Im Februar hat sich die Verbreitung von Desinformation über den Krieg in der Ukraine fast verdoppelt: Der Anteil stieg von 6 Prozent im Januar auf 11 Prozent im Februar, was den höchsten Wert seit März 2024 darstellt. Ein möglicher Grund für diesen Anstieg könnte darin liegen, dass US-Präsident Donald Trump bestimmte pro-russische Desinformationsnarrative aufgriffen hat, die sich auf die Lage in der Ukraine, deren Führung und die Verantwortung für den Krieg beziehen.
Dies geht aus dem Februar-Briefing des EDMO-Faktencheck-Netzwerks hervor, an dem 33 Factchecking-Organisationen aus Europa mitgewirkt haben. Von den 1.376 im Februar veröffentlichten Faktenchecks befassten sich 157 (11%) mit dem Krieg in der Ukraine, 99 (7%) mit der EU, 93 (7%) mit Immigration, 65 (5%) mit COVID-19-bezogenen Falschinformationen, 63 (5%) mit dem Klimawandel, 33 (2%) mit LGBTQ+- und Genderthemen sowie 18 (1%) mit dem Krieg im Nahen Osten.
Trump und Musk: Quelle für Desinformation und falsche Narrative
Im Februar verbreiteten US-Präsident Donald Trump und Mitglieder seiner Regierung mehrere falsche oder irreführende Aussagen. Ein zentrales Thema war die von Elon Musk vorangetriebene Initiative zur Kürzung öffentlicher Ausgaben. Musk, der als Berater der Regierung und Leiter des „Department of Government Efficiency“ (DOGE) fungiert, sowie Trump selbst waren Hauptquellen für Falschinformationen, die die Notwendigkeit dieser Sparmaßnahmen rechtfertigen sollten.
Auch zahlreiche weitere Falschbehauptungen verbreiteten sich in verschiedenen EU-Sprachen. Eine davon behauptete beispielsweise, dass USAID – die US-Behörde für internationale Entwicklung, deren Schließung Elon Musk angekündigt hatte – 50 Millionen Dollar bereitgestellt habe, um Kondome für Menschen in Gaza zu kaufen. Dieses Narrativ wurde von rechten europäischen Influencern weiterverbreitet. Eine weitere Falschmeldung besagte, dass mehrere Millionen Dollar an Hollywood-Stars gezahlt worden seien, um deren Reisen in die Ukraine zu finanzieren und dort die Popularität von Präsident Wolodymyr Selenskyj zu steigern.
Elon Musk behauptete zudem fälschlicherweise, im US-amerikanischen Sozialversicherungssystem sei massiver Betrug aufgedeckt worden: Angeblich würden Millionen von Menschen über „120 Jahre“ Leistungen erhalten. Dieses Narrativ fand Anklang bei bulgarischen Social-Media-Nutzern, die Vergleiche zu ihrem eigenen Rentensystem zogen. Darüber hinaus äußerte Musk die irreführende Aussage, dass 79 Prozent der in Schweden lebenden Geflüchteten in ihren Heimatländern Urlaub machen würden, was impliziert, dass kein Schutzbedarf für Geflüchtete besteht. Diese Behauptung wurde später in verschiedenen EU-Ländern weiterverbreitet.
Trumps neue Ukraine-Strategie: Desinformation und Kritik an Selenskyj
Mit Trumps Kurswechsel in der US-Position zur Ukraine ging eine verstärkte Kritik an der der Ukraine und insbesondere an ihrem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einher. Trumps Rhetorik spiegelte dabei einige der langjährigen falschen Narrative wider, die von der russischen Staatspropaganda verbreitet werden. So wurde unter anderem behauptet, Selenskyj sei ein Diktator, der sich weigere, Wahlen abzuhalten, und eine äußerst niedrige Zustimmungsrate habe. Zudem stellte Trump die Unterstützung der USA für das angegriffene Land durch irreführende Aussagen falsch dar.
Dieser Kurswechsel – bei dem der Präsident des wichtigsten militärischen Verbündeten der Ukraine die Propaganda des Gegners übernimmt – könnte eine treibende Kraft hinter dem Anstieg anti-ukrainischer Desinformation sein. Neben den direkt von Trump geäußerten Behauptungen wurden in EU-Ländern weitere Desinformationen zu diesem Thema verbreitet. Dazu zählen etwa Vorwürfe, dass Selenskyj Friedensgespräche ablehne, 2019 eine Invasion des Donbass angekündigt habe, Geld aus westlichen Hilfszahlungen gestohlen habe und weitere finanzielle Unterstützung fordere, um Friedensverhandlungen aufzunehmen.
Im Zusammenhang mit der Unterstützung für die Ukraine verbreiteten sich ebenfalls Falschmeldungen. So wurde behauptet, US-Waffenlieferungen an die Ukraine seien in die Hände von Drogenkartellen gelangt. Darüber hinaus kursierten falsche Berichte, wonach französische Truppen bereits im Krieg kämpfen würden. Gleichzeitig wurden EU-Politikerinnen und -Politiker, die auf die veränderte geopolitische Lage reagieren, als inkompetent dargestellt.
Falschinformationen zu Wahlen in Deutschland und Rumänien
Nachdem behauptet wurde, dass Institutionen gezielt den Sieg der AfD bei der Bundestagswahl verhindern wollten, verbreiteten Desinformationskampagnen die Anschuldigung, die Wahlergebnisse seien absichtlich manipuliert worden. Es wurde unter anderem behauptet, dass Wahlzettel keine Option zur Wahl der AfD enthielten oder Briefwahlunterlagen zugunsten der AfD vernichtet wurden. Kurz vor dem Wahltag tauchten zudem in sozialen Medien falsche Darstellungen der Positionen aller konkurrierenden Parteien auf – mit Ausnahme der AfD.
Eine weitere Falschbehauptung besagte, dass der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton angeblich zugegeben habe, dass die EU die rumänischen Wahlen annulliert hätte. Es wurde behauptet, dass ähnliche Schritte in Deutschland geplant seien, falls die AfD die Bundestagswahl gewinnen sollte.
Im Februar kursierte zudem in sozialen Medien die Falschinformation, dass ein „European Democracy Shield“ eingeführt werden solle, um der EU zu ermöglichen, „Wahlen in ihren Mitgliedsstaaten zu annullieren“, falls deren Ergebnisse nicht mit ihren Interessen übereinstimmen.
Dieses Narrativ könnte sich im März weiter ausweiten und verstärken, da das rumänische Verfassungsgericht den pro-russischen Kandidaten Calin Georgescu mit der Begründung ausgeschlossen hat, er erfülle „nicht die Bedingungen der Legalität“. Die Richter des Verfassungsgerichts wurden bereits zu Unrecht beschuldigt, in Rumänien Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) zu sein.
Die am weitesten verbreiteten Falschbehauptungen im Februar
- Der Flugzeugabsturz in Washington soll angeblich von einer transgender Pilotin namens Jo Ellis verursacht worden sein.
- Hollywood-Stars sollen Millionen von USAID erhalten haben, um die Ukraine zu unterstützen.
- Der „European Democracy Shield“ sei angeblich von der EU geschaffen worden, um Wahlergebnisse zu annullieren, die nicht im Interesse der EU liegen.
- Videos und Bilder sollen angeblich zeigen, wie Briefwahlunterlagen für die AfD vernichtet werden.
Falschinformationen mit nationalem Schwerpunkt
Slowakei: Der slowakische Präsident Robert Fico sollte während seines Besuchs in Tschechien angeblich von einem ukrainischen Staatsbürger mit Hilfe eines ukrainischen Diplomaten ermordet werden.
Bulgarien: Der frühere Vorstandssprecher der Deutschen Bank Alfred Herrhausen soll gesagt haben, der Euro sei „geschaffen worden, um Europa in den Bankrott zu treiben“.
Slowenien: Der Entwurf eines neuen Mediengesetzes soll vorsehen, Kritik an der Regierung zu verbieten und eine Grundlage für die Kontrolle der Verbreitung von Meinungen zu schaffen.
Griechenland: Die Regierung von Trump führte angeblich Gespräche mit Albanien, um 100.000 Menschen aus Gaza aufzunehmen.
Methodik
Die in diesem Briefing enthaltenen Informationen wurden mittels eines Fragebogens erhoben, der an die Mitgliedsorganisationen des EDMO-Faktencheck-Netzwerks geschickt wurde. Bezugszeitraum: 1. bis 28. Februar 2025. Anzahl der Befragten: 33. Hauptherausgeber dieses Dokuments: Enzo Panizio and Tommaso Canetta, Pagella Politica/Facta.
Organisationen, die zu diesem Briefing beigetragen haben: 15min, AFP, APA, Correctiv, Demagog.cz, Demagog.pl, Demagog.sk, EFE Verifica, Ellinika Hoaxes, Factcheck Vlaanderen, FactReview, Faktabaari, Faktisk, Funky, Greece Fact Check, Källkritikbyrån, Knack, InfoVeritas, Lakmusz, Logically Facts, Maldita, Medizin transparent, Medicinski potvrđeno, Newtral, Oštro, PagellaPolitica/Facta, Polígrafo, Pravda, Re:Baltica, The Journal Fact-Check, TjekDet, VerificaRTVE, Verifica.
Das ausführliche Briefing auf Englisch mit weiteren Informationen zu Falschinformationen in verschiedenen EU-Staaten finden Sie hier.