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Nein, Demenz ist keine belegte Nebenwirkung der Coronaimpfung

In zahlreichen Studien hat sich die Coronaimpfung als wirksam gegen schwere Formen der Krankheit gezeigt. Skeptikerinnen und Skeptiker äußern jedoch immer wieder Zweifel an der Sicherheit des Vakzins. In sozialen Netzwerken kursierte zuletzt die Falschbehauptung, früh einsetzende Demenz werde durch den Covid-Impfstoff verursacht. Laut Expertinnen und Experten gibt es keinen Zusammenhang zwischen einer Coronaimpfung und Demenz. Die Sicherheit der Impfstoffe wurde durch Forschungsarbeiten zudem mehrfach bestätigt.

„Enormer Anstieg von Demenz nach Covid-‚Impfung'“, heißt es in einem Telegram-Posting vom 28. September 2023. User teilen dazu unterschiedliche deutschsprachige Blogeinträge (hier, hier, hier und hier) zum Thema. Darin wird vor angeblich negativen Folgen einer Coronaimpfung gewarnt: „Früh einsetzende Demenz wird durch den Covid-Impfstoff verursacht (~25-facher Anstieg)“, heißt es etwa. Und: „Es besteht kein Zweifel: Die Covid-Impfstoffe erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen plötzlich an Demenz erkranken, ganz erheblich.“

Die Blogartikel wurden auf Facebook mehrfach geteilt. Auf Telegram wurden die Beiträge rund 20.000 Mal angesehen. AFP wurde via WhatsApp auf die Behauptungen aufmerksam gemacht. Auch in anderen Sprachen wie Englisch oder Französisch kursieren die Aussagen.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 17. Oktober 2023

Im Zusammenhang mit der Coronaimpfung kursieren zahlreiche falsche Gesundheitsinformationen in sozialen Medien. Faktenchecks zur Pandemie sammelt AFP hier, zu Impfstoffen hier. AFP hat sich bereits hier mit anderen Falschbehauptungen zur Coronaimpfung im Zusammenhang mit Alzheimer auseinandergesetzt.

Demenz ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Symptomen, welche die Funktion des Gehirns beeinträchtigen. Üblicherweise ist das ein schlechteres Gedächtnis mit zunehmendem Alter. Die Alzheimer-Krankheit, die zu einem Abbau der Nervenzellen im Gehirn führt, ist die am häufigsten auftretende Ursache für Demenz. Es existieren jedoch zahlreiche andere Auslöser wie zum Beispiel Durchblutungsstörungen des Gehirns.

Die in den aktuellen Beiträgen geteilten Behauptungen zu einem Zusammenhang mit der Coronaimpfung sind jedoch falsch. Fachleute erklärten gegenüber AFP, dass es keine fundierten Daten gebe, die eine Verbindung zwischen Coronaimpfungen und einem gehäuften oder verfrühten Auftreten von Demenz zeigen. Die Aussagen wurden von Blogs wie „Uncut News“ verbreitet. Die Schweizer Website ist in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Falschinformationen aufgefallen, die AFP etwa hier und hier überprüft hat.

Behauptungen basieren auf Aussagen von Steve Kirsch

Als Quelle ziehen die Blogartikel jeweils Steve Kirsch heran. Der US-Amerikaner ist in der Vergangenheit mehrfach mit Falschbehauptungen zum Coronavirus aufgefallen, die AFP etwa hier und hier überprüft hat.

Auf seinem Blog schreibt er in einem Eintrag vom 10. August 2023 auf Englisch, dass der Covid-Impfstoff die Demenzrate mindestens um das 25-fache zu erhöhen scheine. Kirsch habe diesbezüglich mit einer Pflegerin in einer nicht namentlich genannten Pflegeeinrichtung telefoniert, die im Zuge ihrer 32-jährigen Arbeitserfahrung als Krankenschwester nur selten – etwa zwei Mal pro Jahr – erlebt habe, dass jemand „plötzlich und ohne Grund dementes Verhalten“ zeige, schreibt Kirsch. „Jetzt, allein in den letzten zwölf Monaten, hat sie dies fast 50 Mal erlebt, was eine 25-fache Steigerung der Demenzrate bedeutet.“

Steve Kirsch erklärt weiter, dass er eine Umfrage über die Sterblichkeitsrate in Altenpflegeeinrichtungen und geriatrischen Praxen durchgeführt habe, „um zu sehen, ob die Einführung des Impfstoffs etwas verändert hat“. 20 Prozent der Personen, die sich äußerten, hätten demnach einen enormen Anstieg von Demenzerkrankungen in ihrer Einrichtung nach der Einführung der Impfungen festgestellt. Detaillierte Angaben waren nicht notwendig, auch Schätzungen waren explizit gefragt. Kirsch publizierte ein Dokument (hier archiviert) mit rund 30 eingegangenen Antworten, worauf er seine aktuellen Behauptungen zu Demenz stützt. Die Richtigkeit und Repräsentativitiät der Daten lässt sich anhand des Dokuments nicht überprüfen.

Fachleute widersprechen Kirsch

Experten wie Leif Erik Sander, Direktor der Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin an der Charité in Berlin, können den Aussagen nichts abgewinnen. Sander schrieb AFP am 13. Oktober 2023: „Es handelt sich um anekdotische Berichte, die sich zudem nicht unabhängig validieren lassen. Letztendlich sind es Behauptungen, ohne eine fundierte Grundlage.“ Kirschs Behauptungen seien „gezielte Desinformation“.

Der Experte erklärte gegenüber AFP, dass er keine fundierten Daten kenne, die diese Behauptung stützen würden: „Im Gegenteil, 36 internationale Arzneimittelbehörden haben erst kürzlich ein Statement zu Untersuchungen veröffentlicht, die die hohe Sicherheit der Covid-19- Impfung anhand von Daten von über 13 Milliarden Impfdosen belegen.“ Die Impfstoffe weisen ein „sehr gutes Sicherheitsprofil in allen Altersgruppen“ auf, heißt es darin etwa.

Auch kleinere, gezieltere Studien hätten keinen Zusammenhang zwischen Coronaimpfstoffen und einem gehäuften oder verfrühten Auftreten von Demenz gezeigt, so Sander: „Im Gegenteil, gibt es sogar Hinweise, dass Covid-19-Impfungen mit einem geringerem Demenzrisiko assoziiert sein könnten.“ Er verweist etwa auf eine Metaanalyse zu gängigen Impfungen als Schutzfaktor gegen Demenz, die 2022 in der Zeitschrift „Frontiers in Immunology“ veröffentlicht wurde. Daraus geht hervor, dass Routineimpfungen wie etwa gegen Grippe oder Hepatitis A und B  für Erwachsene mit einer deutlichen Verringerung des Demenzrisikos in Verbindung gebracht werden und eine wirksame Strategie zur Demenzprävention sein können. Bezüglich der Coronaimpfung heißt es darin, dass diese „in Anbetracht der zahlreichen neurologischen Komplikationen von SARS-CoV-2 bei der Vorbeugung des kognitiven Verfalls von Vorteil“ sein könne. Es werden jedoch noch weitere Studien in diesem Bereich gefordert.

Auch das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) kann Kirschs Behauptungen nichts abgewinnen. In einer Stellungnahme gegenüber AFP hieß es am 11. Oktober 2023: „Wie Sie den Sicherheitsberichten und den Produktinformationen entnehmen können, gibt es keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Impfung mit den in Deutschland und der EU zugelassenen und verwendeten Covid-19-Impfstoffprodukten und dem Auftreten von Demenz.“

Während einer neuen Covid-19-Impfkampagne auf der französischen Mittelmeerinsel Korsika bereitet ein Angestellter eine Dosis des Pfizer-Impfstoffs Comirnaty Omikron XBB 1.5 für Covid-19 in einer Apotheke in Ajaccio am 5. Oktober 2023 vor – Pascal POCHARD-CASABIANCA / AFP

Demenz erhöht Risiko einer schweren Coronaerkrankung

Im Blogeintrag des US-amerikanischen Informatikers Kirsch heißt es auf Englisch außerdem: „Die durch den Impfstoff verursachte Demenzrate ist 20 Mal höher als die durch das Virus verursachte Rate.“ Er führt dazu eine Umfrage ins Treffen, die er selbst im August 2023 auf X, ehemals Twitter, durchgeführt hat. Rund 500 Userinnen und User haben daran teilgenommen. 30,2 Prozent gaben an, jemanden mit einer Demenzerkrankung zu kennen, die nach einer Coronaimpfung begonnen habe. 1,3 Prozent führten das Coronavirus diesbezüglich ins Treffen, während über 60 Prozent keine Angaben machten. Die Ergebnisse seien von Medizinerinnen und Medizinern, mit denen Kirsch gesprochen habe, bestätigt worden, schreibt er weiter. Nähere Informationen dazu listet er in seinem Artikel nicht auf.

Die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) führen Demenz in ihrer Liste der Grunderkrankungen, die das Risiko einer Person für eine schwere Coronaerkrankung erhöhen. In diesem Zusammenhang werden mehrere Studien genannt. Daraus geht etwa hervor, dass Demenzerkrankungen ein bedeutendes Risiko für das Auftreten von und die Sterblichkeit bei Covid-19 darstellen.

Zudem deuten etwa Studienergebnisse, die 2022 im wissenschaftlichen Journal „Alzheimer’s & Dementia“ veröffentlicht wurden, darauf hin, dass Langzeitfolgen einer Coronaerkrankung ein erhöhtes Risiko für Demenz sein können. Biologische Merkmale für Gehirnschäden waren bei hospitalisierten Coronapatientinnen und -patienten auf ein Niveau erhöht, das bei Alzheimer-Demenz beobachtet wurde, so die Studie.

Außerdem führt Kirsch in seinem Artikel vermehrte Meldungen im Meldesystem Vaers an. Dabei handelt es sich um die US-amerikanische Datenbank für Nebenwirkungen von Medikamenten. Während solche Meldungen zwar einen Hinweis auf mögliche Folgen einer Impfung darstellen können, lässt sich daraus nicht automatisch ein Zusammenhang ableiten. Eine gemeldete unerwünschte Wirkung kann zum Beispiel auch mit einer anderen Krankheit oder einem anderen Medikament zusammenhängen, deren Auswirkungen sich mit dem Zeitpunkt der Impfung überschneiden. Kein anderes Vakzin wurde in den USA – und weltweit – in so kurzer Zeit derart oft verabreicht.

Fazit: In sozialen Netzwerken kursierte zuletzt die Falschbehauptung, Demenz werde durch den Covid-Impfstoff verursacht. Demenz ist laut Expertinnen und Experten jedoch keine häufige Nebenwirkung einer Coronaimpfung. Häufigste Ursachen sind unter anderem Erkrankungen des Nervensystems oder Durchblutungsstörungen des Gehirns. Die Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe wurden in Studien zudem mehrfach bestätigt.

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Corona, Gesundheit

Autor(en): Katharina ZWINS / AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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