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Laborfleisch aus tierischen Zellen ist in der EU aktuell nicht zugelassen

Pflanzenbasierte Ernährung findet in Deutschland wachsende Zustimmung. In sozialen Medien verbreitete sich zuletzt die Falschbehauptung, ein Unternehmen produziere monatlich 500 Tonnen fleischlose Steaks per 3D-Drucker und versorge deutsche Restaurants mit diesem Ersatzprodukt aus tierischen Zellen. Fleischersatz wird aktuell bereits tatsächlich auch per 3D-Drucker hergestellt und in Deutschland angeboten. Die Produkte werden jedoch ausschließlich aus pflanzlichen Zutaten gewonnen, wie das in sozialen Medien ins Treffen geführte Unternehmen sowie Fachleute gegenüber AFP erklärten. Fleischersatz aus tierischen Zellen bedürfte in der EU zudem einer Zulassung durch die Lebensmittelbehörde Efsa, die laut dieser nicht erteilt wurde. Auch in der entsprechenden EU-Verordnung findet sich kein Eintrag zu 3D-Fleisch aus tierischen Zellen.

„Eine Fabrik in Holland druckt 500 Tonnen Steaks pro Monat über 3D-Drucker. Die Firma Redefine Meat wird deutsche Restaurants mit gedruckten Filets versorgen. Rund 110 deutsche Restaurants kaufen bereits ‚Fleisch‘ von Redefine Meat“, heißt es in Postings auf Facebook von Mitte Januar 2024. Userinnen und User teilen dazu zwei Fotos, auf denen Stücke von „Laborfleisch“ zu sehen sind. Zudem wird behauptet: „Um den Prozess des 3D-Druckfleischs zu beginnen, biopsieren Wissenschaftler eine Probecharge tierischer Stammzellen je nach gewünschter Fleischart: Rindfleisch, Schweinefleisch, Geflügel oder sogar Fisch.“

Die Behauptung wird auf Facebook tausendfach verbreitet. Sie kursiert zudem auch auf anderen Plattformen wie X. Auf Englisch und Ungarisch wird die Aussage ebenfalls geteilt.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 13. Februar 2024

Vegane und vegetarische Ernährung erfreut sich besonders in Deutschland großer Beliebtheit. Veganerinnen und Veganer verzichten komplett auf Produkte tierischen Ursprungs, also etwa Fleisch, Milch und Eier. Laut einer Meinungsumfrage für den Ernährungsreport 2022 des deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ernähren sich rund ein Prozent der Befragten in Deutschland vegan, sieben Prozent vegetarisch.

Inzwischen gibt es zahlreiche Alternativen für Fleisch- und Milchprodukte. Fleischlose Ersatzprodukte enthalten häufig pflanzliches Eiweiß aus Soja, Erbsen oder Weizen. Auch per 3D-Drucker kann Fleischersatz produziert werden, der dabei entweder aus rein pflanzlichen Zutaten oder aus tierischen Zellen hergestellt wird.

AFP hat bereits in der Vergangenheit hier Falschbehauptungen zu fleischlosen Alternativen überprüft. Auch die aktuell geteilten Aussagen sind unzutreffend.

Laborfleisch aus tierischen Zellen nicht in EU zugelassen

Die verbreiteten Behauptungen beziehen sich auf das israelische Unternehmen Redefine Meat, das angeblich 110 deutsche Restaurants mit „Fleisch“ versorgen würde. Die Herstellung der Produkte wird in den Postings auf Facebook folgendermaßen beschrieben: „Um den Prozess des 3D-Druckfleischs zu beginnen, biopsieren Wissenschaftler eine Probecharge tierischer Stammzellen je nach gewünschter Fleischart: Rindfleisch, Schweinefleisch, Geflügel oder sogar Fisch.“

Lebensmittelexpertin Annett Reinke von der Verbraucherzentrale Brandenburg schrieb AFP am 12. Februar 2024, dass es sich bei Redefine Meat um einen Hersteller für Fleischersatzprodukte wie Burger-Patties oder Bratwurst-Ersatz handle, die in Deutschland vor allem über die Gastronomie vertrieben werden – so auch in Berlin und Brandenburg. Auf diese Orte wird in sozialen Medien explizit Bezug genommen. Reinke erklärte zu dem Unternehmen weiter: „Die Produkte werden aus den üblichen pflanzlichen Zutaten wie Erbse, Soja, Weizen, Reis oder Kokos hergestellt.“ In etlichen Restaurants in Deutschland gibt es tatsächlich bereits derartiges veganes „Fleisch“ von Redefine Meat – auch aus dem 3D-Drucker, wie aus Medienberichten (etwa hier oder hier) hervorgeht.

Fleisch aus dem 3D-Drucker kann allerdings nicht nur aus rein pflanzlichen Zutaten wie etwa bei Redefine Meat, sondern auch mithilfe von tierischem Gewebe produziert werden. Hierbei handle es sich laut der Expertin um „Fleischnachbildungen, die aus tierischen Zellen und Nährlösungen entstehen“ – also sogenanntes Laborfleisch, auf das in sozialen Medien aktuell angespielt wird. Dieses würde hierzulande und innerhalb der EU unter die sogenannte Novel-Food-Verordnung fallen und müsste einer gesundheitlichen Bewertung unterzogen werden, bevor es in den Verkehr gebracht werden dürfe, so Reinke von der Verbraucherzentrale. „Die Zell- und Gewebekulturen können dabei grundsätzlich von Tieren, Pflanzen, Mikroorganismen, Pilzen oder Algen stammen. Somit gelten gezüchtetes Fleisch und Fisch aus dem Labor als neuartige Lebensmittel und müssen vor der Marktzulassung eine Reihe kritischer Tests und Bewertungen bestehen.“

Bei einem Antrag auf Zulassung prüft die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) ob die neuartigen Produkte sicher sind. Nur nach einer ausdrücklichen Zulassung dürfen sie in den Verkehr gebracht werden und werden dann in einer Unionsliste für neuartige Lebensmittel (hier archiviert) geführt. Außerdem werden Verwendungsbedingungen, spezifische Kennzeichnungsvorschriften oder Allergie-Hinweise festgelegt, so Reinke: „Ausschließlich zugelassene und dort aufgeführte neuartige Lebensmittel dürfen nach den in der Liste festgelegten Bedingungen in Verkehr gebracht werden. Für Laborfleisch gibt es diese Zulassungen aktuell nicht. Laborfleisch ist bereits in Singapur zugelassen und auch Israel ist vorn mit dabei.“

Eine Stichwortsuche lieferte AFP zudem keine Medienberichte über eine derartige EU-Zulassung für Laborfleisch. Vonseiten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hieß es gegenüber AFP am 13. Februar 2024, dass solche Produkte gemäß den Bestimmungen der Verordnung über neuartige Lebensmittel zugelassen werden müssen, bevor sie auf dem EU-Markt verkauft werden können: „Von den fast 300 Anträgen für neuartige Lebensmittel, die wir seit der Umsetzung der Verordnung im Jahr 2018 zur Sicherheitsbewertung erhalten haben, haben wir noch keine Anträge für die Risikobewertung von aus Zellkulturen gewonnenen Lebensmitteln tierischen Ursprungs erhalten.“

Aus Medienberichten in diesem Zusammenhang geht ebenfalls lediglich hervor, dass eine Tochtergesellschaft eines deutschen Lebensmittelunternehmens erste Gespräche mit der Efsa zu kultiviertem Fleisch aufgenommen hat. Die Efsa habe jedoch noch keinen Antrag von dem Unternehmen erhalten, hieß es dazu am 13. Februar 2024: „Das Unternehmen steht möglicherweise kurz davor, ein Dossier einzureichen, weil es uns um eine allgemeine Beratung vor der Einreichung gebeten hat.“

Eine neue Version des veganen Burgers des Unternehmens Impossible Foods wird auf einer Veranstaltung in Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada im Januar 2019 vorgestellt – Robyn Beck / AFP

Unternehmen widerspricht Aussagen

Das Unternehmen Redefine Meat, das Gegenstand der verbreiteten Behauptungen ist, führt auf seiner Website an, dass dessen Produkte nur aus pflanzlichen Zutaten hergestellt und frei von Bestandteilen tierischen Ursprungs seien. Das wurde am 12. Februar 2024 auch von der Pressestelle von Redefine Meat bestätigt. Auf AFP-Anfrage hieß es, dass es sich bei den in sozialen Medien geteilten Behauptungen um „falsche Informationen“ handle. Das Unternehmen sei zudem „verärgert“, dass jemand versucht habe, über die Marke in die Irre zu führen und habe die Falschinformation auch bei Facebook gemeldet. Redefine Meat sei „ein pflanzliches Unternehmen, das weder tierische Stammzellen noch tierische Zutaten verwendet“. Die sogenannten New-Meat-Produkte würden im niederländischen Werk des Unternehmens hergestellt werden.

In einem Medienbericht der deutschen „Wirtschaftswoche“ vom Januar 2023 erklärte Redefine Meat-Gründer Eshchar Ben-Shitrit jedoch, dass in einer Fabrik des Unternehmens in den Niederlanden 3D-Drucker bis zu 500 Tonnen „Fleisch“ aus rein pflanzlichen Zutaten pro Monat herstellen könnten. Aus diesem oder ähnlichen Artikeln dürfte auch die Mengenangabe in den geteilten Postings stammen, die bereits seit längerem in sozialen Medien kursiert. Von der Pressestelle des Unternehmens hieß es zur Verbreitung gegenüber AFP im Februar 2024: „New-Meat wurde ursprünglich in der Gastronomie eingeführt und ist in 4000 Gastronomiebetrieben auf der ganzen Welt erhältlich.“ In Deutschland gäbe es etwa 700 Gastronomiebetriebe mit den Produkten. Inzwischen seien diese auch im Einzelhandel verfügbar. Auch Restaurants in Österreich bieten die Fleischalternative inzwischen an.

Keine Informationen zu Erzeugern in Brandenburg

Im Übrigen würden auch die zur Behauptung geteilten Fotos von Fleisch nicht von Redefine Meat stammen, hieß es von dem Unternehmen. In den geteilten Beiträgen in sozialen Medien wird zudem behauptet, dass auch im Land Brandenburg im Umland Berlins „demächst erste solcher Erzeuger“ auf den Markt kommen würden. „In den öffentlichen Medien wird bereits Werbung dafür gemacht, wie beispielsweise am Sonnabend im BB-Radio“, heißt es. Diese Behauptungen sind jedoch unzutreffend.

Ein Pressesprecher des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg schrieb AFP am 13. Februar 2024: „Unserem Ministerium liegen aktuell keine Erkenntnisse bezüglich des im von Ihnen übersandten Facebook-Posts beschriebenen Produktionsprozesses der Firma Redefine Meat vor.“ Von solchen Plänen anderer Erzeuger weiß man im Ministerium nichts.

Ein Assistent der Geschäftsführung des privaten Rundfunksenders für Berlin und Brandenburg „BB Radio“ schrieb AFP am 12. Februar 2024: „Meine Recherche zu Ihrer Anfrage hat ergeben, dass bei ‚BB Radio‘ keine Werbung zu diesem Thema ausgestrahlt wurde.“ Auch redaktionelle Berichterstattung dazu sei nicht bekannt. Im Mai 2023 berichtete der Sender zwar unter anderem über Fleisch aus dem 3D-Drucker. Dabei wurde jedoch explizit angeführt, dass es sich um pflanzenbasierte Produkte handelt.

Fazit: Online heißt es fälschlich, ein Unternehmen produziere monatlich 500 Tonnen fleischlose Steaks per 3D-Drucker und versorge deutsche Restaurants mit diesem Ersatzprodukt aus tierischen Zellen. Fleischersatz wird aktuell bereits tatsächlich auch per 3D-Drucker hergestellt und in Deutschland angeboten. Allerdings bestehen diese Produkte ausschließlich aus pflanzlichen Zutaten, wie etwa Fachleute gegenüber AFP erklärten. Fleischersatz aus tierischen Zellen müsste in der EU zudem durch die Lebensmittelbehörde Efsa zugelassen werden, was laut Efsa nicht erfolgt sei.

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Verbraucher, Gesundheit, EU

Autor(en): Katharina ZWINS / AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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