Krieg im Nahen Osten: Nein, dieses Video zeigt keinen Einsatz von weißem Phosphor im Gazastreifen

Hinweis, 30. Oktober 2023: Dieser Faktencheck ordnet eine fälschlich verbreitete Aufnahme von März 2023 ein. Es gibt Berichte von Menschenrechtsorganisationen, die Israel den Einsatz von weißem Phosphor vorwerfen – diese Berichte werden hier nicht überprüft.

Seit den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel reagiert das Land mit massiven Luftangriffen. Ein Video soll zeigen, dass Israel bei seinen Gegenangriffen auf den Gazastreifen „weiße Phosphorbomben“ eingesetzt habe. Die Behauptung verbreitet sich mit dem Wort „Latest“ – es suggeriert, der gezeigte Angriff sei aktuell. Der Einsatz von Brandwaffen oder Brandmunition als Waffe gegen Zivilisten ist völkerrechtlich durch die UN-Konvention über bestimmte konventionelle Waffen“, genauer, das Protokoll III, verboten.

Nicht verboten ist deren Einsatz, um militärische Ziele anzugreifen, wenn alle möglichen Vorkehrungen getroffen wurden, um zu verhindern, dass der Zivilbevölkerung Schaden zugefügt wird oder wenn sogenannte Mehrzweckmunition mit weißem Phosphor verwendet wird, um militärische Ziele zu markieren oder Rauchschwaden zu erzeugen. Israel hat das Protokoll III nicht ratifiziert, Palästina schon.

Unsere Recherche zeigt: Das aktuell verbreitete Video ist alt und stammt mutmaßlich aus der Ukraine. Menschenrechtsorganisationen beschuldigen Israel mit Verweis auf aktuelle Aufnahmen jedoch, weißen Phosphor im Gazastreifen eingesetzt zu haben – was das Land selbst dementiert.

Dieses Video soll belegen, dass die israelische Luftwaffe Brandmunition nach den Terrorangriffen der Hamas im Gazastreifen eingesetzt habe
Dieses Video soll belegen, dass die israelische Luftwaffe Brandmunition nach den Terrorangriffen der Hamas im Gazastreifen eingesetzt habe (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Video über Brandmunition kursierte bereits im März 2023 in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg

Weißer Phosphor ist laut Amnesty International eine brennbare Substanz, die vor allem genutzt wird, um Rauchschwaden zu erzeugen oder Ziele zu markieren. Beim Kontakt mit Luft entzünde sich das Material und brenne sich in die Haut und das Fleisch von Getroffenen ein: „Es verursacht entsetzliche Schmerzen und lebensverändernde Verletzungen – mit Wasser ist es nicht zu löschen.“ Die Substanz kann deswegen auch als Waffe eingesetzt werden.

Eine Bilderrückwärtssuche mit einem Standbild des Videos führt zu einem Youtube-Video des indonesischen Nachrichtenmediums Tribunnews vom 14. März 2023. Aus dem Titel des Videos geht hervor, dass die Aufnahmen einen Angriff Russlands auf die ukrainische Stadt Wuhledar im Donbass zeigen sollen.

Eine Suche nach den Schlagworten „Brandmunition Wuhledar“ auf Deutsch und Englisch führt uns zu verschiedenen Medienberichten aus März 2023 über den Angriff. Ex-General Klaus Wittmann sagte gegenüber der Welt, seiner Meinung nach sei in dem Video tatsächlich der Einsatz von Brandmunition zu sehen. Die Ukraine hat Russland mehrfach beschuldigt, weißen Phosphor benutzt zu haben, unter anderem in Mariupol und Bachmut.

Ob das Video tatsächlich einen Angriff auf Wuhledar zeigt, konnten wir nicht verifizieren. Fest steht aber, das Video ist veraltet und zeigt deshalb nicht, wie behauptet, einen Gegenangriff Israels mit weißem Phosphor seit den Terrorangriffen der Hamas vom 7. Oktober 2023.

Israel soll laut Menschenrechtsorganisationen Phosphor eingesetzt haben — Israel bestreitet das 

Am 12. Oktober 2023 schrieb die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Israel habe über dem Hafen von Gaza-Stadt und an der Grenze zum Libanon Brandmunition (weißen Phosphor) eingesetzt. Das habe die Organisation auf Grundlage von Videos und Zeugenaussagen festgestellt. Die von Human Rights Watch öffentlich geteilten Videos sind nicht die, die im Faktencheck geprüft wurden. Die Washington Post verifizierte eines der Videos ebenfalls. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International teilte am 13. Oktober 2023 mit, sie habe den Einsatz von weißem Phosphor durch das israelische Militär anhand von Fotos und Videos feststellen können.

Das israelische Militär bestreitet den Einsatz von weißem Phosphor. Man habe „weißen Phosphor weder im Gazastreifen noch im Libanon verwendet“, zitiert der Stern einen Sprecher der israelischen Armee am 13. Oktober 2023.

Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zum Krieg im Nahen Osten finden Sie hier.

Redigatur: Viktor Marinov, Kimberly Nicolaus

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Videobericht der Welt über den Einsatz von Brandmunition in Wuhledar, 12. März 2023: Link
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Nahost-Konflikt

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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