Südkoreanische Medien stellen Satire-Artikel fälschlicherweise als echtes Interview mit ehemaligem Nationaltrainer dar - Featured image

Südkoreanische Medien stellen Satire-Artikel fälschlicherweise als echtes Interview mit ehemaligem Nationaltrainer dar

Mehrere südkoreanische Medien stellten einen Satire-Artikel der deutschen Zeitung  „taz“ über Jürgen Klinsmann, der kürzlich als Trainer der südkoreanischen Nationalmannschaft entlassen wurde, als tatsächlich stattgefundenes Interview dar. In den Beiträgen wurde behauptet, dass Klinsmann gesagt haben soll, dass er nur selten in Südkorea gesehen worden sei, weil es keine Flüge „nach Pjöngjang“ – der Hauptstadt  Nordkoreas – gebe. Der Autor des Satire-Artikels berichtete AFP, dass er Klinsmann nie interviewt habe.

„Was soll das heißen? Klinsmann sagt, er habe von zu Hause aus gearbeitet, weil es fast keine Flüge von L.A. nach Pjöngjang gab“, lautet die Überschrift eines Artikels, der am 21. Februar 2024 von dem südkoreanischen Online-Medienunternehmen „My Daily“ veröffentlicht wurde.

In dem Artikel wird behauptet, Klinsmann habe in einem Interview mit der deutschen Zeitung „taz“ am 20. Februar 2024 „absurde“ Bemerkungen gemacht. Beispielsweise soll er „auf die Frage, warum er so selten in Korea zu sehen sei“, geantwortet haben: „Es ist ja nicht so, als ob ich noch nie dort gewesen wäre, aber es gibt einfach nur extrem wenige Flüge von Los Angeles nach Pjöngjang“.

Als der Interviewer Klinsmann darauf hinweist, dass die koreanische Halbinsel in zwei Länder geteilt und er der Trainer Südkoreas sei, soll er laut „My Daily“ geantwortet haben: „Als Deutscher bin ich mit geteilten Ländern vertraut“.

Der Artikel wurde mit fast 900 „wütenden“ Emojis kommentiert und einige Leserinnen und Leser baten um eine weitere Berichterstattung.

Screenshot des Artikels von „My Daily“: 21. Februar 2024

Screenshot des Artikels von „Segye Ilbo“: 21. Februar 2024

Die falschen Behauptungen tauchten auf, nachdem Klinsmann als Trainer der südkoreanischen Fußballnationalmannschaft nach einer demütigenden Niederlage gegen Jordanien im Halbfinale des Asien-Cups im Februar 2024 entlassen worden war. Südkoreanische Medien berichten auch, dass Klinsmann immer wieder dafür kritisiert wurde, zu viel Zeit im Ausland zu verbringen – was einer der Gründe für seine Entlassung war.

Ähnliche Artikel wurden auch von anderen südkoreanischen Medien wie „Segye Ilbo„, „Wikitree“ und „Money Today“ veröffentlicht, von denen einige später wieder entfernt wurden. Sie alle gaben die „taz“ als Quelle an. Die Behauptung wurde auch auf X hier, hier, hier und hier sowie auf Facebook und den südkoreanischen Online-Foren Ruliweb, Ppompu, Clien und Ordinalee. Das angebliche Interview hat es jedoch nie gegeben und der Artikel wurde von der „taz“ als Scherz veröffentlicht.

Ausgedachter Satire-Artikel

Wenige Tage nach Klinsmanns Entlassung als Trainer der südkoreanischen Nationalmannschaft veröffentlichte die „taz“ den Artikel in ihrer Satire- und Humor-Rubrik „Die Wahrheit“. In dem Artikel mit dem Titel „Nie wieder Pjöngjang!“ wird behauptet, dass sich Klinsmann „erstmals nach seiner Entlassung als südkoreanischer Nationaltrainer öffentlich äußert“.

Der Artikel enthält weitere Details, wie etwa, dass Klinsmann behauptet, er habe sich kürzlich mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un getroffen – wofür es jedoch keine Belege gibt. In einem Disclaimer neben dem Artikel heißt es auf Deutsch: „DIE WAHRHEIT ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit.“

Auf Nachfrage verwies Michael Ringel, der Redakteur des „taz“-Ressorts, in dem der satirische Artikel veröffentlicht wurde, auf die Website der Zeitung, die eine ähnliche Beschreibung enthält.

Cornelius Oettle, der Satiriker, der als Autor des Artikels genannt wird, sagte AFP, er habe Klinsmann für den Artikel nie interviewt.“Leider habe ich ihn nicht erreicht“, erklärte er in einer E-Mail vom 22. Februar 2024. Damit begründete er auch, warum er für die Erstellung des Artikels auf andere Mittel zurückgriff.

„Die KI hat bekanntlich die Möglichkeit, sich in prominente Personen hineinzuversetzen und anstatt Ihrer zu antworten, was für die moderne Interviewführung freilich ein Segen ist, weil es mir und Jürgen Klinsmann viel Zeit erspart hat“, erklärte er. Weiters schrieb er, dass er es „für die koreanischen Kollegen so formulieren kann: ‚Inspiriert von meinem Lieblingsfilm „Parasite“ (Originaltitel: 기생충 RR Gisaengchung) habe ich mich als etwas ausgegeben, was ich nicht bin: Jürgen Klinsmann und ich hatten eine mentale Verbindung, aber keine telefonische.'“

In einem Instagram-Post vom 16. Februar 2024 bezeichnete Klinsmann seine Zeit als Trainer der südkoreanischen Nationalmannschaft als „eine unglaubliche Reise“ und dankte seinen Spielern.

AFP fand keine öffentlichen Äußerungen von Klinsmann, die den in dem Satire-Artikel vorkommenden auch nur ansatzweise ähneln würden.

Fazit: Für den Satire-Artikel „Nie wieder Pjöngjang!“ der deutschen Zeitung „taz“ hat niemals ein Interview mit Jürgen Klinsmann stattgefunden – das, was wie ein Interview scheint, wurde von Cornelius Oettle erfunden. Der Text ist als Satire gekennzeichnet.

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Politik, Sport

Autor(en): Hailey JO / Lisa-Marie ROZSA / AFP Südkorea

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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