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RKI-Statistik zu hitzebedingten Sterbefällen falsch wiedergegeben

Der Klimawandel bringt Deutschland heißere Sommer. In der Politik gibt es deswegen Diskussionen darüber, wie das Land sich an das geänderte Klima anpassen kann. Zum Beispiel hat das Gesundheitsministerium im Juli einen Hitzeschutzplan präsentiert. Minister Karl Lauterbach (SPD) berief sich dabei unter anderem auf Zahlen zu Hitzetoten, also Todesfällen aufgrund von heißen Temperaturen.

In den sozialen Netzwerken stellen einzelne Nutzerinnen und Nutzer die Behauptung auf, dass das zuständige Robert Koch-Institut (RKI) «alle Menschen die bei mehr als 20 Grad sterben als Hitzetote» zähle (Zeichensetzung wie im Original). Andere Nutzer schreiben, «schon bei 20 Grad» könne man laut RKI «den Hitzetod sterben». Stimmt das?

Bewertung

Nein. Der Bericht des RKI, auf den sich die Beiträge beziehen, wird falsch wiedergegeben. Die 20 Grad sind eine Mitteltemperatur und für diese ein vergleichsweise hoher Wert. Bei Angaben zu Hitzetoten handelt es sich, wie es bei Fragen zur Übersterblichkeit die Regel ist, aber um statistische Modellierungen und Schätzungen.

Fakten

Die Behauptungen gehen zurück auf eine Grafik, die das RKI am 27. Juli in einem «Wochenbericht zur hitzebedingten Mortalität» veröffentlicht hat. In der Grafik auf Seite 3 sind mehrere Zeiträume aus den Sommern 2022 und 2023 markiert. Laut Legende handelt es sich um Wochen «über 20°C». Ungefähr in diese Zeiträume fallen auch rote Markierungen in einer Kurve, die die Zahl aller Sterbefälle anzeigt. Die Beschriftung «mit Hitze» wird von Nutzerinnen und Nutzern offenbar so verstanden, als ob pauschal alle Sterbefälle in diesem Zeitraum mit Hitze in Verbindung gebracht werden.

Doch das ist aber nicht der Fall. Den fraglichen Social-Media-Postings liegen mehrere falsche Annahmen zugrunde.

«20 Grad Celsius» sind eine hohe Mitteltemperatur

Zunächst einmal bezieht sich die Angabe «Woche über 20°C» nicht auf Höchsttemperaturen. Stattdessen, so erklärt das RKI in dem Wochenbericht, ist die mittlere Temperatur einer Woche gemeint. Hintergrund sind stündliche Messungen an Messpunkten des Deutschen Wetterdienstes. Es handelt sich um einen Durchschnittswert, der also zum Beispiel auch nächtliche Temperaturen einbezieht. Für eine solche Durchschnittstemperatur sind 20 Grad Celsius ein vergleichsweise hoher Wert.

In einer weiteren Grafik im Bericht zeigt das RKI auf, dass der Median der Jahre 1991 bis 2020 diesen Wert kaum je erreicht. Eine solche Woche ist für die Verhältnisse in Deutschland also sehr warm, was hauptsächlich an heißen Tagen und nur wenig Abkühlung in der Nacht liegt. Mit 20 Grad Celsius ist also kein einzelner Messwert und auch keine Tageshöchsttemperatur gemeint.

Nicht alle Todesfälle in den Zeiträumen sind hitzebedingt

Zudem wird auch während eines Zeitraums mit einer Wochendurchschnittstemperatur über 20 Grad, anders als behauptet, nicht jeder Todesfall als hitzebedingt eingestuft. Die RKI-Grafik zeigt für die Sterbefälle eine blaue und eine rote Kurve. Beides sind statistische Modellierungen, einmal «mit Hitze» und einmal «ohne Hitze». In diese Modellierungen flössen zum Beispiel langfristige Trends bei den Sterbezahlen ein, schreibt das RKI in einem anderen Bericht über die Methodik.

Im Bericht von Ende Juli gibt es in den markierten Zeiträumen eine Abweichung vom langfristigen Trend nach oben, also eine sogenannte Übersterblichkeit. Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs mit hohen Temperaturen stuft das RKI diese als hitzebedingt ein. Damit sind allerdings nicht alle Todesfälle in diesem Zeitraum mit hohen Temperaturen gemeint, sondern lediglich der Anstieg, der ohne Hitze statistisch nicht zu erwarten war.

Mit solchen statistischen Verfahren lassen sich auch absolute Zahlen schätzen. Für das Jahr 2023 sprach das Institut mit Stand vom 27. Juli bis zur Kalenderwoche 28 von 1510 hitzebedingten Sterbefällen. Bis zum aktuellen Berichtsdatum am 21. September 2023 ist die Zahl auf geschätzte 3200 hitzebedingte Sterbefälle gestiegen. Da solche Angaben mit Ungenauigkeiten behaftet sind, nennt das RKI aber ein sogenanntes Prädiktionsintervall, also eine statistische Angabe zu einer möglichen Abweichung nach unten und oben.

Für wen Hitze gefährlich sein kann

Hitzeperioden können vor allem älteren Menschen, Menschen mit Vorerkrankung sowie Säuglingen und Kleinkindern zu schaffen machen, schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Sehr hohe Temperaturen tagsüber und fehlende Abkühlung in der Nacht, etwa in sogenannten Tropennächten, können den Körper belasten und zum Beispiel zu Herz-Kreislauf-Problemen führen. Wissenschaftler erwarten in Deutschland aufgrund der Klimaerwärmung mehr Belastungen durch Hitze.

(Stand: 25.9.2023)

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Klimawandel, Wissenschaft, Gesundheit

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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