbehörde setze sich Efsa jedoch „ausschließlich mit den wissenschaftlichen Aspekten auseinander“, führte Covolan aus. Welche rechtlichen Konsequenzen daraus gezogen würden, sei Sache der Europäischen Kommission.

Laut Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 12. Juli 2024 gingen dem Verbot eine öffentliche Konsultation und Diskussionen mit den EU-Mitgliedsstaaten voraus.

Verbot tritt bereits im November 2024 in Kraft, jedoch nicht für alle Dosen

Ein zuständiger EU-Beamter schrieb auf AFP-Anfrage an die Pressestelle der Kommission am 15. Oktober 2024 per E-Mail, dass das Verbot von BPA-haltigen Verpackungen bereits vor 2025 in Kraft treten soll: „Mitte Juli begann eine dreimonatige Prüfungsphase, in der die Mitgesetzgeber, das EU-Parlament und der EU-Rat, die Möglichkeit hatten, Einwände gegen die Verordnung zu erheben. Nach Abschluss des Prüfungs- und Annahmeverfahrens sollte die Verordnung noch in diesem Jahr, etwa im November [2024], in Kraft treten.“

Das bedeute jedoch nicht, dass ab November 2024 alle BPA-haltigen Dosen mit sofortiger Wirkung aus den Supermarktregalen verschwinden müssten: „Für bestimmte Produkte gelten Übergangsfristen von 18 Monaten, für andere von 36 Monaten“, führte der Kommissionsbeamte aus. Und auch nach dieser Übergangsfrist könnten Konserven mit BPA weiterhin verkauft werden, wenn sie vor Inkrafttreten der Verordnung hergestellt wurden. Auf diese Weise soll die Industrie genügend Zeit haben, um sich an die neuen Regeln anzupassen und eine lückenlose Lebensmittelversorgung zu gewährleisten.

Alle Ausnahmeregeln dazu finden sich im öffentlich zugänglichen Annex II des Entwurfs der EU-Kommission zum BPA-Verbot (hier archiviert).

Alle weiteren Faktenchecks zum Thema Gesundheit finden sich auf der AFP-Website.

Fazit: Entgegen online kursierender Behauptungen können auch 2025 noch Dosen in deutschen Supermärkten gekauft werden. Im November 2024 soll ein Verbot der EU-Kommission in Kraft treten, wonach Verpackungsmaterialien von Lebensmitteln in Zukunft nicht mehr die gesundheitsgefährdende Chemikalie BPA enthalten dürfen. Dosen ohne Bisphenol A sind jedoch weiterhin erhältlich.

 

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Verbraucher, Gesundheit, EU

Autor(en): Gundula HAAGE / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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