„Schottische Regierung gibt endlich zu, dass das Tragen von Masken schädlich ist“, heißt es Anfang November in verschiedenen Beiträgen auf Telegram und Facebook. Eine „konzertierte Kampagne“ habe erreicht, dass „das routinemäßige Tragen von Masken in sozialen Einrichtungen“ beendet werden solle. Allein auf Telegram sahen mehr als 70.000 Nutzerinnen und Nutzer die Behauptung.
Die Beiträge beziehen sich auf einen Artikel des britischen Blogs The Daily Sceptic vom 2. November. Dessen Text wurde offenbar vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Ein Tweet des Chefredakteurs von The Daily Sceptic, Toby Young, die schottische Regierung habe „endlich erkannt, dass Maske tragen schädlich“ sei und habe in Folge einer Kampagne „die Empfehlung zum Tragen von Masken in Pflegeheimen“ beendet, wurde mehr als 2.000 Mal geteilt.
Doch die Behauptung ist irreführend. Die schottische Regierung hat sich nach eigener Aussage nicht so geäußert und betont weiterhin, dass Masken wirksam bei der Eindämmung von Covid-19 seien. Ein Pressesprecher teilte uns mit, es sei klar, dass „Gesichtsmasken eine entscheidende Präventivmaßnahme gegen die Verbreitung von Covid-19 sind und bleiben.“
Schottische Regierung lockerte Empfehlungen für Gesichtsmasken in der sozialen Betreuung
Der Blog The Daily Sceptic veröffentlicht skeptische Texte zu Covid-19-Maßnahmen und fiel in der Vergangenheit bereits mit Falschmeldungen auf.
Im aktuellen Fall wird behauptet, die schottische Regierung habe zugegeben, dass Masken schädlich seien. In Reaktion auf einen Faktencheck der Nachrichtenagentur Reuters, in dem ein Pressesprecher der schottischen Regierung der Behauptung widersprach, veröffentlichte The Daily Sceptic einen weiteren Artikel. Darin heißt es, die schottische Regierung verzerre ihre ursprüngliche Aussage, die sie bei einem Runden Tisch am 16. August getroffen habe.
Organisiert wurde dieser Runde Tisch von der schottischen Wohltätigkeitsorganisation Alzheimer Scotland. Wie die Organisation auf ihrer Webseite schrieb, veranstaltete sie das Treffen mit einer Reihe von Interessengruppen aufgrund zunehmender Bedenken hinsichtlich der Verwendung von Gesichtsmasken. Am Runden Tisch nahmen auch Mitglieder der schottischen Regierung teil, wie uns die Organisation und die schottische Regierung auf Anfrage bestätigten.
Am 7. September verkündete die schottische Regierung, dass Masken im Bereich der sozialen Betreuung nicht mehr zwingend notwendig seien. Im Artikel von The Daily Sceptic heißt es, die neuen Empfehlungen seien eine „direkte Antwort“ auf das Treffen gewesen.
Aus den Rückmeldungen der schottischen Regierung und Alzheimer Scotland gegenüber CORRECTIV.Faktencheck geht das jedoch nicht hervor. Sie schreiben uns, dass die aktualisierten Empfehlungen auf einer Reihe von Empfehlungen und Erfahrungen beruhten. Das Treffen habe stattgefunden, als die Regierung aufgrund des starken Rückgangs von Covid-19-Infektionen über neue Maskenempfehlungen diskutiert habe.
Wie die schottische Regierung am 7. September in einer Pressemitteilung verkündete, sei die erfolgreiche Impfkampagne des Landes Grund für die Lockerungen gewesen. Sie habe zu weniger Covid-19-Infektionen geführt, man wolle daher die Kommunikation im Pflegebereich wieder erleichtern. Fortan müssen Besucherinnen und Besucher sowie Pflegepersonal keine Masken mehr tragen. Gesundheitspersonal, zum Beispiel in Krankenhäusern und Arztpraxen, wird jedoch weiterhin das Tragen einer Maske empfohlen. Die Regierung empfiehlt Menschen über 12 Jahren zudem weiter Masken in geschlossenen öffentlichen Räumen und öffentlichen Verkehrsmitteln zu tragen.
Schottische Regierung: Masken eine wirksame Maßnahme zur Infektionskontrolle
Die Behauptung des Blogs, „die schottische Regierung gibt endlich zu, dass Masken schädlich sind“ ist irreführend. Weder Alzheimer Scotland noch die Regierung benutzen den Begriff „Schaden”, erklärten uns jedoch, dass Masken in bestimmten Situationen Nachteile mit sich bringen könnten.
Laut Alzheimer Scotland gebe es „kaum Zweifel“ daran, dass Masken die Qualität personenbezogener Pflege für Menschen mit Demenz beeinträchtigen, da „die nonverbale Interaktion mit dem Personal durch das Tragen von Masken stark eingeschränkt“ sei.
Die schottische Regierung dementierte, dass man sich bei dem Treffen geeinigt habe, dass Masken schädlich seien. Unter bestimmten Umständen, zum Beispiel bei Demenzkranken, könne das langfristige Tragen von Masken sowohl Nachteile als auch Vorteile mit sich bringen. Insgesamt hätten die Vertreter der schottischen Regierung auf der Sitzung jedoch bekräftigt, dass das Tragen von Masken eine wirksame Maßnahme zur Infektionskontrolle sei.
The Daily Sceptic bezog sich laut Valerie Nelson, der Autorin des Artikels, mit dem Begriff „Schaden“ (auf Englisch: „harm“) auf allgemeine Situationen, die sich negativ auf vulnerable Erwachsene auswirkten. Ohne Hinweis auf die bestimmten Umstände, auf die die Regierung und Alzheimer Schottland aufmerksam machen, führt diese Definition als Überschrift des Artikels jedoch in die Irre. In ihren Artikeln behauptet Nelson zudem, dass ein Ergebnis des Runden Tischs ein sogenanntes „Positionspapier“ („position statement“) gewesen sei, in dem „Schäden durch das Tragen von Masken“ eindeutig identifiziert worden seien. Auf unsere Nachfrage wollte Nelson dieses Papier jedoch nicht zur Verfügung stellen. Unsere Nachfrage an Alzheimer Scotland zu dem Papier blieb bisher unbeantwortet.
Immer wieder kursieren irreführende Behauptungen, das Tragen von Masken sei gefährlich, wie wir etwa in einem Faktencheck von April berichteten. Damals kursierte die Behauptung, Masken würden zu vermehrten Todesfällen führen. Die Studie, auf die sich diese Behauptung stützte, konnte so einen kausalen Zusammenhang aber nicht nachweisen. Mehrere Studien bestätigten hingegen die grundsätzliche Wirksamkeit von Masken bei der Verhinderung von Covid-19-Infektionen.
Redigatur: Gabriele Scherndl, Matthias Bau
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: