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Nein, die EU plant kein Verbot von traditionellem Toilettenpapier

Die Europäische Union ergreift Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Papierproduktion, schlägt jedoch nicht vor, Toilettenpapier zu verbieten. Im August 2023 kursierte auf Polnisch die Behauptung, dass die EU die schrittweise Abschaffung von Toilettenpapier plane, das zunächst durch ein Produkt aus Stroh ersetzt und anschließend ganz verboten werden solle. Ein Sprecher der Europäischen Kommission bestätigte jedoch gegenüber AFP, dass die EU „keine Absicht hat, Toilettenpapier zu verbieten“. AFP konnte keine Ankündigungen eines solchen Verbots finden, und auch Vertreterinnen und Vertreter der Papierindustrie sagten, sie wüssten nichts von einem derartigen Vorhaben. Toilettenpapier aus Stroh anstelle von Zellstoff ist zwar inzwischen auf dem Markt, aber es gibt keine Bestrebungen, die EU-Länder zur Verwendung dieses Papiers zu zwingen oder andere Sorten zu verbieten.

In Polen stehen am 15. Oktober 2023 Parlamentswahlen an. Im Wahlkampf der politischen Parteien wurden die EU-Umweltpläne zum Gegenstand von Kritik und Diskussionen. Die rechtsextreme Partei Konfederacja rief in ihrem Programm dazu auf, „den Öko-Wahnsinn der EU zu stoppen“, während die rechtspopulistische Regierungspartei PiS der EU vorwarf, die Waldbewirtschaftung zu diktieren.

Die EU und ihre angeblichen Versuche, ins Alltagsleben der Menschen einzugreifen, sind häufig Thema von Falschinformationen. AFP hat bereits Behauptungen widerlegt, wonach Brüssel einen geheimen Plan verfolge, die Menschen dazu zu bringen, Insekten zu essen, sowie Behauptungen über die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen.

Diesmal verbreiteten traditionelle Medien und Userinnen und User in sozialen Netzwerken die unbegründete Behauptung eines angeblich geplanten Verbots von Toilettenpapier.

„Kommen wir zu einer weiteren absurden Idee von EU-Beamtinnen und -Beamten, die mit dem Kampf gegen den Klimawandel begründet wird. Nun – das ist leider kein Scherz – Brüssel will die Verwendung von Toilettenpapier verbieten. Zunächst soll es durch einen Ersatz aus Stroh ausgetauscht und schließlich ganz abgeschafft werden“, moderierte eine Moderatorin des polnischen Senders TVP3 Opole am 16. August 2023 einen Bericht zum angeblichen Verbot an. Der Facebook-Beitrag des Senders mit einem Videoausschnitt des Berichts wurde über 300.000 Mal aufgerufen und mehr als 2400 Mal kommentiert. Die meisten Kommentare waren EU-feindlich: „Verlasst die Union. Referendum“ oder „Polen raus aus der EU“.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 22. August 2023

Der polnischsprachige Fernsehbericht wurde am selben Tag als Teil einer längeren Nachrichtensendung ausgestrahlt (ab Minute 1:08). Die Nachrichtensendung, Kurier Opolski, wurde vom Sender TVP3 Opole gesendet, einem regionalen Ableger des öffentlich-rechtlichen polnischen Fernsehsenders TVP. In der nationalen Ausgabe von TVP konnte AFP keinen Hinweis auf den Bericht finden.

Im TVP3-Bericht werden „europäische Medien“ zitiert, die über den Toilettenpapierersatz auf Strohbasis und ein mögliches Verbot spekulieren. In einer Umfrage werden Polinnen und Polen befragt, was sie von dem angeblichen EU-Plan halten. Der Bericht hinterfragt außerdem die Logik eines angeblichen EU-Vorhabens, Toilettenpapier durch Bidets zu ersetzen.

Auf AFP-Anfrage antwortete der Direktor von TVP3 Opole am 7. September 2023 in einer E-Mail: „TVP3 Opole gibt zu dieser Angelegenheit keinen Kommentar ab.“

Die irreführende Behauptung, die EU wolle Toilettenpapier verbieten oder durch Papier auf Strohbasis und Bidets ersetzen, wurde in verschiedenen anderen polnischsprachigen Artikeln verbreitet: hier, hier und hier. Viele polnischsprachige Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke teilten die Behauptung auf X (ehemals Twitter, hier und hier) und Facebook (hier und hier). Einige der Behauptungen beziehen sich auf spanische Medien als angebliche Quellen der Geschichte. Auch in slowakischsprachigen Beiträgen wurde unter Berufung auf spanische Medien behauptet, dass „traditionelles Toilettenpapier“ angeblich abgeschafft und durch Papier aus Stroh ersetzt werden solle (hier und hier).

Facebook-Screenshot der Behauptung: 24. August 2023

Wie kam es zu den Behauptungen?

Eine Suche nach Artikeln in verschiedenen Sprachen über ein Verbot von Toilettenpapier ergab einen anscheinend scherzhaften Artikel des rumänischen Medienunternehmens Mediafax, der am 1. April 2023, am Tag des Aprilscherzes, veröffentlicht wurde. Das Datum wird in großer Schrift am Anfang des Artikels genannt und es werden Zitate von hochrangigen Persönlichkeiten wie von der Leyen verwendet, die mit der Aussage zitiert werden, dass Toilettenpapier in der gesamten EU verboten und „japanische Toiletten“ eingeführt werden sollen.

Einige Monate später kursierten in Polen offenbar ernst gemeinte Behauptungen, dass die EU Toilettenpapier aus Stroh fördere und dass eine „völlige Abschaffung von Toilettenpapier nicht ausgeschlossen“ sei. Diese Behauptungen (zum Beispiel hier, hier und hier) wurden am 9. August 2023 unter Berufung auf einen Bericht des Spanien-Korrespondenten der Polnischen Presseagentur (PAP) in Spanien veröffentlicht. AFP liegt eine Kopie des am 9. August 2023 veröffentlichten PAP-Artikels mit dem Titel „Spanien/Medien: Brüssel fördert Stroh-Toilettenpapier zur Bewältigung der Klimakrise“ vor. Der Artikel zitiert einen Text aus „El Economista“, einer spanischen Wirtschaftszeitung, die 2006 von der konservativen spanischen Tageszeitung „El Mundo“ gegründet wurde.

Sowohl der Artikel von „El Economista“ als auch der PAP-Bericht spekulierten zwar darüber, dass die Tage des traditionellen Toilettenpapiers gezählt sein könnten, und verwiesen auf Alternativen wie Papier auf Strohbasis oder Bidets, erwähnten aber kein mögliches EU-Verbot.

Der PAP-Bericht scheint sich auf einen Bericht von „El Economista“ vom 29. Juli 2023 zu beziehen, der keinerlei Verfasserangaben enthält und nur sehr wenig Kontext zur Untermauerung seiner Aussagen bietet. Stattdessen scheint es sich um einen Werbeartikel zu handeln, der die Vorzüge eines Bidets anpreist, das von einem ecuadorianischen Unternehmen hergestellt wird. Der Artikel enthält einen X-Beitrag des Unternehmens, in dem es für seine Dienstleistungen wirbt.

Der einzige Hinweis auf die EU findet sich am Ende des Artikels von „El Economista“ mit der Erwähnung eines Artikels einer anderen spanischsprachigen Website, „Libre Mercado“, über einen angeblichen Vorstoß der EU in Richtung Toilettenpapier aus Stroh.

In dem Artikel von „Libre Mercado“ wird auch kein Verbot von Toilettenpapier erwähnt, obwohl er die irreführende Behauptung aufstellt, dass die EU auf die Einführung von Stroh-Toilettenpapier „drängt“.

Obwohl Stroh-Toilettenpapier von europäischen Banken für Investitionen in nachhaltige Entwicklungsprojekte finanziert wird, schlägt die EU nicht vor, dass es andere Papiersorten ersetzen solle.

Europäische Kommission hat nicht die Absicht, Toilettenpapier zu verbieten

Auf AFP-Anfrage sagte ein Sprecher der Europäischen Kommission zu dieser Behauptung: „Die Europäische Union hat nicht die Absicht, Toilettenpapier zu verbieten. Und es gibt keinen Vorschlag, weder aktuell noch in Vorbereitung, um es in Zukunft zu verbieten.“

Der Sprecher fügte hinzu, dass die EU-Gesetzgebung den Herstellern von Toilettenpapier zwar vorschreibe, die Umwelt zu schützen, indem sie sicherstellen, dass für ihre Produkte keine Materialien aus Abholzungsgebieten verwendet würden, dies aber nicht einem Verbot von Toilettenpapier gleichkomme.

„Toilettenpapier fällt tatsächlich in den Geltungsbereich der Entwaldungsverordnung. Produkte und ihre Rohstoffe dürfen nur dann auf den EU-Markt gebracht und von dort exportiert werden, wenn sie legal hergestellt wurden und aus entwaldungsfreien Gebieten stammen“, teilte der Sprecher gegenüber AFP in einer E-Mail vom 24. August 2023 mit.

In der EU-Verordnung zur Entwaldung (hier archiviert) heißt es, dass der Verbrauch von Holz und anderen Rohstoffen wie Palmöl, Sojabohnen, Kakao, Kaffee, Rind und Kautschuk zur „weltweiten Entwaldung und Waldschädigung“ führe. Das meiste Toilettenpapier wird aus Holzzellstoff hergestellt.

In Artikel 3 des Gesetzes heißt es, dass all diese Waren nicht in den Verkehr gebracht, bereitgestellt oder ausgeführt werden dürften, wenn sie nicht entwaldungsfrei seien und den Gesetzen des Produktionslandes entsprächen.

Screenshot der EU-Verordnung: 27. September 2023

Das Gesetz sieht kein Verbot von Toilettenpapier aus Zellstoff oder Toilettenpapier im Allgemeinen vor.

AFP konnte auf der Website der EU keinen Hinweis auf ein Verbot von Toilettenpapierprodukten jeglicher Art oder eine öffentliche Ankündigung eines solchen Vorhabens finden.

Keine Pläne, Toilettenpapier auf Strohbasis in der gesamten EU einzuführen

Die Europäische Investitionsbank (EIB), die Finanzierungsinstitution der EU, und andere Finanzinstitute in Europa haben einem Unternehmen, das umweltfreundlicheres Toilettenpapier entwickelt, Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Dies ist jedoch nur eines von vielen Projekten der Kreislaufwirtschaft, die auf diese Weise unterstützt wurden. Entgegen zahlreicher Online-Meldungen hat Brüssel kein Verbot der Verwendung anderer Toilettenpapiersorten vorgeschlagen.

Der schwedische Konzern Essity produziert Toilettenpapier aus Stroh in einer seiner Fabriken in Mannheim, Deutschland, wie er 2019 bekanntgab. In einer Pressemitteilung der EIB (hier archiviert) vom Juli 2023 wird Essity als eines der Unternehmen angeführt, die von einer Gruppe von Banken und Institutionen im Rahmen der Joint Initiative on Circular Economy (JICE), der auch die EIB angehört, unterstützt wurden.

Essity will in einer Fabrik in Mannheim Toilettenpapier herstellen. Die JICE-Finanzierung für das Projekt stammt nach EIB- und Essity-Angaben von der deutschen Bank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) (hier archiviert). Unabhängig davon kündigte die EIB im Dezember 2021 ein Darlehen von 300 Millionen Euro (hier archiviert) für „Forschung, Entwicklung und Innovation“ an Essity an.

Vanessa Paul, Sprecherin der EIB, erklärte gegenüber AFP am 31. August 2023, dass das Darlehen in Höhe von 300 Millionen Euro für rund 115 Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsprojekte vorgesehen sei, von denen keines mit einem angeblichen Verbot von Toilettenpapier in Verbindung stehe.

Essity verkündete in einer Pressemitteilung, dass das Darlehen dazu gedacht sei, „innovative Produkte und Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung in allen Geschäftsbereichen und Produktsegmenten bis 2024“ zu unterstützen.

Essity-Sprecher Karl Stoltz teilte AFP in einer E-Mail am 1. September 2023 mit, dass ein Teil der Mittel für die Entwicklung der Produktion von Papierprodukten auf Stroh- oder alternativer Faserbasis verwendet werde.

Laut Gruppe der Papierindustrie bleiben nachhaltige Papierprodukte freiwillig

Der europäische Verband der Papierindustrie (Cepi) erklärte gegenüber AFP, dass ihm „kein Verbot oder Projekt zum Verbot oder zur Abschaffung von Toilettenpapier“ bekannt sei.

„Keine der bereits verabschiedeten oder zur Verabschiedung anstehenden Rechtsvorschriften unter dem Dach des ‚EU-Green Deal‚ (Fit-for-55, EU-Entwaldungsverordnung etc.) enthält einen solchen Grundsatz“, erklärte Margherita Miceli, Forest Policy Manager von Cepi, am 23. August 2023 in einer E-Mail an AFP.

„Bei dem in der EIB-Pressemitteilung erwähnten Projekt geht es in der Tat um die Förderung von Projekten der Kreislaufwirtschaft einschließlich der Verwendung von Nebenprodukten und Reststoffen als Rohstoffe, aber die Teilnahme an solchen Projekten ist freiwillig“, teilte sie mit.

Fazit: Die EU plant kein Verbot von Toilettenpapier und hat auch nicht vor, traditionelles Klopapier durch Stroh-Toilettenpapier zu ersetzen. Das bestätigten sowohl Sprecherinnen und Sprecher der Europäischen Kommission als auch der Papierindustrie. Toilettenpapier aus Stroh anstelle von Zellstoff ist inzwischen auf dem Markt.

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Verbraucher, EU

Autor(en): Maja CZARNECKA / AFP Polen / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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