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Vorsicht vor diesen Behauptungen zur Gendarmerietruppe Eurogendfor

Die internationale Gendarmerietruppe Eurogendfor hat die Aufgabe, Militär- und Polizeieinheiten in instabilen Regionen weltweit zu unterstützen. Online heißt es allerdings, bei der Truppe handele es sich um eine Einheit zur Niederschlagung von Aufständen in der Europäischen Union. Bei der Eurogendfor handelt es sich aber gar nicht um eine Einheit der Europäischen Union. 

Hunderttausende haben die Behauptungen zur Gendarmerietruppe Eurogendfor auf Telegram gesehen. Auch auf Facebook, Twitter und TikTok werden entsprechende Beiträge weiterverbreitet. Im Video spricht der rechtspopulistische österreichische Politiker Ewald Stadler.

Die Behauptung: In den Beiträgen zur Eurogendfor heißt es, die Truppe sei heimlich in der EU installiert worden. Der Einsatzzweck sei „ganz klar die Niederschlagung von Aufständen in den Ländern der EU.“ Zudem unterliege die Eurogendfor weder einer demokratischen Kontrolle noch Gesetzen. Angeblich könne die Truppe auch unabhängig von Entscheidungen der vor Ort zuständigen Regierungen eingesetzt werden.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 06.10.2022

Bereits in der Vergangenheit wurden im Netz Falschbehauptungen zur Europäischen Gendarmerietruppe Eurogendfor (EGF) verbreitet. So widerlegte AFP im Februar 2022 angebliche Berichte über einen Einsatz der Einheit bei Protesten in Paris. Die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ schrieb schon im Jahr 2014 von Verschwörungstheorien rund um die EGF. Mit zunehmenden Energie- und Lebensmittelpreisen steigt die Befürchtung eines „heißen Herbstes“, also gewalttätigen sozialen Unruhen im Herbst in Deutschland. Im Kontext dieser Sorge verbreiteten sich zuletzt bereits Behauptungen, wonach die Bundeswehr angeblich ab Oktober auf den Straßen patrouillieren solle.

Was ist Eurogendfor?

Wie Eurogendfor auf der eigenen Website angibt, handelt es sich bei der Truppe um einen Zusammenschluss von Gendarmerieeinheiten aus Frankreich, Italien, den Niederlanden, Polen, Portugal, Spanien und Rumänien. Zudem sind litauische Gendarmeriekräfte seit 2009 Partner der Organisation. Die Türkei hält ebenfalls seit 2009 einen Beobachterstatus in der EGF inne.

Die Eurogendfor erklärt online, die Truppe könne sowohl innerhalb einer zivilen als auch innerhalb einer militärischen Kommandostruktur arbeiten. Staaten wie Österreich und Deutschland, deren Polizeiorganisationen eine rein zivile Funktion erfüllen und keine militärischen Aufgaben übernehmen, können daher nicht der Eurogendfor beitreten, wie in dieser Anfrage aus dem österreichischen Parlament im Jahr 2015 erläutert wird. Gendarmeriekräfte besitzt Deutschland nicht.

Auf der Website der Carabinieri, der italienischen Gendarmerie, heißt es, Eurogendfor sei ein Instrument zum Krisenmanagement, das internationalen Organisationen, wie beispielsweise der Europäischen Union, zur Verfügung stehe. Als bisherige Einsatzorte listet die EGF online Afghanistan, Bosnien und Herzegowina, Haiti, die Zentralafrikanische Republik, Libyen, Mali, Tunesien und die Ukraine. EU-Länder sind nicht in der Aufzählung.

Zu möglichen Einsatzszenarien schreibt die Eurogendfor selbst online, die Organisation sei in von Krisen betroffenen Regionen tätig. Mögliche Szenarien für einen Einsatz seien die Erfüllung einer Ersatzfunktion für örtliche Sicherheitskräfte im Fall eines erheblichen Zusammenbruchs staatlicher Institutionen, die Unterstützung von örtlichen Polizeikräften in einer beobachtenden oder beratenden Funktion oder auch die Entsendung in humanitären Notsituationen, wie zum Beispiel bei Naturkatastrophen.

So beteiligte sich die Eurogendfor zum Beispiel von 2009 bis 2014 an der Ausbildung der afghanischen Nationalpolizei oder unterstütze 2010 im Rahmen einer UN-Mission nach einem Erdbeben in Haiti örtliche Polizeikräfte und die Zivilpolizei der Vereinten Nationen.

AFP Foto zeigt afghanische Polizeikräfte, die im September 2012 an einer Übung unter Leitung der Eurogendfor teilnehmen.

Eurogendfor ist keine EU-Truppe 

Die Behauptung, dass es sich bei der Eurogendfor angeblich um eine heimlich von der EU installierte Einheit zur Niederschlagung von Aufständen handelt, ist falsch.

Bereits 2008 erklärte die EU-Kommission auf Anfrage, dass es sich bei der Eurogendfor um keine Institution der Europäischen Union handele. Stattdessen sei die Organisation eine Initiative einzelner Staaten. Dass die Verantwortung für die Gendarmerie-Truppe nicht bei der Europäischen Union liegt, betonte die Kommission immer wieder (hier, hier). Die Europäische Kommission sei nicht in „die Missionen, Aufgaben, interne Organisation, die Mittel oder den Betrieb der EGF“ involviert. „Eurogendfor ist weder der Kommission noch anderen EU-Institutionen gegenüber rechenschaftspflichtig.“

Auch in der erwähnten Anfrage im österreichischen Parlament wird die Eurogendfor als „eigenständige überstaatliche Gendarmerietruppe“ bezeichnet. Darin wird auch von einer „Gründungsurkunde“ der Organisation, dem Vertrag von Velsen, gesprochen. Dieser Vertrag vom 18. Oktober 2007 ist auch auf der Website von Eurogendfor einsehbar. Dem vorausgegangen war eine Absichtserklärung im Jahr 2004. Hier handelt es sich also nicht um einen geheimen Vertrag der EU, sondern um einen einsehbaren Vertrag zwischen Staaten.

Zudem listet die Website von Eurogendfor keine Einsätze der Einheit in der Europäischen Union. Auf Twitter schrieb die Organisation 2019, die Eurogendfor sei „nur außerhalb der Grenzen der Europäischen Union tätig“. Dies bestätigt eine Angabe der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2008: „Die Europäische Gendarmerietruppe, die keine EU-Einrichtung ist, hat keine Befugnis, auf dem Boden der Mitgliedstaaten einzugreifen.“ Der Einsatz ausländischer Polizeikräfte auf eigenem Staatsgebiet falle in die Zuständigkeit nationaler Behörden.

Das deutsche Auswärtige Amt antwortete auf eine Anfrage im Bundestag im Jahr 2014, die Eurogendfor habe Einsätze innerhalb der EU ausgeschlossen. In einer weiteren solchen Anfrage aus dem Jahr 2016 wurde zudem nach gemeinsamen Übungen von deutschen Behörden und Gendarmerieeinheiten zur Reaktion auf militante Proteste gefragt. Dazu hieß es:

„Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über Übungen oder Trainings im Jahr 2015 vor, in denen deutsche Behörden mit Gendarmerieeinheiten zusammengearbeitet und dabei die Reaktion auf mitunter militante Proteste geübt haben.“

Kein Einsatz innerhalb der EU

Auf AFP-Anfrage bestätigte am 13. Oktober 2022 Christian Kreuder-Sonnen, Juniorprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Jena, dass es sich bei der Eurogendfor um eine eigenständige internationale Institution handele.

„Es gab ursprünglich Bestrebungen von Frankreich, die European Gendarmerie Force als Organ der EU zu etablieren. Dies ist jedoch von der Mehrheit der Mitglieder der EU abgelehnt worden – nicht zuletzt, weil die meisten Länder dem Konzept der Gendarmerie kritisch gegenüberstehen.“

In Deutschland verhindere das Grundgesetz die Aufstellung militärisch organisierter und ausgerüsteter Polizeieinheiten, so Kreuder-Sonnen. „Es verhindert gleichsam, dass Deutschland Gendarmerieeinheiten der EGF im Inland nutzt.“

Kreuder-Sonnen erläuterte, Zweck der EGF sei es, in internationalen Stabilisierungsmissionen in Konfliktregionen „robuste Polizeiaufgaben übernehmen zu können“, so beispielsweise in Afghanistan. Dafür benötige die Organisation aber ein Mandat einer für den Einsatz autorisierten internationalen Organisation wie den Vereinten Nationen oder der Nato.

„Die Niederschlagung von Aufständen im EU-Raum gehört nicht zu den Aufgaben der EGF und es gibt keine Hinweise, dass eine solche Absicht bestünde“, erklärte Kreuder-Sonnen. Die Eurogendfor sei noch nie in der EU eingesetzt worden. Möglich sei dies theoretisch nur auf Einladung der jeweiligen Regierung oder durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrates.

Andrea Masini, Sprecher der EU-Kommission für innere Angelegenheiten, bestätigte dies am 4. November 2022 gegenüber AFP: „Der Einsatz von ausländischen Polizeibeamten auf dem Gebiet eines Staates fällt in die Zuständigkeit nationaler Behörden.“

Rechtlichen Rahmenbedingungen der EGF

In den online verbreiteten Beiträgen wird zudem behauptet, die Eurogendfor müsse sich nicht an geltende Gesetze halten und unterliege keiner demokratischen Kontrolle.

Kreuder-Sonnen erläutert hierzu, die Eurogendfor unterstehe grundsätzlich den Mitgliedstaaten der Organisation beziehungsweise dem sogenannten Cimin, das die Mitglieder repräsentiert. Beschlüsse werden von den dort vertretenen Mitgliedsstaaten einstimmig gefällt.

Wie bei anderen Stabilisierungsmissionen auch, unterliege die EGF im Einsatz dem rechtlichen Rahmen des jeweiligen Mandates, so Kreuder-Sonnen. Ein Beispiel hierfür wäre ein Einsatzmandat auf Basis einer UN-Resolution, Die Eurogendfor unterstehe zudem dem nationalen Recht des Einsatzlandes oder der truppenentsendenden Staaten.

Dies ist ebenfalls im Gründungsvertrag der Organisation geregelt. „Das Eurogendfor-Personal und seine Familienangehörigen müssen die geltenden Gesetze im Aufnahmestaat respektieren.“

„Die EGF hat somit keinerlei rechtliche Sonderstellung und muss sich an nationale Gesetze und völkerrechtliche Normen halten,“ erklärte Kreuder-Sonnen.

Fazit: Die Gendarmerietruppe Eurogendfor ist keine Institution der EU und wurde noch nie auf dem Gebiet der Europäischen Union eingesetzt. Ihr Zweck ist die Durchführung von Stabilisierungsmissionen in Konfliktregionen.

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Politik, EU

Autor(en): Saladin SALEM, AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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