Bewertung
Die Rechnung ist in sich fehlerhaft und sie vernachlässigt zentrale Aspekte wie indirekte Steuern, den Wert öffentlicher Arbeit sowie die komplexe Verflechtung von Ein- und Auszahlungen. Mindestens eine Studie zeigt, dass weit mehr als 17 Prozent der Bevölkerung mehr einzahlen, als sie vom Staat erhalten.
Fakten
Der deutsche Staat hat eigenen Angaben zufolge 2024 rund 948 Milliarden Euro an Steuern eingenommen. Diese Einnahmen sind vielfältig: etwa aufgrund der Einkommens- und Lohnsteuer, die auf das Bruttogehalt von Arbeitnehmern anfällt. Oder wegen der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), die auf nahezu alle Konsumausgaben erhoben wird – jeder, der einkauft, zahlt automatisch Steuern. Aber auch Zoll, Gewerbe-, Tabak- oder Energiesteuer zählen dazu.
Laut Statistischem Bundesamt machte die Lohnsteuer im vergangenen Jahr etwa 26 Prozent der gesamten Steuereinnahmen aus (248,9 Milliarden Euro). Zu argumentieren, dass die Steuerlast alleine von Arbeitnehmern getragen würde, ist demnach bereits fehlerhaft.
In dem Video heißt es: «14 Millionen sind vom Staat abhängig – also werden vom Staat bezahlt.» Argumentiert wird oft, dass beispielsweise Beamte mehr Kosten verursachten als sie einzahlen, wenn sie vom Staat bezahlt werden. Dass sie Werte wie Bildung, Sicherheit oder bessere Lebensbedingungen schaffen, fällt dabei unter den Tisch. Ein Beitrag der «Tagesschau», die eine ähnliche Behauptung zu «Nettosteuerzahlern» prüfte, erklärt die Einzelheiten.
Rechnung in sich fehlerhaft
Schon die Zahlenangaben des Sprechers in dem Video sind zumindest ungenau. Er sagt, 27 Millionen Netto-Steuerzahler entsprächen etwa 33 Prozent der Bevölkerung. Tatsächlich lebten in Deutschland Ende 2024 jedoch 83,6 Millionen Menschen und nicht nur 81,3 Millionen, wie es nach seiner Rechnung wären.
Folgte man den Angaben des Sprechers weiter und zöge 14 Millionen Menschen von den 27 Millionen ab, käme man auf 13 Millionen Steuerzahler. Diese entsprächen aber nicht den eingangs erwähnten 17 Prozent, sondern wären weniger als 16 Prozent der Bevölkerung. Schon der Formulierung der These liegt also ein Rechenfehler zugrunde.
Wert der Arbeitsleistung nicht einberechnet
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sind 16 Prozent der Haushalte Nettoempfänger, wenn man nur direkte Steuern und monetäre Transfers betrachtet – mit Sozialversicherungen steigt der Anteil auf 43 Prozent. Der Hauptgrund dafür sind gesetzliche Renten. Würde man auch staatliche Sachleistungen wie Bildung oder Gesundheitsversorgung einbeziehen, verschöbe sich das Bild deutlich.
Die Behauptung, öffentlich Beschäftigte seien keine echten Steuerzahler, weist Studienautor Martin Beznoska auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zurück: Sie leisten Arbeit wie in der Privatwirtschaft und sind keine Transferempfänger. Zuvor hatte der Ökonom bereits an einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu diesem Thema mitgewirkt.
Die Wechselwirkungen im Staatshaushalt lassen sich nicht durch simples Aufrechnen erfassen. Wer die Verteilung staatlicher Mittel verstehen will, muss über reine Zahlenvergleiche hinausgehen. Tatsächlich tragen deutlich mehr Menschen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben bei, als oft behauptet wird.
(Stand: 19.6.2025)