Im Januar 2024 kam es deutschlandweit zu großen Protesten von Landwirtinnen und Landwirten. Dazu verbreiten User in sozialen Medien ein Video mit der Falschbehauptung, die russische Botschaft in Berlin habe sich mit den Bauern solidarisiert, indem sie bei einer Demonstration Sirenen heulen ließ. Gegenüber AFP erklärte die russische Botschaft jedoch, keine Sirenen abgespielt zu haben und sich auch nicht mit den Landwirten zu solidarisieren. Die Sirenen kamen viel eher aus dem Demonstrationszug selbst, wie aus Medienberichten sowie Videos der Proteste von anderen Orten hervorgeht.
„Die russische Botschaft in Berlin ließ ihre Sirene läuten, um Bauern zu unterstützen, die gegen die Agrarpolitik in Deutschland protestierten“ heißt es in einem auf Facebook verbreiteten Video. In dem Clip sind mehrere Traktoren auf einer Straße vor einem Gebäude mit russischer Flagge zu sehen. Im Hintergrund ist das Heulen von Sirenen zu hören.
Auf Instagram wird das Video tausendfach geteilt. Auch auf anderen Plattformen wie Telegram und X kursiert die Behauptung. Diese findet sich zudem auf dem Account eines Politikers der deutschen AfD. Auf Englisch und Spanisch wurde die Aussage ebenfalls verbreitet.
Wegen des mittlerweile teilweise zurückgenommenen Vorhabens der Bundesregierung zu Subventionskürzungen für Agrarbetriebe riefen Landwirtinnen und Landwirte bundesweit zu Protesten Anfang Januar 2024 auf. Tausende nahmen mit ihren Traktoren teil und demonstrierten in Städten und auf Autobahnauffahrten.
In sozialen Medien haben die deutschlandweiten Bauernproteste viel Aufmerksamkeit erfahren. AFP hat bereits Falschbehauptungen im Zusammenhang damit überprüft (etwa hier, hier und hier).
Botschaft der Russischen Föderation widerspricht
Auch die aktuell mehrfach geteilte Aussage, die russische Botschaft in Berlin solidarisiere sich im geteilten Video mit den Landwirtinnen und Landwirten, ist falsch.
Die dazu geteilten Videos wurden tatsächlich vor der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin aufgenommen. Diese befindet sich im Ortsteil Mitte des gleichnamigen Bezirks am Boulevard Unter den Linden nahe des Brandenburger Tors. Ein Vergleich mit Aufnahmen auf Google Street View verdeutlicht, dass es sich um dasselbe Gebäude wie im Video handelt. Es sind etwa derselbe dreiteilige symmetrische Bau sowie derselbe schmiedeeiserne Zaun, der das Gebäude von der Straße abtrennt, zu sehen.
Am 15. Januar 2024 fand eine Großdemonstration von Landwirtinnen und Landwirten in Berlin statt. Aus mehreren Artikeln (etwa hier und hier) geht hervor, dass es um das Brandenburger Tor, in dessen unmittelbarer Nähe sich auch die russische Botschaft befindet, zu Verkehrsbeeinträchtigungen kam. Dies ist auch in dem aktuell geteilten Video ersichtlich: Auf der Straße sind keine fahrenden Autos zu sehen. Stattdessen befinden sich Traktoren und Demonstrierende auf der Fahrbahn.
Die Pressestelle der Botschaft schrieb AFP dazu am 26. Januar 2024: „Die in den sozialen Medien verbreiteten Informationen darüber, dass die Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland ‚eine Sirene‘ eingeschaltet habe, um sich mit den Demonstrationen am 15. Januar 2024 in Berlin ‚zu solidarisieren‘, entsprechen nicht der Wirklichkeit.“ Die Botschaft nehme an den in Deutschland durchgeführten zivilen Demonstrationen nicht teil und mische sich „in die inneren Angelegenheiten des Aufenthaltsstaates“ nicht ein. Das ist auch in internationalen Abkommen geregelt.
Medienberichte zu Einsatz von Sirenen durch Landwirte
Eine Stichwortsuche führte AFP zu zahlreichen, voneinander unabhängigen Medienberichten (etwa hier und hier), in denen zu lesen ist, dass es bei den Demonstrationen in Berlin am 15. Januar 2024 zum Einsatz von Sirenen durch Bäuerinnen und Bauern kam. Bereits in der Vergangenheit wurden Sirenen bei Demonstrationen von Landwirten verwendet, wie aus Medienberichten hervorgeht. Auch in Clips der Bauernproteste von anderen Orten in Berlin vom 15. Januar 2024 ist das Heulen von Sirenen zu hören. Die russische Botschaft wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.
Auf AFP-Anfrage an die Berliner Polizei mit der Bitte um nähere Auskunft zu Sirenen und deren Einsatz in der deutschen Hauptstadt hieß es in einer Nachricht vom 30. Januar 2024: „Im Rahmen der Kundgebung am 15. Januar 2024 am Brandenburger Tor kam es durch Teilnehmende zur Nutzung von Sirenen als Teil der Meinungskundgabe. Zu einer Beteiligung der russischen Botschaft liegen der Polizei Berlin keine Erkenntnisse vor.“
„In Verantwortung der Landesverwaltung wurden in Berlin keine amtlichen Sirenen für den Bevölkerungsschutz auf Botschaftsgebäuden errichtet“, hieß es zudem von der Pressestelle der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport am 29. Januar 2024 gegenüber AFP.
Eine Anfrage an die Vereinigung „Land schafft Verbindung„, die für die Proteste mitverantwortlich war, blieb bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks unbeantwortet. Ein Sprecher der Organisation „Freie Bauern“ schrieb AFP am 29. Januar 2024, dass die Frage, von wem die Sirenen in Berlin eingesetzt wurden, nicht beantwortet werden könne. Es habe sich bei diesen Protesten nicht um eine „Aktion der Freien Bauern“ gehandelt. Aus Medienberichten (etwa hier und hier) geht hervor, dass auch Angehörige der Organisation in Berlin mitdemonstrierten. Der Sprecher erklärte weiter, dass ihm der Einsatz von Sirenen bei den aktuellen Bauernprotesten generell nicht bekannt sei – im Gegensatz zu Hupen.
Fazit: Online heißt es fälschlich, die russische Botschaft in Berlin habe sich mit den Bauern solidarisiert, indem sie bei einer Demonstration im Januar 2024 Sirenen heulen ließ. Gegenüber AFP widersprach die russische Botschaft und erklärte, sich nicht mit den Landwirten zu solidarisieren. Die Sirenen kamen viel eher aus dem Demonstrationszug selbst, wie aus Medienberichten sowie Videos der Proteste von anderen Orten hervorgeht.