Die Präsidentenwahl in Rumänien soll am 4. Mai 2025 wiederholt werden. Das rumänische Verfassungsgericht erklärte den ersten Durchgang wegen Vorwürfen der russischen Einmischung für ungültig. Im Vorfeld der Bundestagswahl in Deutschland geht das Gerücht um, es sei die Entscheidung der EU gewesen, die Wahl zu annullieren, und sie könnte es auch in Deutschland tun. Doch Fakt ist: Die EU hat nicht die Kompetenz, Wahlen in einem Mitgliedstaat zu annullieren.
Im Dezember 2024 erklärte das rumänische Verfassungsgericht die Präsidentenwahl in Rumänien für ungültig – eine Entscheidung, die in der Bevölkerung auch auf Widerstand stieß. Am 12. Januar 2025 demonstrierten zehntausende Anhängerinnen und Anhänger für den rechtsradikalen Kandidaten Călin Georgescu. Sie forderten das Verfassungsgericht auf, die Annullierung zurückzunehmen.
Georgescu war im November 2024 als unabhängiger Kandidat bei der Präsidentenwahl in Rumänien angetreten und hatte überraschend die meisten Stimmen gewonnen. Die rumänischen Behörden beschuldigten Georgescu, von einer illegalen russischen Unterstützungskampagne auf der Plattform Tiktok profitiert zu haben.
Online kursierte das Gerücht, in Bukarest würden „100.000 Menschen gegen die Entscheidung der EU, die Wahl von Georgescu zu annullieren“ protestieren, wie es in einem Telegram-Beitrag von 12. Januar 2025 mit 97.000 Aufrufen heißt. Auch auf Facebook, Instagram und X kursierte die Behauptung. Eine AFP-Anfrage an den X-User blieb bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks unbeantwortet. Das Posting wurde inzwischen gelöscht.
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Doch das ist ein Trugschluss. AFP fand keine Hinweise darauf, dass die Menschen explizit gegen eine EU-Entscheidung protestiert hätten. Zudem hat die EU keine Kompetenz, nationale Wahlen eines Mitgliedstaates zu annullieren, wie AFP-Recherchen bereits ergaben.
Proteste häuften sich in Rumänien
Die Straßen Bukarests waren am 12. Januar 2025 von zehntausenden Menschen gefüllt, die für den rechtsradikalen Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu demonstrierten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen durch das Stadtzentrum und forderten unter anderem den Rücktritt von Klaus Iohannis. Inzwischen legte der damals amtierende Präsident sein Amt nieder.
Entgegen der Behauptungen in sozialen Medien richteten die Demonstrierenden ihre Forderungen an das Verfassungsgericht. Auch davor fanden am selben Wochenende Proteste statt, wie Medien berichteten. Das Gericht hatte Anfang Dezember 2024 die erste Runde der Wahl für ungültig erklärt und eine Neuaustragung der Wahl angeordnet. Zur Kundgebung hatte die rechtsextreme Partei AUR aufgerufen.
Auch am 10. Februar 2025 protestierten Anhängerinnen und Anhänger Georgescus vor dem Gebäude der rumänischen Regierung in Bukarest und forderten einen Rücktritt der aktuellen Regierung unter Marcel Ciolacu:
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Die Proteste fanden statt, unmittelbar nachdem der damalige Präsident Iohannis am selben Tag seinen Rücktritt angekündigt hatte. Seine Agenden wird der rumänische Senatspräsident Ilie Bolojan bis zum Wahltermin im Mai 2025 weiterführen.
Die EU kann keine Wahlen annullieren
Das rumänische Gesetz (Artikel 52) nennt das Verfassungsgericht als einzige Behörde, die Wahlen „annulliert, wenn die Abstimmung und die Festlegung der Ergebnisse durch Betrug erfolgt sind“.
AFP kontaktierte die Vertretung der EU-Kommission in Rumänien. Diese bestätigte am 13. Februar 2025 schriftlich, dass sich die Kommission „in keiner Weise in nationale Wahlen einmischt“. Nationale Behörden seien für nationale Wahlen zuständig, führte ein Sprecher weiter aus, denn „letztendlich“ würden „die Wahlen für die Menschen in den jeweiligen Mitgliedstaaten“ stattfinden.
Es sei die Kompetenz und die Verantwortung der Mitgliedstaaten, „freie und faire nationale Wahlen“ im Einklang mit geltendem Recht und einschlägigen internationalen Standards zu organisieren und spezifische Bedingungen festzulegen.
Kommission vermutet Verstöße gegen DSA-Gesetz
ZumEntscheidung des rumänischen Verfassungsgerichts, in der die Annullierung entschieden wurde, selbst hatte die Europäische Kommission keine Untersuchung angekündigt.
Am 17. Dezember 2024 leitete die Kommission ein förmliches Verfahren gegen Tiktok wegen vermuteter Verstöße gegen das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) ein. Dies war das dritte Mal, dass die Kommission ein Verfahren gegen Tiktok im Rahmen des DSA eingeleitet hatte. Darin ging es jedoch um die „Aufdeckung, Kennzeichnung und Entfernung illegaler Inhalte sowie Risikobewertungspflichten“ der Plattform, wie ein Sprecher der deutschen EU-Kommissionsvertretung am 24. Januar 2025 in einer E-Mail präzisierte, und nicht um die Außerkraftsetzung der Wahlergebnisse.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wies einen Antrag des rechtsradikalen rumänischen Präsidentschaftskandidaten Georgescu gegen die Annullierung seines Siegs in der ersten Wahlrunde ab.
In einem dringlichen Bericht von 27. Januar 2025 stellte die Venedig-Kommission fest, dass die Annullierung nicht direkt mit dem Wahlprozess in Rumänien selbst verbunden war, sondern „vielmehr mit der Vorbereitungsphase der Wahl und dem nicht transparenten Einfluss“ auf die Wählerinnen und Wähler. Die Venedig-Kommission ist eine Einrichtung des Europarates, die Mitgliedstaaten verfassungsrechtlich berät. Das rumänische Verfassungsgericht hatte seine Entscheidung mit einem Verstoß gegen die Bestimmungen des Wahlgesetzes begründet, „insbesondere die Gesetze zur Finanzierung“, wie der Bericht ausführte.
Wie AFP bereits in einem anderen Faktencheck ausführte, ist es auch in Deutschland möglich, die Bundestagswahl anzufechten und in Folge zu wiederholen. Darüber entscheidet jedoch der Bundestag und nicht die Europäische Union, wie eine Sprecherin der zuständigen Bundeswahlleiterin am 19. Januar 2025 auf AFP-Anfrage bestätigte.
Fazit: Das Gerücht, die Annullierung der Präsidentenwahl in Rumänien sei eine Entscheidung der EU gewesen, weshalb Hunderttausende in Bukarest protesiert hätten, ist falsch. Die Präsidentenwahl in Rumänien hatte das Verfassungsgericht im Dezember 2024 annulliert. Dagegen richteten sich die Proteste. Dazu hat die EU keine rechtliche Befugnis.